herzlich willkommen zur ersten Satellitenbildanalyse meinerseits in diesem Forum, es handelt sich insgesamt um die 92. ,seit ich im Oktober 2003 begann. Da sich andere threads bereits mit dem Regionalwetter in Europa und der Schweiz beschäftigen, möchte ich mich hier schwerpunkt der Zyklogenese bei Neufundland widmen , die einige schöne Aspekte vorzuweisen hat, welche ich im Folgenden näher erörtern will.
Die Großwetterlage heute ,Montag, 16. Januar 2006, 12 UTC :

Das großräumige Druckmuster zeigt im nordatlantisch-europäischen Raum eine starke Verwellung der Frontalzone , welche um ein mächtiges Azorenhoch nach Norden herumgeführt wird. Auf dem Kontinent herrscht kaum Druckgradient mit einem Höhenhoch über Osteuropa und einem Kaltlufttropfen über Oberitalien. Sehr tiefes Geopotential befindet sich über Russland als Resultat eines Polarwirbelcutoffs über Sibirien. Der Verursacher des Polarwirbelsplit ist ein vor allem in tieferen Schichten ausgeprägtes Hochdruckgebiet über der Barentsee.

Das Satellitenbild von 15 .15 UTC Nordatlantikausschnitt von Aviationweather, zeigt ein langgestrecktes Wolkenband , welches von den Antillen über Neufundland bis nach Südgrönland - und in Verlängerung bis in die Biskaya reicht. Es markiert den Verlauf der Frontalzone, die besonders im Bereich Neufundland und Grönland durch extreme Luftmassenunterschiede gekennzeichnet ist (s.unten). Mit einer kräftigen Südströmung gelangt feuchtwarme Luft vorderseitig des bereits okkludierenden Neufundlandtiefs nach Norden, gleichzeitig fließt von Kanada her unter Bodenhocheinfluss extreme kontinentalarktische Kaltluft nach Süden.
Die Kaltfront über dem Nordwestatlantik ist stärker verwellt. Die Niederschläge besitzen hier konvektiven Charakter und fallen teilweise recht heftig aus. Da die Kaltluft recht flach hereinfließt, treten lediglich knapp hinter der Kaltfront noch einzelne Schauer auf, dahinter nehmen die Wolkenobergrenzen deutlich ab und die Wolken stratiformen Charakter an.
Vor den Britischen Inseln hat sich im Bereich zunehmender Temperaturgegensätze eine Welle gebildet, die sich in den nächsten Stunden. Da sich die Welle auf der Keilvorderseite im antizyklonalen Bereich des Jetstreaks bewegt, vertieft sie sich kaum und wird über Frankreich aufgefüllt. Für stärkere Aufgleitniederschläge aus dem doch recht imposanten Wolkenschirm reicht es aber noch.
Für Mitteleuropa wetterwirksam werden jedoch die hereinschwenkenden Okklusionen von Nordwesten, die für Schnee, gefrierenden Regen und Regen sorgen. Darauf möchte ich hier - wie eingangs erwähnt nicht eingehen.

Auf dem Wasserdampfbild ist anhand der Farbunterschiede mit hochreichenden Wolken (weiß) der Herantransport von feuchtwarmer Luft zu erkennen, die den warm conveyer belt markiert. Er ist typischerweise auf der Vorderseite eines Langwellentroges und mit dem Jetstream verbunden -hier mit dem weit nach Süden ausgelenkten Polarfrontjet.
Rückseitig sinkt in einem schmalen Streifen hingegen energiereiche, aber sehr trockene Luft ab. Der stärkste Wasserdampfgradient tritt vornehmlich an der Kaltfront auf und verstärkt deren Wettererscheinungen. Der gesamte Vorgang wird als Dry Intrusion bezeichnet und ist im Rahmen der IPV-Theorie (Isentrope potentielle Vorticity) von Bedeutung. Nach diversen Theorien kann er auch bei Gewitterkomplexen, wie sie häufig über dem Balkan sowie in den USA auftreten, Einfluss nehmen. Hierzu wird derzeit an der Universität Wien geforscht.
Ich komme nun zu den Radiosondenaufstiegen an drei ausgewählten Orten,die ich auf dem ersten Satellitenbild grün markiert habe:

Die erste ist YYT St. Johnes im Südosten Neufundlands , welche eine selbst bis weit in die Stratosphäre gesättigte Luftschicht zeigt. Eine hochreichende Südströmung mit durchweg starken Winden weist auf die Lage im warm conveyer belt hin. Die leichte Rechtsdrehung mit der Höhe markiert die Warmluftadvektion auf der Trogvorderseite.

Die zweite ist Caribou im Südwesten Neufundlands , welche sich bereits auf der Trogrückseite befindet. In der Grundschicht findet bereits mit heftigen Nordwestwinden massive Kaltluftadvektion statt, darüber schiebt sich die wärmere Luft aus dem Okklusionsprozess mit Südostwinden. Es handelt sich hier also um eine Mischung aus "Abgleiten" mit relativ seichter Kaltluftadvektion und "Aufgleiten" durch den starken Warmlufteinschub in der Höhe. Mit starkem Geopotentialabbau in der Höhe ist die Tropopause von trogvorderseitig 12 auf trogrückseitig 7km zurückgegangen.

Die dritte Station Yarmouth liegt etwas weiter nördlich mit bereits ansteigender Kaltluftschicht am Boden und etwas weiter abgesunkender Tropopause. Jedoch sieht man auch hier eine markante "warme" Nase und Rückdrehung des Windes auf Südwest und West bis in große Höhen. Auch hier macht sich noch die herumgeführte Warmluft bemerkbar.
Zum Abschluss noch folgende Modellkarten, die diesen synoptischen Leckerbissen untermauern:

Schwarz eingekastelt der markante Temperaturgegensatz auf dem Nordatlantik mit +10 in 850hPa im warm conveyer belt und bis -25°C über Neufundland sowie Richtung Grönland. Markant auch der massive Kaltluftvorstoß über Russland, ferner das höhenwarme Hoch über Osteuropa. Für die Alpen teilweise bedeutend , z.B. im Wipptal , ist die von Südosten herangeführte Kaltluft im Bereich des Kaltlufttropfens, die ein hydrostatisches Gefälle nach Norden hin erzeugt. In Innsbruck blies heute der vorföhnige Westwind aufgrund von Südföhn im Wipptal. Dieser kann dort sowie eventuell in weiteren Alpentälern entlang der Alpennordseite durch synoptischen Druckfall /Warmluftadvektion mit Annäherung des Frontensystems von Nordwesten weiter forciert werden.

Eindrucksvoll auch die Luftmassenunterschiede bei den ThetaE-Karten. Anhand der Temperatudifferenzen sowie den Isobarenkrümmungen lassen sich die Fronten beim Neufundlandtief in Kombination mit den Satellitenbildern relativ sicher einzeichnen. Ebenso bildet sich deutlich die Welle mit kurzer Okklusion auf dem Nordostatlantik ab.
Schwieriger wird es hingegen bei den Okklusionen , welche vom Nordmeer bis nach Europa reichen. Hier ist sicherlich Diskussionsstoff gegeben, was man bereits daran sieht, dass meine Satellitenbildanalyse und die Frontenlage auf der Karte nicht ganz übereinstimmen

Schließlich die 300hPa-Windkarte mit den rot und blau gekennzeichneten Keilen und Trögen. Das Azorenhoch lenkt den Polarfrontjet massiv nach Norden ab - ein Radiosondenaufstieg über Südgrönland vermeldete um 12z 180Kn in 300Pa. Die Trogachse von Grönland reicht in seiner Verlängerung bis nach Westafrika. Der Kaltlufttropfen über dem Alpenraum wird in den kommenden Stunden in den Atlantiktrog eingebunden. Das Höhenhoch löst sich bei Südostverlagerung auf. Jedoch erreichen Mitteleuropa auch in den kommenden Tagen nur kurzwellige Störungen von Westen und Nordwesten her. Dominierend bleibt vor allem im Alpenraum antizyklonaler Einfluss mit Kaltluft in den Tälern und Warmluft in den höheren Lagen.
- Editiert von Felix Welzenbach am 17.01.2006, 14:04 -
