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Abtropfende Tröge

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Willi
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Abtropfende Tröge

Beitrag von Willi »

Hallo

Im Moment ist wirklich der Wurm drin. Jeder Trog, welcher sich von Westen nähert, tropft ins Mittelmeer ab, und uns bleibt trockenes und langweilig-nebliges Novemberwetter. Das scheint nun auch mit dem nächsten Trog, der am Wochenende reinkommt, zu passieren. Danach gibts entweder ein Riesen-Hoch, oder (nach ECMWF) eine vage Chance für einen Streifschuss aus Norden in der 2. Wochenhälfte. So gibts natürlich weder Regen noch Schnee, allenfalls irgendwann Rauhreif. OK, ist auch schön, nur könnten wir Niederschlag schon wieder mal gebrauchen, wenn auch nur um die gähnend leeren Radarbilder zu bekleckern. :-)

Ist das ein Vorgeschmack auf den kommenden Winter? Solche Lagen tendieren ja dazu, sich endlos zu wiederholen. Gibt es Statistiken dazu?

Gruss Willi
Gruss Willi
Immer da wenn's wettert

Severestorms
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Beitrag von Severestorms »

Hoi Willi

Vielleicht findest du hier was Interessantes dazu: Zirkulationsdynamik mediterraner Niederschlagsschwankungen (für Winterhalbjahre)

All die zahlreichen und (mittlerweilen auch für mich interessanten) Seiten über die NAO kennst du ja bestimmt. Dort gibt es mit Sicherheit auch irgendwo noch Statistiken bezüglich Druckanomalien in (Mittel)europa, als Folge der schwachen Druckunterschiede zwischen Island-Tief und Azoren-Hoch während einem negativen NAO-Index.

Gruss Chrigi
Founder, Owner and Operator of SSWD - Engaged in Science & Research since 1997.
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Chrigu Riggisberg
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Beitrag von Chrigu Riggisberg »

Hallo Willi

immerhin besteht die Hoffnung, dass dem ab kommender Wochenmitte nicht mehr so sein wird. Nach dem EZ 00Z Lauf sieht es gar nicht so übel aus.
Bild
Ich bin der Meinung, dass daraus nicht nur ein Streifschuss werden wird. In Anbetracht der wiederholten Austrogungen ins Mittelmeer besteht die Chance, dass auch dieser Trog das machen wird. Klar, es geht noch eine Woche. Doch aus meiner Sicht ist die Langfristprognose des EZ deutlich (!) stabiler als jene des GFS. Ich mache meine Langzeitprognosen nur mit dem EZ (auch wenn diese nicht immer aktuell sind).

Gruss Chrigu
Riggisberg BE (800 m.ü.M.), zwischen Schwarzenburg und Thun am Fusse des Gurnigels gelegen

Matt (Thalwil)

Abtropfende Tröge

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Hallo Chrigu

Weitere Modelle zeigen ebenfalls einen Trog im Anmarsch zu Wochenmitte. Es ist aber müssig auf diese Frist Entwicklungen zu beurteilen (siehe beispielweise Stabilität der einzelne GFS-Ensemble-Member):

http://wetterzentrale.de/pics/MT8_Stuttgart_ens.png

Im übrigen kann ich Dir sagen, dass es bei EZ 12Z (von gestern) genauso aussieht: Von 50 machen 26 Member ein Abtropfen, die Restlichen lassen den Trog mehr oder weniger unbehelligt... who really cares?

Im Bezug auf die Güte von Mittelfristprogosen (in dieser Frist spricht man nicht von "Langzeitprognosen") bin ich nicht Deiner Meinung. Ab 3 bis 4 Tagen rechnet GFS (teils auch GME) ganz klar zuverlässigere Prognosen als EZ. Z.B: Häufig hat EZ mit dem Timing von Fronten gröbere Probleme. --> Thema gäbe einen ganzen Thread zum Diskutieren.

Insgesamt spielen GFS, EZ und GME (+weitere) in etwa derselben Liga.

Gruss Mat

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Chrigu Riggisberg
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Abtropfende Tröge

Beitrag von Chrigu Riggisberg »

Hallo Matthias
Von 50 machen 26 Member ein Abtropfen, die Restlichen lassen den Trog mehr oder weniger unbehelligt...


Genau solche Informationen fehlen mir eben. Woher kann man die beziehen, ohne "Mitglied" zu sein? Ich wusste gar nicht, dass das SFDRS auch mit den aktuellen EZ-Karten arbeitet. Oder ist dem etwa nicht so? Auch der Zugriff auf die "längeren" GME Modelle bleibt mir leider verwehrt.

Die GFS-Ensembles kann man fast nicht ernst nehmen. Die schwanken von Lauf zu Lauf so, dass einem schwindlig wird. Deshalb schaue ich mir lieber die EZ-Läufe an, die eben etwas stabiler sind aus meiner Sicht. Nach meiner Erfahrung fallen die GFS-Läufe zu rasch in einen zonalen Modus; d.h. v.a. bei blockierten Wetterlagen hat dieses Modell seine Schwierigkeiten. Aber du hast recht: Darüber könnte man einen einzigen Thread füllen.

Gruss Chrigu
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Andreas -Winterthur-
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Abtropfende Tröge

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Hallo Willi

Diese Lage mit hohem Luftdruck und Abtropfungen hat tatsächlich eine aussergewöhnliche Erhaltungsneigung. Ich habe mal anhand der Reanalysen der WZ, die leider nur bis Ende September erhältlich sind, die Abtropfungen von Anfangs August bis Ende September ins westliche Mittelmeer zusammengezählt: alleine in diesen 2 Monate gab es rund 6 cut offs mit dieser Zugbahn. Darunter die katastrophalen Entwicklungen vom 21.-23.8. (Nordalpen) und 7./11.9. in Südfrankreich. Für Oktober/November müssten das in etwa nochmals gleich viel gewesen sein; wobei die letzteren Abtropfungen praktisch alle die gleiche Zugbahn hatten, nämlich via Spanien SW bis SE-wärts und für unser Wetter kaum mehr von Bedeutung waren. Ganz anders die Auswirkungen auf die nun seit 2003 von Trockenheit heimgesuchten Regionen im Languedoc Rousillon in Südfrankreich: hier regnete es von Mitte Oktober an vielerorts praktisch täglich! An der Station Générargues am Fusse der Cevennen im SE des Massif Central wurden im Oktober vom 13.10. an 13 Regentage (1 mm und mehr) mit insgesamt 207 mm gemessen. Dazu passend die europäische Niederschlagsverteilung im Verhältnis zur Norm vom Oktober:

Bild

Der leichte Überschuss in der Nordschweiz resultiert einzig auf die ergiebigen Mengen von Anfangs Oktober gesteuert durch ein Genuatief (auch das wurde übrigens durch eine Abtropfung generiert).

Interessant ist die Gegenüberstellung dieser Lage mit dem NAO Index. Nicht ganz überraschend passen die momentanen Verhältnisse ziemlich gut zum allgemeinen Trend zu einer nachhaltigen low index Lage. Das heisst geringe Druckgegensätze zwischen Azoren und Island und dementsprechend schwache Westdrift in unseren Breiten. Wie man auf folgender Übersicht sehen kann, bewegen wir uns nach einem Höhepunkt in den 90er Jahren in den letzten Jahren kontinuierlich einem negativen Mittel des NAO Index entgegen:
Bild

blaue Kurven=Mittel von Januar/Februar/März
schwarze Kurve=5 Jahresmittel
siehe auch: http://www.cpc.ncep.noaa.gov/products/p ... index.html

Interessant übrigens der vorläufige Höhepunkt der positiven Phase Ende 1999/2000 welche uns ja die bekannte katastrophale Weihnachtsbescherung brachte und den allerseits befürchteten Milleniumsgau in den Schatten stellte. Das nur nebenbei.

Schön zu sehen übrigens auch der Negativ Peak 1962/1963 (Seegfrörni)

Auf der Suche nach ähnlich vielen Abtropfungen im Sommer/Herbst habe ich übrigens noch das Sommerhalbjahr 1978 etwas genauer unter die Lupe genommen. So viele Abtropfungen wie heuer gab es zwar nicht, dafür hatte die Lage vom 7./8.8.1978 Ähnlichkeiten mit dem Hochwasserereignis dieses August:

Bild

Dazu ein Kurzbericht zu den Schäden und Opfern:
Unwetter in fast allen Kantonen: Ganze Talschaften werden durch Fluss- und Bachausbrüche, Rüfen und Rutschungen verwüstet; Gebäude, Brücken, Dämme, Strassen- und Schienenwege sowie Industrie- und Kraftwerkanlagen werden zerstört, 9 Todesopfer, zahlreiche Verletzte, Sachschäden von über 500 Mio. Fr.


Zum Vergleich die Analyse vom 22.8.05:

Bild

Ähnlich übrigens die Lage vom August 2002 mit den katastrophalen Überschwemmungen in Ostdeutschland, Bayern, Österreich und Tschechien. Hier die Analyse vom 12.8.02:

Bild

Die Folgen:
Hochwasser in Ostdeutschland, Tschechien, Österreich mit rund 90 Todesopfer und direkten und indirekten Schäden von 55 Mia. Euro.


Wieder zurück zum eigentlichen Thema, resp. zum Jahr 1978: Der November ist damals ähnlich verlaufen wie der heurige; bis zum 24. führten kräftige Warmlufthochs das Wetterzepter, bis dann gegen Ende Monat erstmals der Winter an die Türen klopfte:

Bild

Wie es damals weiterging ist auf einer spannenden Extraseite auf dem Site von Thomas Sävert zu lesen:

http://www.saevert.de/2winter7879.htm

Viel Spass!

Grüsse Andreas
“Some people are weather wise, but most are otherwise” Benjamin Franklin

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Willi
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Beitrag von Willi »

@Andreas: vielen Dank für deine spannende Zusammenstellung. Ich weiss nicht, ob die nächsten 30 Jahre mit negativem NAO ein Auf- oder Absteller sein werden. Naja, Geduld bringt Rosen...

Gruss Willi
Gruss Willi
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