Hoi zäme
"Popcorn"-Chasing, bei welchem die Trefferquote ja schon gering sein kann, ist Kinderkram gegen die gestrige Wetter- und vor allem Modellkartenlage. Ich habe mich für das HSFS (Hütchen-Spieler-Forecast-System) entschieden. Das sieht so aus:
Links WRF ARW, Mitte GFS und rechts Cosmo 1. WRF mit kräftigen Zellen 18z in BaWü und Bayern (Augsburg), wie auch ein + 65 dbz Giftzwerg von Alessandria (I) über Varese ins Tessin, Richtung NNO, etwas V-shapig und entsprechend verlockend bis 20-21z (für Blitzaufnahmen). GFS ebenfalls verlockend mit hochreichender Konvektionsbewölkung um 18z, entlang der Voralpen, auslaufend nördliches Mittelland, flankierend der Keilachse des vorstossenden Bodenhochs, an der Tropopause Divergenz, ergo breite Hebungszone, orografisch unterstützt und alle Gewitter-, Labilitätszutaten da - UND Deckel weg. KO-Index Maximalwerte usw. Aber Cosmo 1 wollte weder von der Mailänderebene und dem Tessin, noch von der grossflächigen, helvetischen Auslöse etwas wissen, modellierte aber auf der Linie Biberach-Ulm-Augsburg eine sehr spannende, konvektive Niederschlagssignatur, die in der Animation natürlich mehr hergab, als quasi Momentaufnahmen vertikaler Auftriebe z.B. (VV 700 hPa).
Und da mir aufgrund der Tropopauseneinbuchtung (PVU 1.0 Level), der 850er- und 700er-Winde, der Troglage, mit der verbundenen Cutoff-Situation (in meinem Forecast und Matt's Beitrag nachzulesen...) des Kerns (Höhentief) und der zu erwartenden Leeauslösetendenz Janeks WRF-Modell nicht stimmig erschien, fiel das erste Hütchen für mich nicht in Betracht. Rückblickend betrachtet zum Glück! Nichts geschah in Norditalien und es wäre zum frustrierendsten Chasing seit Beginn geworden! Na ja: GFS wohl etwas gar optimistisch mit einer breiten Auslöse in der Schweiz, hatte aber BaWü und Bayern vt. 18z relativ konstant, auch in den Vorläufen drin. Ich rechnete eher mit kleinen, kurzlebigen, inneralpinen Zellen; und da mich tags zuvor im Thurgau das Gewitter einfach überhüpfte, ging ich dieses Risiko nicht noch mal ein. Ich wollte Extremwetter und das Animationsmodell von Cosmo 1 liess von Westen eine Gewitterzelle auf eine andere treffen, die aus dem Allgäu (aus SO) heraus kommen sollte. Es zeigte einen sich bildenden Gewittercluster, mit zyklonaler Rotation. Mein Favorit!
Zunächst beobachtete ich mal von einem Parkplatz in der Höhe die Situation in Richtung süddeutschen Raum 12 55 Uhr.
Cumulus humilis, so weit das Auge reicht. Aber plötzlich war mitten drin ein Cu con erkennbar, der wie in einem Lift hochschoss:
...bald das volle Reifestadium erreichte und innerhalb rd. knapp 20 Minuten vom ersten Erscheinen auf dem Radar bis zu den ersten Blitzen förmlich "explodierte".
Ein schönes Beispiel für die microscalige Leekonvergenz in der Abdeckung durch den Feldberg. Deshalb auch quasistationär, mit der in der Strömungsrichtung in der Höhe verfrachtenden Cb-Schirm. Solche Zellen leben nur solange, bis nie Niederschlagsabkühlung die vorhandenen Energie "aufgefressen" hat und der Konvergenz-"Motor" nicht mehr funktioniert. Neue Zellen überlagern die alten und die gesunden Aufwindbereiche befinden sich immer auf der Seite der anströmenden Luft. Auf der anderen Seite zerfleddert alles. Ich gab der Zelle / bzw. der Zellproduktion nicht grosse Überlebenschancen und bald ging sie wieder zugrunde.
Da dieses Phänomen gegenüber Italien und Frankreich hier eher selten ist, war es trotzdem ein faszinierendes Schauspiel.
Ich fuhr nach Isny (D), wo vor mir die dunkle Wand der Gewitter aus dem Allgäu vorüber rauschten:
Die Gewitter aus Biberach in Richtung ONO und die Gewitter aus Kempten in Richtung NNW schlossen sich südlich von Ulm bei Illertissen zu einem gewaltigen Cluster zusammen - un dich fuhr gerade durch den Core, hehe

Das war wie Wakeboarden mit dem Auto. Krass. Innerhalb weniger Minuten stand das Wasser auf der Autobahn 15-20 cm hoch und ich fuhr nicht im Windschatten, sondern im Kielwasser eines LKW,s, der unbeirrt mit 80-90 km/h auf der Überholspur an den mit etwa 40 km/h fahrenden PWs vobeizog - und ich konnte nicht zu nahe auffahren, also ohne Windschatten, weil der ohnehin schon herrschende Whiteout die Sicht extrem verminderte und ich noch etwas ausserhalb der Gischtfahne des LKWs vor mir fahren wollte. Etwa 80 % aller Fahrzeuge verliessen die Autobahn bei Ausfahrten und Parkplätzen. Vielen war es einfach zu extrem. Dann bot sich eine Gelegenheit den LKW zu überholen, so dass ich die Gelegenheit bekam, so schnell wie möglich bei Neu-Ulm in Richtung Augsburg abzubiegen, um die Linie erneut abzufangen.
Das gelang mir auch. Böenfrontwirbel links im Bild; vermutlich Scudcloud. Unten die andere Seite der Linie in Richtung Ulm
Zweiter Corepunch; diesmal aber schwächer. Beim ersten war KLeinhagel dabei und es blitzte 1-2 Mal / Sekunde.
Die Zelle drehte nach Osten ab und schien südlich von Augsburg die Autobahn zu passieren. Ich fuhr zum dritten Corepunch nach Dasing. Doch der nördliche Teil ging ein und südlich baute sie an und die schönen CGs in der Nähe, welche ich beim Aufbau der Kamera mit dem Stativ sah und hörte waren plötzlich weg. Aus der Traum von schönen Blitzaufnahmen nachts. Alles war im NS eingelagert; über 99% ICs und bei München...
Radarloop poste ich noch...
Gruss Cyrill