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Mesoskalige Bedingungen im Bereich d. "Burgundischen Pforte"

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Cyrill
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Mesoskalige Bedingungen im Bereich d. "Burgundischen Pforte"

Beitrag von Cyrill »

Anlass zur Eröffnung dieses Threads ist die - entgegen der Vorhersagen - abgeschwächte Auslöse von Gewittern am 27.07.09 im Bereich Juranordfuss / Basel / Rheingraben, wonach die Frage nach den Gründen gestellt wurde. Trotz mehr oder weniger klassischem Kaltfront-Durchgang und den für die Entwicklung verstärkter Gewitteraktivität genügenden PVA-, CAPE- und TP-Werten, verhielt sich die Zellenbildung, die Niederschlagsmenge und die Blitzrate in Grenzen.
Auf meine Anregung hin besteht offenbar das Interesse (Danke Mike Reinach BL, Thies) über den orografisch bedingten Einfluss der sog. "Burgundischen Pforte" auf das Klima im mesoskaligen Einzugsgebiet des Dreiländerecks zu diskutieren. Es wird sicher spannend diese Region einmal genauer anzusehen.
Die vorangegangene Erörterung ist im Thread "Gewitter am 27.07.09" nachzulesen und vielleicht kann das aktuelle Fallbeispiel (inkl. Wetterkarten) aufklärend wirken:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... &start=200

Informationen zur "Burgundischen Pforte": http://de.wikipedia.org/wiki/Burgundische_Pforte

Hier noch einen alten Thread "Frage ist Basel speziell" von 2005:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... rte#p38834
(Forumssuchbegriffe: Burgund / Burgunderpforte)

Gruss Cyrill

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Thies (Wiesental)
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Re: Mesoskalige Bedingungen im Bereich d. "Burgundischen Pforte"

Beitrag von Thies (Wiesental) »

Hi Cyrill, Mike und Interessierte,

danke für die Eröffnung dieses Threads. Im Prinzip müsste man die Diskussion erweitern und nicht nur die Burgundische Pforte, sondern im Speziellen auch die orografische Lage von Jura, Vogesen und Schwarzwald berücksichtigen. Die Wechselwirkung dieser Parameter zusammen mit den meteorologischen Faktoren ist besonders wichtig, um Aussagen über Gewitterzugbahnen und -entstehungsorte in Abhängigkeit davon abzuleiten.

Besonders freuen würde ich mich über eine Beteiligung professioneller Mets an dieser Diskussion, da meine eigenen Rückschlüsse eher auf inzwischen recht langjährigen Erfahrungswerten und, ich schreib mal, eher rudimentären meteorologischen Rückschlüssen beruhen. Natürlich sind auch Beobachtungen/Erfahrungen anderer User aus der Region wertvoll. So finde ich z. B. auch keine genaue Erklärung dafür, weshalb der Wind bei einem bestimmten O/W-Winkel der Bodendruckisobaren plötzlich auf NW dreht (Hochrhein und Basel sowie Jura bis hin zu den Voralpen), aber wenig nördlich weiterhin aus SW kommt. Ich vermute, dass die Burgundische Pforte und die Lage der Vogesen hier entscheidenden Anteil hat.

Zu Beginn mal ein paar grundsätzliche Erfahrungswerte, die in den Modellen regelmässig bestätigt werden:

1. zeigt der Bodendruck ausschliesslich einen SW->NO-Verlauf, weht sowohl in Basel als auch im Rheingraben SW-Wind: bei entsprechender Labilität und ausreichender thermischer oder dynamischer Auslöse konzentrieren sich höhere SREH-Werte auf den Jura und die orografische Lage unterstützt eine schnellere Auslöse als entlang der Vogesen und schnappt sich einen grösseren Teil des verfügbaren Capes, so dass entlang der Vogesen nicht viel geschieht. Leeeffekte an den Vogesen lassen auf einer Linie westlich von Freiburg/Colmar wieder neue Gewitterherde entstehen, die dann nördlich des Kaisertuhls zwischen Emmendingen, Offenburg und Strasbourg nach Nordosten ziehen

2. zeigt der Bodendruck einen nur leicht geneigten SW->NO-Verlauf an oder kippt auf W, weht der Bodenwind im Raum Basel und am Jura aus W/NW. In der burgundischen Pforte sorgen vermutlich Kanalisierungseffekte weiterhin für SW-Wind. Durch die Lage des Oberrheins mit seiner N/S-Achse setzt sich dieser Kanalisierungseffekt fort und sorgt für schöne Richtungsscherung in unteren Schichten. Am Hochrhein setzt ebenfalls ein Kanalisierungseffekt ein, der aber hier W bzw. NW-Wind-Effekte hat. In der Regel konzenztrieren sich Gewitter dann auf den Jurasüdfuß oder den zentralen Jura; häufig entstehen sie dort erst gar nicht aufgrund von Stabilisierunfseffekten (Lee und Abtrocknung, Divergenz, Juraschiene kann nicht/kaum wirken). Entlang der Vogesen können wiederum Konvergenzeffekte im Rheingraben Gewitter auslösen, die entweder südlich von Colmar und Mulhouse, im Raum Bésancon oder Belfort oder in den Vogesen entstehen. Der Kaiserstuhl löst auch häufig Gewitter aus, da er für den entscheidenden Tick Hebung sorgen kann. Die Region Freiburg bekommt dann häufig kräftige Gewitter zu spüren. Je nachdem können natürlich dennoch im Raum Basel Gewitter entstehen, falls tatsächlich SW/NW-Konvergenzen auftreten. Doch in der Regel geht dieser Prozess schnell, so dass die Voralpenschiene rasch aktiviert wird (Ausquetschen von Theta-E, Hebung).

3. bei NW-Winden, die auch im Rheingraben vorherrschen (starker W/NW-Winkel im Bodendruck) gibt es in höheren und mittleren Schichten häufig noch eine SW-Strömung. Dann kann es im Oberrheingraben häufig starke Richtungsscherung geben, die bei dieser Konstellation in Verbindung mit milden, labil geschichteten Luftmassen nördlich von uns (die Grenze zur kühlen, stabilen Luft sollte ausreichend weit weg sein, um flaches Einfliessen zu verhinden) recht häufig Superzellen auslöst. Im Raum Basel ist dann wieder weniger los.

Das wäre mal ein etwas unstrukturierter und schnell hingekrizelter Anfang. Ich führe das gerne mal analytisch mit beispielhaftem Kartenmaterial fort. Mir ist auch klar, dass ich die Betrachtung gerade eigentlich auf die untersten Luftschichten und orografische Parameter fixiere und Dynamik etc. fast ausgrenze. Doch genau hier scheinen sich ja erstaunliche häufig wiederkehrende Unterschiede in dieser aus meiner Sicht wirklich bemerkenswerten Gewitterregion zu ergeben.

Beste Grüsse, Thies
Zuletzt geändert von Thies (Wiesental) am Mi 29. Jul 2009, 15:07, insgesamt 2-mal geändert.
Thies Stillahn (Gewitterjagd im Dreiländereck D/CH/F)


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pterozaurus
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Re: Mesoskalige Bedingungen im Bereich d. "Burgundischen Pforte"

Beitrag von pterozaurus »

Hi Thies,
kennst Du den Artikel:
http://www.drmreiber.de/Ve_Artikel_Pdf/ ... feldes.pdf
interessant dabei Regel 2 und 3, bzw Abb. 2 und 3
Da wird die Winddrehung in Rheintal schön beschrieben
Quelle: http://www.drmreiber.de/ve_frameset.htm

Grüße
Stephan

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