Auf Donnerstag formiert sich über Westeuropa eine bilderbuchhafte Tiefdruckrinne. Man liest und hört ja immer wieder von Tiefdruckrinnen, kann sich in der Regel aber nicht sonderlich viel darunter vorstellen. Am Donnerstag haben wir es nun aber für einmal mit einem besonders schönen Exemplar zu tun.
Zum Zeitpunkt Donnerstag, 18 UTC erstreckt sich die Tiefdruckrinne vom nördlichen Skandinavien über die Britischen Inseln bis vor die portugiesische Atlantikküste. Schön zu erkennen ist, wie die Rinne mehrere Bodentiefs miteinander verbindet (blaue Pfeile). Eingebettet ist die Rinne zwischen ein Hoch mit Zentrum über dem Schwarzmeergebiet und einen Hochdruckkomplex, der sich vom subtropischen bis polaren Bereich des Atlantiks erstreckt (rote Pfeile).

Dieser Komplex verschiebt sich von Donnerstag auf Freitag nach Mitteleuropa hinein. Am Donnerstag werden im Vorfeld eines in diese Rinne eingebundenen Höhentrogs relativ warme Luftmassen aus Südwesten in die Schweiz geführt, was uns einen schönen und warmen "Altweibersommertag" beschert. Genau genommen ist der Begriff Altweibersommer aber irreführend. Ein klassischer Altweibersommer ist meiner Meinung nach auf ein stabiles Hochdruckgebiet über West-Mitteleuropa zurückzuführen. In unserem Fall sorgt aber – wie so oft in diesem speziellen Wetterjahr 2010 – die Advektion warmer Luftmassen im Vorfeld einer Störungszone für warme Temperaturen. Ich würde sogar so weit gehen und diese Konstellation als eher atypisch für den Herbst zu bezeichnen. Tiefdruckrinnen dieser Art sind eigentlich eher im Sommer anzutreffen, wenn die atlantische Zirkulation zu grösserer Inaktivität neigt. In den Herbst und Winter hingegen, wo sich die polare Frontalzone (in der Regel) nach Süden vorarbeitet, passen sie irgendwie nicht. Aber diese Diskussion würde wohl einen eigenständigen Thread verdienen.
Im Verlauf des Donnerstagabends kommen wir allmählich auf die Vorderseite des Höhentroges. Dynamische Hebungsprozesse setzen also ein. Nimmt man die kräftige WLA und die wohl auch mehrheitlich ungetrübte Sonneneinstrahlung hinzu, kommt man bereits am Donnerstagabend meines Erachtens nicht um das Thema Gewitter herum. GFS wie ECMWF deuten jedenfalls am Donnerstagabend an den Voralpen, im Jura und im Schwarzwald auf orographisch unterstützte Konvektion hin.
Freitagnachmittags erreicht die in die Rinne eingebettete Kaltfront dann die Alpennordseite. Gemäss ECMWF ist bereits in den früheren Nachmittagsstunden mit der Frontpassage zu rechnen, GFS verlegt die Passage eher in die Abendstunden. Beide Modelle simulieren grössere Niederschlagsmengen. GFS wie auch ECMWF geben deutliche Hinweise auf Konvektion, was rein schon aufgrund des Timings der Front als realistisch angesehen werden kann. Gewitter sind im Bereich der Kaltfront also zumindest nicht völlig auszuschliessen. Inwiefern sich die Föhnströmung über den Alpen wie auch eine mögliche frühe Stabilisierung durch ein Durchgreifen des West/Nordwestwindes hier negativ auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Unsere Tiefdruckrinne verschiebt sich dann übrigens bis Samstag, 00 UTC genauso "szenisch" weiter nach Mitteleuropa, wie sie sich schon die Tage zuvor präsentiert hat:

Es bleibt letztlich die Frage: Wann beginnt das Winterhalbjahr 2010 auch in der Atmosphäre? Ich hätte nichts dagegen, wenn wir uns von Rinnen, Cut-Offs und Abtropfprozessen so langsam mal verabschieden könnten...aber vielleicht übertreibe ich ja auch
[EDIT MODERATION:
Merging der beiden Threads "FCST Höhentrog / Tiefdruckrinne 23./24.09.2010" und "Letzter warmer Spätsommertag". Hoffe der Titel passt..]



