Hallo allerseits
Nach einem gefühlten Jahrzehnt Forumsabstinenz melde ich mich auch mal wieder...
Der aktuelle winterliche Witterungsabschnitt stellt sicher, dass der Spätherbst nicht nahtlos in den Frühfrühling übergeht. Den vorläufigen Höhepunkt wollte ich temperaturmässig etwas auskosten und in einem richtig schönen Kaltluftsee ein bisschen frische Luft schnappen.
Der Sämtisersee im Alpstein wäre eigentlich prädestiniert: er liegt in einer 70m tiefen Senke ohne oberirdischen Abfluss, der Seespiegel liegt bei Normalwasserstand bei 1209m.ü.M. (bedingt durch die Trockenheit der vergangenen Monate ist er praktisch ausgetrocknet, somit gibt's noch ein paar Meter extra...). Die Wetterlage war eigentlich auch perfekt: frischer Neuschnee, abklingende Schauertätigkeit am Vorabend, für die Nacht war ein aufklarender Himmel und abflauender Wind vorhergesagt, dazu eine sehr kalte Luftmasse mit <-10°C auf 850hPa, kurz: die Disposition war sehr vielversprechend, -20°C hätten eigentlich drinliegen müssen und erhofft habe ich mir sogar noch ein bisschen mehr...
Am Sonntag Abend habe ich in Brülisau Basislager bezogen, das Autothermometer zeigte -8°C an. Kurz nach 5 Uhr wurde ich vom Lärm der Schneeräumung geweckt. Der Blick nach draussen war wenig verheissungsvoll: ein böiger Wind wehte riesige Schneefahnen von den Dächern. Nun, die Hoffnung stirbt zuletzt... Die Autofahrt zum Pfannenstiel, dem Parkplatz am Ausgangspunkt für den Anstieg erfolgte unter (optisch) subarktischen Bedingungen: Schneedrift wehte die frisch geräumte Strasse in kurzer Zeit wieder zu. Das Thermometer zeigte um 6 Uhr -7.5°C an und in der Höhe rauschte der Wind im Wald deutlich hörbar. Eine Stunde später war das Plattenbödeli erreicht: Hier ist der Überlaufpunkt des Kaltluftsees, das Thermometer zeigte -10.5°C an, der Wind wehte unvermindert stark aus unterschiedlichen Richtungen. Spätestens hier war klar, dass der Wind wahrscheinlich den ganzen Kaltluftsee erodiert hat und so war es auch: Unten angekommen schwankte die Temperatur zwischen -8.5 (wenn es so richtig stark blies) und -12.3°C (wenn der Wind mal für 2-3 Minuten etwas nachliess).
Hier noch die räumliche Übersicht:
https://map.geo.admin.ch/?topic=ech&lan ... U-WFLJOf-g
Bei geschätzten 3-4 Beaufort war der Windchill definitiv die spektakulärste Grösse und so genoss ich die landschaftlichen Reize... Die kommen auf den nachfolgenden Bildern nur andeutungsweise rüber (das liegt hauptsächlich an meiner rudimentär entwickelten photographischen Begabung und zu einem kleineren Teil an der Tatsache, dass das iPhone kalte Temperaturen gar nicht lässig findet):
Kurz vor Sonnenaufgang Richtung Saxerfirst/Hundstein/Marwees (glaub ich jedenfalls):
Schnee hatte es auch nicht gerade viel, ca. 50 cm in der Ebene:
Langsam geht die Sonne auf... wenn man gut schaut, erkennt man unteren Waldrand, wie der Schnee von den Bäumen geblasen wird:
Die Schneefahnen auf der Stauberenkanzel zeigen, dass der Wind hochreichend recht stark war. Die Richtung muss halbwegs parallel zur Stauberenkette gewesen sein, also ungefähr aus Richtung SW:
Wenn ich noch länger Zeit gehabt hätte, wäre ich noch länger geblieben und hätte auf ein Abflauen des Windes gehofft und gewartet - um zu schauen, wie sich der Kaltluftsee allenfalls neu bildet. Ein Geschäftstermin liess mich aber den Rückzug antreten. Und wie sollte es anders sein: auf dem Abstieg war des Rauschen des Windes in der Höhe immer weniger gut hörbar... Sehr eindrücklich waren dann die letzten 300-400m des Brüeltobels: ziemlich genau dort, wo die 1000m-Höhenlinie das Brüeltobel schneidet, wurde es spürbar kälter. Die Temperatur lag dort bei -9°C und sank mit jedem Schritt in die Tiefe weiter ab. Zurück beim Parkplatz waren es dann knappe -15°C:
Die Höchststrafe war dann schlussendlich, dass ich auf der Rückfahrt durchs Appenzellerland kurz vor Hundwil mein persönliches Tagesminimum auf dem Autothermometer ablesen durfte: -17.5°C.
Andreas -Winterthur- hat mich dann noch darauf hingewiesen, dass im Rheintal der Wind ebenfalls auffällig auflebte. Die Daten des Säntis zeigen nach MItternacht bis in die Morgenstunden einen Stoss mit Ost- bis Südostkomponente, in Vaduz hielt das ganze über den Mittag hinaus an.
Hat die Synoptikerfraktion im Forum eine Erklärung für diesen Windstoss nach Mitternacht?
Fazit: netter Frühsport, wunderbare Stimmung, aber halt einfach nicht ganz so kalt, wie ich das gerne gehabt hätte. Das Timing war maximal ungünstig: Ich behaupte jetzt einfach mal, dass ich um Mitternacht herum die -25°C erreicht hätte und nach dem Abflauen des Windes im Verlaufe des Vormittags wäre es spannend gewesen, wie schnell sich der Kaltluftsee wieder gebildet hätte.