Hallo zusammen
Ich bin heute morgen von einem knapp 2 1/2-tägigen Chasing zurückgekehrt und habe eine grössere Menge Daten-, Video- und Fotomaterial, welches ich in einer ruhigeren Phase mal auf dem Xtreme Weather Tours-Blog als vollständigen Bericht zusammenstellen werde.
Am Samstag (25.08.2012) war mein Target im Tessin, wo ich Gewitter und Starkniederschläge erwartete (vgl. Matt's Eingangspost) und für den Sonntag (26.08.2012) rechnete ich mit Superzellen in Norditalien; d.h. nach der Kartenlage sah ich ein sehr hohes Potential für Wasserhosen an der Adria, bzw. sogar für einen Tornado im Bereich der Superzelle(n). Mir schien die Gegend nordöstlich von Padova am geeignetsten, wo 2009 ein F2-Tornado bei Riese Pio X schwere Schäden verursachte.
Zur Erinnerung (man beachte die Strommasten

):
http://www.youtube.com/watch?v=u-kskZgTe-Q
Zwar war der Left-Exit-Bereich des Höhenjets nicht optimal positioniert (Sonntag 15z) und mir wären > 115 knt lieber gewesen, als 90 knt. Aber gemäss GFS z.B. würde sich das Vb-Tief über Stunden in Norditalien einnisten, statt weiter ostwärts zu wandern, was ich als gute Voraussetzung erachtete (weitere Überlegungen dann im Bericht).
Kurze Zusammenfassung mit Bildern:
Am Samstagmittag fuhr ich über das Zürcher Oberland und den Seedam auf Schindelegi, wo ich etwas südlich davon bei den Hochmooren bei der zweiten und dritten Altmatt die erste Gewitterzelle abgefangen hatte, welche aus dem Luzernischen in Richtung Nordosten unterwegs war. Viele Blitze, die meisten aber eingelagert im Niederschlag und gerade mal 1 CG unter 5 km Distanz.
Bild, abziehende Zelle:
Danach weiter via Gotthard ins Tessin, wo die "Dusche" des Niederschlags bereits nach dem Südportal begann und je weiter ich in die Magadinoebene hinunter fuhr, desto geringer wurde die Sicht durch die Feuchte "Suppe". Erste Gewitterzellen aus SW näherten sich der Schweizer Grenze und ich entschied mich bei Paradiso zu positionieren und filmte zwei blitzaktive Zellen, die nördlich an mir vorbeizogen, während die Dämmerung hereinbrach. Ich entschied, mich etwas nördlicher zu positionieren, stellte die Kamera ab und nur wenige Sekunden später zuckte neben dem Monte Bré ein gewaltiger CG in die Stadt Lugano. Ich suchte mir ein Plätzchen zwischen Bellinzona und Locarno und liess mich von mehreren Zellen überrollen. Plötzlich kam die KF wieder in Fahrt in Richtung SSO und ich fuhr der bisher blitzintensivsten Zelle Varese-Mendrisio entgegen, war aber etwas zu spät um Fotos zu machen. Strobo-Core bei Chiasso
Noch vor Sonnenaufgang stand ich auf; ich wollte mich im Raum Venedig früh genug positionieren. Auf dem Donnerradar sah ich, dass bei Rapallo, südöstlich von Genua, eine Zelle soeben blitzaktiv wurde und das Sat-Bild zeigte eine ganze Linie entlang der KF, die auf dem Weg nach SSO war.
Bild; am südwestlichen Ende der Linie der aktivste Teil, sogar mit Overshooting-Top - erstaunlich um diese Uhrzeit! Blick auf die Zelle von Norden nach Süden; Distanz rd. 200 km:
Nach Kaffee und Gipfeli fuhr ich in Richtung Venedig und hielt etwas östlich von Verona, um mal die Lage zu checken und die ersten Quellversuche im Trentino bei Riva del Garda zu fotografieren:
Ich rechnete mit einer V-Shape-Auslöse entlang des nach Südosten verlaufenden Rand des Alpenmassivs und war dann doch ein wenig überrascht, als Estofex für dieses Gebiet Level 2 ausgab und von leeseitig auslösenden Zellen mit Downburstpotential sprach. So entschied ich noch weiter südöstlich die Entwicklung zu beobachten und fuhr nach Padova-Ost (Raststelle).
Bild; dann war Geduld gefragt. Immer wieder neue Quellversuche......
Bild; dann endlich, nach langem Warten, wurden die Strukturen knackiger und auf dem Sat-Bild und dem Donnerradar war zu erkennen, dass sich die Gardasee-Zelle wie gewünscht in meine Richtung bewegte.
Plötzlich ging alles sehr schnell. Als ich ein Pileus-Häubchen sah, wurde ich so euphorisch, dass ich gleich Ralph anrief. "Ooups, das wird aber übel." sagte ich. Inzwischen war ich auch mit Andreas-Winterthur am SMS-len (Danke beiden für Nowcast-Hilfe) und ich entschied mich nordöstlich von Padova in Richtung Castelfranco / Veneto zu verlagern. Da war doch auch einmal ein Tornado
Endlich fand ich bei Borgoricco nach längerem Suchen eine Stelle, die nicht zugebaut ist und das Mais schon geerntet - gerade rechtzeitig, denn eine dunkle Gewitterlinie kam direkt auf mich zu - fernes Donnergrollen; soweit noch vertraute Erscheinungen.
Doch inzwischen hatte sich eine Superzelle entwickelt, in dessen Zugbahn ich stand. Wie eine pyroklastische Wolke wälzte sich lawinenartig eine gigantische Wallcloud auf mich zu...
Bild; hier das südwestliche Ende, welches rd. 10-15 Minuten später Padova traf:
Bild; Blick nach Nordwesten. Der Tag wird zur Nacht, flaschengrün der Hagelkern. Noch siegt der Wille ein paar Fotos zu machen über den Fluchtinstinkt, während ich mich gegen die Outflow-Böen stemme:
Dann ab ins Auto, Extremniederschlag, Blitze im Sekundentakt, Naheinschlag unter 300 Meter, Sturmböen - das ganze Programm.
Nach heutigem Informationsstand, forderte diese Zelle bisher 1 Toten und einige Schwerverletzte:
Quelle:
http://www3.lastampa.it/cronache/sezion ... tp/466475/
Ich fuhr nach Mirano vor Venedig. Eine weitere Zelle traf mich. Dann fuhr ich der Linie in Richtung Triest nach, doch sie driftete ins offene Meer und ich hätte sie erst in Istrien / Rijeka wieder abfangen können - allenfalls. 84 km vor Triest gab ich die Verfolgung auf. Zudem war ich von den Mammatus-Strukturen in diesem Abendlicht richtig gefesselt (Bilder):
Es gab zwar Wasserhosen an Italiens Küsten, doch weiter südlich. Ich hätte mich an die Triggerlinie der am Morgen bei Genua fotografierten Zelle heften sollen...... (s. Wasserhosen bei Ostia). Aber es war auch so ein Super-Chasing!
http://www.youtube.com/watch?v=zYsvYFEjPDQ
http://www.youtube.com/watch?v=or5Rb2VMJsc
Gruss Cyrill