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Normale Sommertemperaturen 2020

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Federwolke
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Re: Normale Sommertemperaturen 2020

Beitrag von Federwolke »

Severestorms hat geschrieben: Do 23. Jul 2020, 21:56 Es liegt nahe, dass dieser Umstand ebenfalls auf die Zufuhr von erhöht energetischer Atlantikluft zurückzuführen ist.
Nur, weil der Atlantik nahe liegt, liegt das noch lange nicht nahe ;)

Gerade in diesem Zeitraum waren atlantische Luftmassen so gut wie abgemeldet: Es gab mit Ausnahme von vier Tagen Ende April (südliche Westlage) keine West- und Südwestlagen. Die häufigen Nordwestlagen waren überwiegend antizyklonal, da ist es gerade in Frankreich sehr trocken. Es liegt also nahe, dass die Hagelhäufigkeit durch weiter her gereiste mediterrane Luftmassen gefüttert wurde. Ganz genau wüsste man es natürlich erst, wenn man die Tage mit Hagel kennen würde.

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Willi
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Re: Normale Sommertemperaturen 2020

Beitrag von Willi »

Es fällt mir nach mehreren Wochen Beobachtung allmählich auf, was für hoch-energetische subtropische Luftmassenschübe wiederholt vom Atlantik zu uns kommen. Diese führen bei uns trotz klarem Westwind immer wieder zu Gewitterlagen. Wir brauchen die "Spanish Plume", einen aufgeheizten, feuchten und labilen Luftmassenstrom aus Südwesten von Spanien her eigentlich nicht mehr für schöne Gewitter.
Das kann eigentlich nur jemand schreiben, der im Sommer-Hotspot Ausgabe 2020 der Gewitterproduktion sitzt. In den Bevölkerungs-Hotspots (Achse Basel-Zürich) sieht das schon ein bisschen anders aus. Die aktuelle Westlage ist speziell, drückt doch das Azorenhoch immer wieder über die Biscaya nach Frankreich durch, also genau dorthin, wo eigentlich bei Trogvorderseite ein Tief sitzt, das uns in Bodennähe die "Spanish Plume" beschert. Ich frage mich immer noch, woher die Feuchte der Gewitter gestern und vorgestern herkam. Die Grenze zur trockeneren Luft im Hochdruckbereich war nicht weit, diese beeinflusste offenbar immer wieder den Norden der Schweiz und verhinderte dort die Gewitterproduktion.

Soweit ich in den Karten sehe, zieht die westliche Höhenströmung über das Bodenhoch Biscaya-Frankreich, das bedeutet Absinken und Austrocknen. So gesehen, glaube ich nicht, dass der Atlantik (oder die Karibik?) die entscheidende Feuchte für die Gewitter liefert. Eher doch wohl der Mittelmeerraum, über welchem die Druckverteilung in Bodennähe flach ist. Mindestens in der 1. Karte (für heute Donnerstag) ist die rote Schweiz mit dem roten Mittelmeerraum inkl. Spanien verbunden, andererseits gegen Westen hin durch eine trockenere Zone vom Atlantik abgekoppelt. Nebst der Feuchte waren wohl orographisch bedingte Staueffekte matchentscheidend für die Auslöung der Gewitter. Und dank dem Bodenhoch im Westen war wohl eine leichte Anströmungskomponente aus Norden matchentscheidend für die vielen Gewitter entlang des Alpennordhanges (z.T auch des Juras). Alles etwas spekulativ, vielleicht hat jemand die Karten genauer angeschaut (?)
Gruss Willi
Immer da wenn's wettert


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Federwolke
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Re: Normale Sommertemperaturen 2020

Beitrag von Federwolke »

Willi hat geschrieben: Do 23. Jul 2020, 23:25 ... vielleicht hat jemand die Karten genauer angeschaut (?)
Ja, vorgestern in der Gewittervorschau ;)
Noch etwas vertiefter dazu: Die Rede war von einer fast stationären, schleifenden Luftmassengrenze über Süddeutschland. Sie ist in der Nachbetrachtung etwas weiter nach Süden gerutscht und lag gestern genau über dem Mittelland, die Nordschweiz bereits auf der Rückseite in der trockeneren Luft unter dem Einfluss der Hochdruckbrücke. Die Luftmasse südlich wurde zumindest in mittleren Höhen aus Südwesten advehiert, das steuernde CutOff-Tief bei Portugal ist in der Titelkarte gut zu sehen. Die etwa 42 Stunden dauernde Gewitterserie genau über der Region Bern war also das Resultat einer Konvergenz aus Nordwest- und Südwestwind in mittleren Höhen, die allerdings ihren Anfang über der Biskaya und Westfrankreich nahm und dann wie von einer Düse gespritzt ins Mittelland zielte, wobei sie durch die Alpen noch ein wenig umgelenkt wurde. Sehr schön zu sehen auf dieser Karte hier:

Bild

Ich folgere daraus, dass wir die quasistationäre Gewitterline so untypisch durchs Mittelland den Alpen zu verdanken haben, welche die Westdüse etwas nach Norden abgelenkt und somit die Konvergenz zur nördlich gelegenen Luftmasse verstärkt haben. Ohne das Hindernis Alpen wäre die Strömung wohl glatt verlaufen und die Luftmassengrenze bei uns wie anderswo auch nicht so aktiv geworden. Jedenfalls ist es auffällig, dass die Gewitterhotspots genau dort lagen, wo die Voralpen eine Ausbuchtung nach Norden und somit ein vorgelagertes Hindernis darstellen (Westschweiz-Bern-Napfgebiet und Alpstein). Die Gewitterlinien im Raum Schaffhausen-Konstanz und auch heute noch nördlich des Bodensees in der am Boden eigentlich trockeren Luftmasse wurden wahrscheinlich entkoppelt von der Grundschicht durch Umströmungs- und Verwirbelungseffekte des Schwarzwaldes getriggert, jedenfalls auch hier auffällig immer wieder Bildung an denselben Stellen.

Severestorms
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Re: Normale Sommertemperaturen 2020

Beitrag von Severestorms »

Federwolke hat geschrieben: Do 23. Jul 2020, 22:28
Severestorms hat geschrieben: Do 23. Jul 2020, 21:56 Es liegt nahe, dass dieser Umstand ebenfalls auf die Zufuhr von erhöht energetischer Atlantikluft zurückzuführen ist.
Nur, weil der Atlantik nahe liegt, liegt das noch lange nicht nahe ;)
Das ist natürlich völlig richtig, sehe ich ein. Danke für den Einwand. ;)

Federwolke hat geschrieben: Do 23. Jul 2020, 22:28 Gerade in diesem Zeitraum waren atlantische Luftmassen so gut wie abgemeldet: Es gab mit Ausnahme von vier Tagen Ende April (südliche Westlage) keine West- und Südwestlagen. Die häufigen Nordwestlagen waren überwiegend antizyklonal, da ist es gerade in Frankreich sehr trocken. Es liegt also nahe, dass die Hagelhäufigkeit durch weiter her gereiste mediterrane Luftmassen gefüttert wurde. Ganz genau wüsste man es natürlich erst, wenn man die Tage mit Hagel kennen würde.
Die Tage mit Hagel konnte ich leider nicht herausfinden, aber die Tage mit Gewitter.

April 2020:
Bild
Quelle: KERAUNOS: Monatsbilanz April 2020

Mai 2020:
Bild
Quelle: KERAUNOS: Monatsbilanz Mai 2020

Juni 2020:
Bild
Quelle: KERAUNOS: Monatsbilanz Juni 2020

In den folgenden Blogeinträgen der erwähnenswerten Gewittertage zwischen dem 15. April und dem 15. Juni wird Hagel erwähnt:
http://www.keraunos.org/actualites/fil- ... ndie-grele
http://www.keraunos.org/actualites/fil- ... tral-alpes
http://www.keraunos.org/actualites/fil- ... ntre-9-mai
http://www.keraunos.org/actualites/fil- ... nie-1-juin
http://www.keraunos.org/actualites/fil- ... nce-3-juin

Also hagelte es in Frankreich mindestens am 17.04., 25.04., 09.05., 01.06. und 03.06., wobei in den einzelnen Artikeln herausgesucht werden müsste, wo genau (falls überhaupt aufgeführt).

Gruss Chris

PS: Diese Fülle an statistischen Gewitterdaten (und entsprechenden Grafiken) bei Keraunos ist ein Traum. Das sollte es auch für die Schweiz geben. * weiter träum *
Zuletzt geändert von Severestorms am Do 30. Jul 2020, 17:55, insgesamt 1-mal geändert.
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Federwolke
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Re: Normale Sommertemperaturen 2020

Beitrag von Federwolke »

Inzwischen muss man ja die "normalen Sommertemperaturen" ziemlich weit oben suchen gehen ;) Von Trockenheit im Emmental auch keine Spur mehr, im Gegenteil: Unbefestigte Wege im Schatten sind vernässt, mancherorts fährt man regelrecht Slalom zwischen den Pfützen. Ganz ungewohnt in diesem Jahr.

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