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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Andreas -Winterthur-
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Hallo

Hier noch ein Bild der hochwasserführenden Saltina von heute Abend aus Brig.
(Quelle: Radio Rottu)

Bild

Gruss Andreas
“Some people are weather wise, but most are otherwise” Benjamin Franklin

Christian Schlieren
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Christian Schlieren »

Lago Maggiore um weiter 30 cm gestigen uferpromenade von Locarno unter wasser !
[hr]
Christian Schlieren
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Stephan
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Übersicht der Abflüsse in der Schweiz

Beitrag von Stephan »

Hier eine Übersicht der Abflüsse in der Schweiz:

Die Maxima der letzten 24h verglichen mit den Monatsmitteln:

Bild

In den Voralpen und Alpen sind die Abflüsse verbreitet über dem Monatsdurchschnitt, im Tessin, Wallis und im Graubünden sogar deutlich darüber.
Im Mittelland sind die Abflüsse allgemein im normalen Bereich bzw. unterdurchschnittlich.

Die vielen roten Punkte im Alpenbogen werden teilweise durch die folgende Darstellung relativiert (Jährlichkeit der Maxima der letzen 24 h):

Bild

Wirklich nenneswertes Hochwasser bei den gemessenen Stationen führen (bzw. führten, die Abflüsse sinken wieder) nur die Rhone bei Brig (im Bereich zw. HQ2 und HQ5), ebenso die Tresa im Tessin. Bemerkenswert waren die Maxima des Goneri im Goms (knapp 10 jährliches Hochwasser) sowie die Saltina, welche ein gut 10 jährliches Hochwasser geliefert hat.

Nicht auf der Darstellung drauf ist der Krummbach (Südseite Simplon), hier wurde ein über 50-jährliches Hochwasser registriert, der bislang aussergewöhnlichste dieses Wetterlage.

Gruss, Stephan

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Federwolke
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Federwolke »

Vielen Dank Stephan für den interessanten Überblick.

Hast du Vergleichswerte vom Oktober 2000 beim Krummbach?

Grüsslis

carol Falera GR
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von carol Falera GR »

Hallo mitenand
Leider waren meine Befürchtungen vom Sonntag berechtigt. Es ist schon beängstigend wie schnell der Lago steigen kann, besonders wenn das Simplongebiet auch noch mit Niederschlägen eingedeckt wird.
Grüsse aus Falera (föhnig, leicht bewölkt und sehr warm)

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Stephan
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Beitrag von Stephan »

Ciao Fabienne

Ich bin dem Krummbach noch etwas nachgegangen.

Hier die aktuelle 7-Tage-Graphik des Krummbach, der höchste Momentanwert lag bei 27 m^3/s:

http://www.bwg.admin.ch/lhg/2244_7.PDF

Im Jahr 2000 gabs 22 m^3/s. Dieser Wert überrascht und scheint doch eher niedrig zu sein, eine plausible Erklärung gibts bisher nicht:

http://www.bwg.admin.ch/lhg/moni/00/2244Q_00.PDF

Zur Einordnung hier die Extremwertstatistik:

http://www.bwg.admin.ch/lhg/hq/2244hq.pdf

Es handelt sich um den 3. höchsten Messwert in einer seit 1952 bestehenden Messreihe, wobei der höchste Wert im Jahr 1970 mit 30.5 m^3/s registriert wurde. 1993 wurde die Station durch einen Seeausbruch zerstört, in der Folge wurde sie verlegt. Aus den Jahren 1993 bzw. 1994 existieren keine gesicherten Werte, für 1993 wird ein Maximum von 50 m^3/s (!) geschätzt.
Die Reihe des Krummbaches ist auf jedenfall nicht ganz unproblematisch, die genaue statistische Einordnung ist schwierig...

Gruss, Stephan

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Stephan
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Stephan »

Und noch eine Anmerkung zum Krummbach (aus: http://www.bwg.admin.ch/themen/wasser/pdf/hwea00.pdf, S. 58)

Krummbach-Klusmatten: Beim Hochwasser 1993 hat der Ausbruch des Sirvoltesees mit seiner Flutwelle die grosse Abflussspitze verursacht und die Messstation komplett zerstört. Die viel besser geschützte Nachfolgestation konnte diesmal der nur durch den Niederschlag geprägten Hochwasserspitze problemlos standhalten. Der Wasserspiegel bei Hochwasser ist im Bereich der Pegelmessung sehr unruhig. Entsprechend schwierig ist es, den repräsentativen Wasserspiegel zu eruieren. Die Sonde für die Wasserstandsmessung ist durch das Hochwasser beschädigt und die Halterung gelockert worden. Aufgrund der Aufzeichnung ist zu vermuten, dass sich dies aber erst nach dem Durchgang der grössten Hochwasserspitze ereignet hat (wahrscheinlich durch Geschiebe). Die kürzlich durchgeführten Abflussmessungen zeigen eine leichte Verschiebung der P/Q-Kurve in Richtung von mehr Abfluss an (< 10%). Insgesamt ist deshalb für die Abflussspitze des Hochwassers 2000 von einer Unsicherheit von ca. 20% auszugehen.


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Federwolke
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Beitrag von Federwolke »

Salü Stephan

Vielen Dank für die Recherche. Wenn ich mir die Abflusskurve der letzten Tage anschaue und die Zahlen vom Oktober 2000, so kann ich höchstens vermuten, dass damals zwar insgesamt mehr Niederschlag gefallen ist, aber verteilt auf 3 Tage, so dass die Spitze weniger extrem war als gestern, wo offenbar in kurzer Zeit in einem beschränkten Gebiet viel mehr Niederschlag gefallen ist. Auffällig war ja gestern auf dem Radar ein Starkniederschlagsgebiet, das sich mehrere Stunden an Ort und Stelle befand (Gewitter?).

Gut, dass es diesmal früher aufgehört hat...

Gruss

Christian Schlieren
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Christian Schlieren »

Meldung von simplondorf. von einer Schlammlawine getroffen mehrere häuser voller Schlam. es wurde berichtet dass es gestern abend 30l und mehr pro stunde gab wie lange weiss ich auch nicht genau.Scheint als währe der Süden dieses mal mit einem blauen Auge davon gekommen.
[hr]
Christian Schlieren
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Stephan
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Nächste Woche grosse Niederschlagsmengen Tessin?

Beitrag von Stephan »

Ciao Fabienne

Nochmal ein Vergleich mit dem 2000er Ereignis, diesmal unter Berücksichtigung der Niederschlagsmengen:

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Ereignis vom Oktober 2000, Quelle: http://www.crealp.ch/de/contenu/crealp_gondo_precipit_oct.asp und Jahrbuch 2000 BWG

Datum       Tagesniederschlag [mm] Tagesmittel Abfluss Krummbach [m^3/s] Spitze [m^3/s] 
11.10.2000   28.4                   0.84                                     
12.10.2000   47.3                   1.10 
13.10.2000  246.5                   4.89
14.10.2000  248.2                  12.9
15.10.2000  108.1                  14.3                   --->           22.0 
16.10.2000   15.5                   7.69 

Gesamtniederschlag: 694 mm
Vorregen:           570.4 mm        


Ereignis vom November 2004, Niederschlagswerte von Andreas/Winterthur weiter oben in diesem Thread, Abflüsse vom BWG

Datum       Tagesniederschlag [mm] Tagesmittel Abfluss Krummbach [m^3/s] Spitze [m^3/s]
31.10.2004                         1                                     1
01.10.2004  64 (2 Tage)            3                                     4
02.10.2004  188                    10                                    27
03.10.2004  0 (?)                  6                                     14

Gesamtniederschlag: 252 mm
Vorregen:            64 mm



Fazit: Der Vorregen beim 2000er Ereignis war etwa 9mal grösser als beim heurigen Ereignis. Alleine die jeweiligen Tagesniederschlagsmengen vom 13. und 14. Oktober lagen in der Grössenordnung des gesamten Periodenniederschlages vom Nov. 2004. Die Bodensättigung war im Oktober 2000 wahrscheinlich komplett erschöpft Angesichts dieser Tatsachen sind die Abflussspitzen von 2000 erstaunlich niedrig. Ein sehr schönes Beispiel, dass der "Seltenheitswert" des auslösenden Niederschlages nicht mit linear mit dem "Seltenheitswert" der resultierenden Abflussspitze gekoppelt ist. Dazwischen läuft ganz viel Hydrologie ab, die sich häufig erst im nachhinein und auch dann nur unvollständig rekonstruieren lässt.

Eine übliche Verdächtige in dieser Höhenlage und Jahreszeit ist wie immer die Schneefallgrenze: Währenddem sie im Jahr 2000 ab dem 15. Oktober am Ende des Ereignisses abgesunken ist, war sie im aktuellen Fall konstant hoch auf über 3000 m. Für mich ist das aber noch nicht der matchentscheidende Einfluss, weil damit nicht geklärt ist, warum am 13. und 14. Oktober 2000 keine grösseren Abflüsse registriert wurden.

Folgender Link liefert ein paar Steigbügel für Vermutungen: http://www.bwg.admin.ch/service/hydrolo ... edvnr=2244

Das zur Messstation gehörige Einzugsgebiet umfasst eine Fläche von knapp 20 km^2, dazu kommt die sehr hohe Reliefenergie (höchster Punkt 3300m , Ausfluss auf 1800m) --> Die Konzentrationszeit bzw. die massgebende Niederschlagsdauer für extreme Abflüsse liegt im Bereich von wenigen Stunden. Wenn wir Tagesniederschläge betrachten, die zudem nicht im Gebiet selber (Simplon Dorf --> 2000er Werte, Hotel Simplon (Hospiz?) --> 2004er Werte) liegen, kommen wir nicht weiter. Radar hilft bedingt, die Abschattung durch die umliegenden Berge wird sich da negativ auswirken. Zum Problem der Lokalisierung von Niederschlagszellen via Radar hast doch du vor kurzem Mal eine interessante Beobachtung ins Forum gestellt, oder täusche ich mich da?.

Nun, wirklich schlauer bin ich nicht geworden, ich würds als Nichtwissen auf höherem Niveau bezeichen...

Gruss, Stephan

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