Noch mein Beitrag dazu (für das Sturmforum freihaus):
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Ab Mittwoch drohen auf der Alpensüdseite und in den Ostalpen intensive Niederschläge. Auslöser ist der ehemalige Tropensturm «Erin».
Ab Mittwochabend kommen in weiten Teilen der Schweiz sehr intensive Niederschläge auf. Wie Meteo Schweiz mitteilt, dürften vor allem das Tessin und Graubünden besonders stark betroffen sein. Eine problematische Situation erwarten die Meteorologen in Sumvitg, im Lugnez, im Valsertal und in der Region Rheinwald. Dort muss von etwa Mittwochabend bis Donnerstagabend mit bis zu 150 Litern Niederschlag pro Quadratmeter gerechnet werden.
Meteo Schweiz hat für diese Regionen entsprechend eine Unwetterwarnung der Stufe vier (von maximal fünf) herausgegeben. Die erwarteten 24-stündigen Regenmengen übertreffen teilweise das, was normalerweise im Verlauf des gesamten Monats August zusammenkommt. Es muss daher mit Überschwemmungen und Murgängen gerechnet werden.
Gemäss Daniela Roth, Meteorologin bei Meteo Schweiz, könnte die Warnstufe vier je nach Entwicklung in den Prognosemodellen auch noch auf Teile des Tessins ausgeweitet werden.
Ex-Hurrikan trifft auf überwärmtes Mittelmeer
Nur wenige Tage, nachdem ein Höhentief vor allem in der Nordostschweiz für neue Regensummenrekorde gesorgt hatte, steht nun also bereits die nächste Unwetterlage vor der Tür – wobei das Schadenspotenzial aufgrund der brisanten atmosphärischen Konstellation diesmal noch grösser ist.
Massgeblich verantwortlich dafür ist der ehemalige Hurrikan «Erin». Bereits vor etwa einer Woche hatte sich in den Wettermodellen angedeutet, dass dieser Tropensturm in Europa für Probleme sorgen könnte. Der Sturm geriet daher auch früh in den Fokus der hiesigen Wetterdienste.
«Erin» war entlang der US-Ostküste in nordöstlicher Richtung aufs offene Meer und dann Richtung Europa gezogen. Dabei wurde der Sturm in die nordatlantische Höhenzirkulation eingebunden. Er verlor also seinen Status als Hurrikan und wandelte sich in ein aussertropisches Sturmtief um.
Das Problem ist aber, dass ein solcher Hurrikan seine Eigenschaften nicht einfach ablegt, nur weil er anders klassifiziert wird. Hurrikane sind thermische «Kraftwerke», das heisst sie führen enorme Mengen an Energie mit sich. «Erin» verstärkte damit vor einigen Tagen bereits den Jetstream, also das Höhenwindband, welches von Nordamerika nach Europa verläuft.
Am Dienstagnachmittag liegt der Sturm mit seinem Zentrum südlich von Island. Aussergewöhnlich ist dabei weniger der Luftdruck in seinem Kern. Dieser liegt bei etwa 970 Hektopascal, was keineswegs rekordverdächtig ist für einen atlantischen Herbststurm. Speziell am Ex-Hurrikan «Erin» ist aber sein gewaltiger Umfang: Er reicht von Island bis zu den Azoren.
Im Verlauf des Mittwochs wird sich der Sturm zu den Britischen Inseln verlagern. Er greift dabei bis in die westliche Mittelmeerregion aus. Und genau das ist – aus Schweizer Sicht – das Hauptproblem.
Sturm nimmt sehr viel Feuchtigkeit auf
Mit dem Herannahen des Sturms etabliert sich über West- und Mitteleuropa eine kräftige südwestliche Höhenströmung. Dadurch werden zuerst warme und dann zunehmend auch sehr feuchte Luftmassen aus dem Mittelmeer zum Alpenraum gelenkt. Am Dienstag sorgt das in der Schweiz nochmals für sommerliche Temperaturen um 28 Grad. Dieser spätsommerliche Zustand währt aber nur kurz.
Ex-Hurrikan «Erin» stösst auf seiner Vorderseite über dem Norden Spaniens die Bildung eines kleinen Randtiefs an. Dieses wird sich zwischen Mittwoch und Donnerstag voraussichtlich von Südfrankreich nach Norditalien verlagern.
Weil das Mittelmeer mit einer durchschnittlichen Oberflächentemperatur von fast 27 Grad für diese Jahreszeit ausserordentlich warm ist, kann dieses Randtief über dem Meer riesige Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen.
Welches Unwetterpotenzial in dieser heranströmenden Luftmasse enthalten ist, zeigt der Blick auf das sogenannte niederschlagbare Wasser. Dabei handelt es sich um ein meteorologisches Mass für die Wassermenge, die eine Luftsäule vom Boden bis zur Tropopause in etwa 15 Kilometer Höhe «halten» kann. Ab rund 30 Millimeter wird es kritisch, Werte um 50 Millimeter kommen nicht allzu häufig vor. Gemäss Meteo Schweiz wird aber genau das beim anstehenden Wetterereignis der Fall sein. «Solche Werte sind aussergewöhnlich für unsere Breiten», sagt Daniela Roth.
Damit aber noch nicht genug. Am Donnerstag zieht noch eine kräftige Kaltfront – ausgehend vom Haupttief über den Britischen Inseln – zu den Alpen. Diese Front sorgt für einen dynamischen Hebungsprozess. Das bedeutet: Die Luft wird zum Aufsteigen gezwungen, es entstehen Schauer und Gewitter.
Erfahrungsgemäss können die Niederschlagsmengen bei derartigen Wetterlagen noch deutlich höher ausfallen, wenn Gewitter in den Regenbändern eingelagert sind. Regional ist es also sehr wahrscheinlich, dass noch mehr Regen fallen wird, als es die Wettermodelle berechnen.
Wegen der starken südwestlichen bis südöstlichen Höhenströmung besteht vor allem in den Südalpen die Gefahr, dass sich über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder kräftige Schauer und Gewitter über mehr oder weniger denselben Regionen entladen. Wenn das eintreten sollte, wäre die Unwetterlage ähnlich wie im Sommer und Herbst 2024. Damals gab es grosse Schäden im Tessin und Misox.
Föhn hält im Osten dagegen
Etwas geringer fallen die Niederschlagsmengen auf der Alpennordseite aus. Vor allem in der Zentral- und Ostschweiz kommt wegen der südwestlichen Winde vorübergehend der Föhn auf. «Dieser wird die Niederschläge dort etwas zurückhalten», sagt Daniela Roth. Spätestens mit Annäherung und Durchzug der Kaltfront am Donnerstag wird es aber auch in den Föhnregionen kräftig regnen.
Gemäss aktueller Einschätzung wird sich das Wetter erst am Samstag etwas beruhigen. Schon im Verlauf des Sonntags schickt ein atlantisches Sturmtief dann aber die nächste Kaltfront zum Alpenraum. Wie viel Niederschlag diese Front auslösen wird, lässt sich derzeit noch nicht genau abschätzen.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert