Hoi zäme
Noch einmal zu der Frage, die weiter oben diskutiert wurde, nämlich ob die Atmosphäre den Ozean stärker beeinflusst oder umgekehrt. Da wurde ja eine meiner Aussagen scharf kritisert ("Heinz Wanner sagt sowas nicht."), wobei diese Aussage aus dem Kontext gerissen wurde:
Dass man aufgrund des NAO-Indexes die Stärke des Golfstroms bestimmen kann, ist natürlich Unsinn. Umgekehrt aber schon eher. Und damit sind wir schon bei Punkt 2: Wassertemperaturen und -strömungen reagieren träger als Lufttemperaturen und -strömungen. Golfstrom und Westwinddrift beeinflussen sich zwar gegenseitig, aber der Einfluss des Wassers auf die Atmosphäre ist grösser als umgekehrt. Fazit: Der NAO-Index ist meistens eine Folge der Verhältnisse im Wasser, umgekehrt ist eher selten. Was genau wie stark was beeinflusst, ist aber nicht endgültig erforscht, mit dem Resultat, dass solche Überraschungen passieren wie im Januar 2005.
Dabei muss man berücksichtigen, dass der NAO-Index über längere Zeiträume (ganze Wintersaison bis mehrere Jahre) aussagekräftig ist, und nicht dessen (möglichen) kurzfristigen Schwankungen.
Da nun unterschwellig angezweifelt wurde, dass ich in der Vorlesung auch richtig aufgepasst habe, möchte ich hier eine Stelle zitieren, die Heinz Wanner zwar nicht gesagt, aber geschrieben hat
"
Atmosphäre-Ozean-Interaktion (OAI): Unzweifelhaft müssen neben dem geschilderten atmosphärischen Prozessen auch die Wechselwirkungen mit dem Ozean einbezogen werden (...). Der Ozean stellt dabei der Atmosphäre sozusagen sein Gedächtnis derart zur Verfügung, dass er hochfrequente atmosphärische Einflüsse über längere Zeit integrieren kann. Allerdings sind diese Vorgänge gerade in mittleren und hohen Breiten noch keineswegs so gut verstanden wie beispielsweise in den Tropen, und klar definierbare Moden der OAI sind derzeit nicht auszumachen. Immerhin darf die
Hypothese aufgestellt werden, dass auf der kürzeren Zeitskala eher die Atmosphäre den Ozean (vor allem via Windstress und Niederschlag) und
auf der längeren Zeitskala der Ozean die Atmosphäre (vor allem via sensible und latente Wärmeflüsse) "triggert". So konnte gezeigt werden, dass sowohl auf der monatlichen als auch auf der dekadischen Zeitskala ein grossräumiger Zusammenhang zwischen Anomalien des Windes und den atlantischen Oberflächentemperaturen besteht. Latif und Barnett (1994) sowie Latif (1998), Grötzner et al. (1998) und Timmermann et al. (1998) verfolgen die These, dass gekoppelte Prozesse im Ozean-Atmosphäre-System in typischen Frequenzbereichen oszillieren. Dabei handelt es sich um den Austausch von Masse und Energie in einem bestimmten Spektrum. Sie knüpfen daran die Hoffnung, diese Prozesse vorhersagen zu können."
Wanner Heinz und Schmutz Christoph, Dynamische Überlegungen zur geographischen und synoptischen Kontrolle des Alpenklimas, in: Klimawandel im Schweizer Alpenraum, Zürich (2000), S. 50f.
Fazit: Ein aktuelles Buch zu lesen bringt in der Regel mehr als eine Vorlesung mit 150 anderen Nasen, wo eine Frage nur huschhusch beantwortet werden kann, und der Dozent dabei erst noch davon ausgeht, dass die Studierenden im ersten Semester eh noch keine Ahnung haben können... Die Konsequenzen, die ich daraus gezogen habe, wären hier aber zu sehr Off Topic
