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Schnellläufer 9./10. Februar 2009

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Tinu (Männedorf)
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Schnellläufer 9./10. Februar 2009

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Ahoi zusammen

Seit einigen Tagen rechnen die Modelle für den kommenden Dienstag eine Lage, die für die Alpennordseite zumindest vom Potenzial her Brisanz beinhaltet. GFS wie ECMWF sind sich zumindest in der Ausgangslage relativ einig. Im Verlauf des Samstags/Sonntags greift ein markanter Höhentrog von Westen her auf Europa über. An dessen Südrand – im Bereich der Frontalzone, also im Übergang zwischen arktisch-kalter und subtropisch-warmer Höhenluft – bildet sich von Sonntag auf Montag über dem Atlantik ein Randtief. Der Höhenjet im 300hpa-Niveau ist zu diesem Zeitpunkt bei beiden Modellen stark ausgeprägt.

Bei GFS sieht man im 500hpa-Niveau sehr schön, wie sich dieses Randtief im nahezu perfekten "Nährbereich" auf der Frontalzone bildet:
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Auch bei ECMWF ist diese Entwicklung schön erkennbar:
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Beide Modelle lassen das Randtief in der Folge rasch auf dem Höhenjet Richtung Kontinent ziehen. Bezüglich Zugbahn und Stärke des Tiefs gibt es jedoch noch erhebliche Unterschiede. ECMWF lässt das Tief mit einem minimalen Kerndruck von ca. 982hpa im Bereich der Bretagne anlanden. Der Höhepunkt wird gemäss diesem Modell um Mitternacht erreicht.
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GFS gibt dem Tief eine etwas nördlichere Zugbahn (Kern eher über dem Ärmelkanal) und rechnet es insgesamt grossräumiger und auch stärker als ECMWF. Hier haben wir einen Kerndruck von klar unter 980hpa:
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Beide Modelle rechnen durchaus beachtliche Sturmfelder mit Spitzen um 40 m/s Mittelwind in 850 hpa (ca. 150 km/h). Allerdings ist das Sturmfeld bei GFS viel grossräumiger als bei ECMWF. Letzteres Modell beschränkt den Bereich mit den stärksten Winden auf jene Region Frankreichs, die bereits vom Orkan Klaus verheert wurde (Südwestfrankreich).

Obwohl GFS das Tief im Gesamten betrachtet intensiver berechnet, ist die Variante von ECMWF bezogen auf die Alpennordseite aus meiner Sicht interessanter – und zwar wegen der seit ca. drei Tagen immer wieder etwa ähnlich berechneten Zugbahn.

Während GFS das Tief weiter nördlich weiterziehen lässt (was windmässig v.a. Frankreich und Benelux betreffen würde), macht ECMWF daraus einen "klassischen " Paris-Schwarzwald-Express! Dienstagfrüh liegt das Tief gemäss ECMWF mit einem Kerndruck von 983hpa über dem Pariser Becken.
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Kurze Zeit später überquert es die belgische Grenze bei einem Kerndruck von 987hpa.
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Im Vergleich dazu bleibt GFS bei seiner grossräumigen Variante:
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Die Kaltfront des Tiefs erreicht den Alpenraum gemäss GFS am späten Dienstagabend (Zeit um Mitternacht). Bei ECMWF kommt die Kaltfront etwas früher und schneller:
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Bei dieser Variante könnte es vor allem beim Vordringen der Front in die Alpentäler zu kräftigen Sturmböen kommen. Generell halte ich die Variante ECMWF deshalb zumindest momentan für die aus unserer Sicht brisantere.

Zugegeben kann bis dahin noch viel passieren. Aber zumindest scheint gemäss beiden Modellen sicher zu sein, dass da Anfang nächster Woche etwas passieren wird. Bei ECMWF ist es vor allem die Zugbahn des Tiefs, die aus Schweizer Sicht Aufmerksamkeit fordert. Bei GFS ist es die Intensität und Grösse des Tiefs, welche Beachtung verdient. Es wird in den kommenden Tagen sicher spannend sein zu verfolgen, wie die Modelle diese Entwicklung weiter abbilden.

Kritik und Anregungen wie immer erwünscht.
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Mo 16. Feb 2009, 18:59, insgesamt 1-mal geändert.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
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Rontaler
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Rontaler »

Hi Tinu,

Wie immer, sehr schöne und vor allem fundierte Einschätzung der Lage! Ich greife mal etwas vor, also hinter das mögliche Sturmereignis. Da ich vorderhand noch in den aktuellen Winter vertraue, anbei ein paar Karten, die - wenn es so kommen möge - vor allem die West- und Nordwestschweizer freuen:
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Sollte diese Strömung tatsächlich in etwa diesem Winkel runterkommen, erwarte ich im Raum Luzern allerdings Lee-Effekte der Hügelketten im Kt. Luzern einerseits, und dem Jura andererseits.

Gruess!
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)


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Tinu (Männedorf)
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Ahoi

Vorderhand bleiben beide Modelle (GFS und ECMWF) bei ihren eingeschlagenen Varianten.

Die ECMWF-Variante sollte aus unserer Sicht nach wie vor gut im Auge behalten werden. Das Modell rechnet das Sturmtief nun sogar noch etwas stärker (Kerndruck unter 980 hpa bei anlanden in der Bretagne). Ausserdem behält es die bisherige Zugbahn bei. Am Dienstagmorgen demnach ca. 12 hpa Druckunterschied zwischen Genf und Bodensee.
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Im 850hpa-Niveau berechnet ECMWF Mittelwinde um 30 m/s. Es besteht also Potenzial für Böen von über 100 km/h auf der gesamten Alpennordseite.
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Was ich besonders interessant finde, ist dass das Modell die Phase mit der stärksten Isobarendrängung auf der Rückseite des Tiefs ansiedelt: Also ein West- bis Nordweststurm. Die kalte Luft kommt rassig herangeschossen:
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So wie ich das sehe spricht bei dieser Konstellation nach wie vor viel dafür, dass die kräftigsten Winde Inneralpin beim Vordringen der Kaltluft in die Täler auftreten würden.

Allerdings will GFS von all dem überhaupt nichts wissen. Während bei ECMWF zum Zeitpunkt 06Z das Tief bereits in Deutschland anklopft, lässt GFS es zum selben Zeitpunkt über den Ärmelkanal kriechen. Im Alpenraum gäb es bei dieser Variante lediglich leises Föhngesäusel:
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Krasser könnten die Modellunterschiede ja wohl kaum sein!
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Matt (Thalwil)

Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Matt (Thalwil) »

@Tinu
Angesichts der unsicheren Lage wirst Du schon recht spezifisch mit der Auswahl Deiner Karten ;)

Ich blicke vorerst mal nur auf die grossen Skalen: Die Zyklogenese findet ca. SO 00Z östlich von Neufundland statt. Die Bedingungen sind zu dieser Zeit optimal. Auf der Vorderseite eines weit südwärts reichenden Troges wird energiereiche Luft aus dem Raum Bermuda nach Norden verfrachtet. Dies führt regional zu einem starken Temperaturgradient (Energiequelle).
Während der Wanderung Richtung Osten bleibt die Energiezufuhr aus dem Jetstream hoch -> Die Zyklone vertieft sich weiter. Bevor das Bodentief Europa erreicht beginnt die Austrogung, der Jetstream beginnt zu mäandrieren und schwächt sich ab. Die Energiezufuhr ins Bodentief lässt nach.
Soweit die Situation, wie sie sich die Lage in GFS präsentiert. Ich habe von den anderen Modellen nicht alle notwendigen Felder zur Hand, dies die Einschränkung meiner Analyse! Der Tenor ist in etwa derselbe bei den meisten Modellen. Der krasseste Ausreisser, den ich gesehen habe ist GME 00Z: Dort erscheint das Tief völlig abgemagert über Europa (siehe Bild 2)

Fazit: Mir scheint der Jetstream zu wenig zonal und zu schwach, um auf dem Kontinent (CH) mehr als einen "mittelmässigen" Wintersturm zu produzieren.

Gruess, Mat

GFS 300hPa MO 12Z
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GME 500hPa MO 12Z
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Zuletzt geändert von Matt (Thalwil) am Fr 6. Feb 2009, 13:03, insgesamt 2-mal geändert.

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Tinu (Männedorf)
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Mat (Zürich) hat geschrieben:@Tinu
Angesichts der unsicheren Lage wirst Du schon recht spezifisch mit der Auswahl Deiner Karten ;)
Visualisierung ist das halbe Leben :-D . Ernsthaft: Ist mir schon bewusst, dass speziell die Luftdruck auf NN-Karten sowie die 850er Windkarten so weit im Voraus nicht ganz ernst genommen werden dürfen. Allerdings finde ich die darin erkennbaren Unterschiede in den Modellen sehr interessant. Das zeigt sehr anschaulich, wie verschieden die Szenarien sein können, welche die Modelle letztlich aus praktisch derselben Ausgangslage produzieren können. Darum gings mir eigentlich.

Ich staune vor allem über die ECMWF-Variante. Diese weicht nämlich meines Erachtens ziemlich von den Anderen ab, speziell punkto Zugbahn und Lokalität des Tiefs. Auch im 300hpa-Niveau sind zwischen ECMWF und GFS Unterschiede erkennbar. GFS lässt den Jet einiges stärker mäandrieren und stellt ihn so auf, dass die Alpen bis zum Mittwoch hin in einer kräftigen Südwestlichen Höhenströmung liegen. ECMWF hingegen macht die Windgeschwindigkeiten im 300hpa-Niveau höher und drückt den Jet flacher über die Alpen, sodass wir sogar in eine west-/nordwestliche Höhenströmung kämen.

ECMWF:
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GFS
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Das ist wohl auch der Hauptgrund für die doch sehr unterschiedlichen Zugbahnen, welche beide Modelle berechnen. Die Frage ist jetzt: Wer hat am Ende die Nase vorn?
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Fr 6. Feb 2009, 13:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Andreas -Winterthur-
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Die Frage ist jetzt: Wer hat am Ende die Nase vorn?
Normalerweise EZ. Allerdings war die Performance des GFS bei Klaus insgesamt besser. Interessante Sache. Aber wie Mat schreibt, sonderbare Ausgangslage für einen solchen Schnellläufer. Normalerweise sind die wirklichen Brummer (Vivian, Lothar) in einer gut installierten Westdrift eingebettet. Auch im Zusammenhang mit einem deutlich stärkeren Jet.

Gruss Andreas
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Alfred
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Alfred »

Am besten, man nimmt MOS-MIX, z.B. Bantiger-Turm

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Niederschlag :?: , der fliegt über den Kübel hinweg :unschuldig:

Alfred


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Joachim
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Joachim »

Hallo

nach EZ-MOS am Dienstagmorgen im Mittelland bis über 80 km/h...auf den Voralpen- und Juragipfeln 120-150 km/h.

Bantiger misst keinen Niederschlag, daher auch im MOS nix.

Joachim

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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von crosley »

Mit dem 06er Lauf, rechnet GFS das Tief nun aber (erstmals?) auch südlicher... dafür mit einem Kerndruck deutlich über 980hpa.

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Grüsse Crosley

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Alfred
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Re: Gefährlicher Schnellläufer 9./10. Februar 2009?

Beitrag von Alfred »

@Joachim, sali

Ich wollte ja Zürichberg nehmen, da waren die 80 km/h auch drin,
aber plötzlich war da auch nix ;) und von de her, das sind alte!

Gruss, Alfred

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