@Fabienne
Die Frage ist, ob eine solche Statistik überhaupt zählbare Resultate liefern würde. Die "richtigen" Föhndurchbrüche am Zürichsee sind verhältnismässig selten, sodass es wohl schwer fallen dürfte, eine aussagekräftige Statistik zu erhalten. Zumal die Messreihen nicht sehr weit zurückreichen (Wädenswil misst ja erst seit 1981). Aber interessant wäre sowas auf jeden Fall.
Ich beschäftige mich nun schon eine Weile mit dem Thema, habe jedoch das Gefühl keinen Deut schlauer geworden zu sein bis zum heutigen Tag. Ich hätte aufgrund der Wetterlage und meiner Erfahrung zum Beispiel nicht damit gerechnet, dass der Föhn am 3./4. November in dieser Intensität an den See durchbricht. Dass Wädenswil zumindest kurzfristig einen Stoss erhält, war denkbar. Aber diese Reichweite, kombiniert mit dieser Intensität war dann doch überraschend.
Auffallend ist, dass der Kaltlluftsee über dem Mittelland in der Nacht von Montag auf Dienstag doch verhältnismässig schwach ausgeprägt war. Sieht man sich das Temperaturprofil von Zürich an, dann kann man daraus schliessen, dass die Grenze des Kaltluftreservoirs in dieser Region bis etwa in eine Höhe um 500 bis 550 m.ü.M. reichte. Das zeigt der Temperatursprung zwischen den beiden Messstationen ETHZ und Meteoschweiz:
Der Blick auf die Temperaturverläufe zeigt, dass sich die Grenze zwischen Kaltluft und Föhnluft in der Nacht auf Dienstag auf kleinstem Raum bewegte. Die SMA-Station Zürich Affoltern hatte nachweisbar keine Föhnluft, was sich anhand der normal verlaufenden Temperaturkurve zeigt. Die Station liegt auf 444 m.ü.M., lag also die ganze Nacht im Kaltluftsee:
Bereits die Station Zürich-Fluntern zeigt aber einen ganz anderen Verlauf. Diese Station liegt auf 556 m.ü.M, also offensichtlich oberhalb der Grenze der Kaltluftschicht. Hier haben wir den markanten Temperatursprung in der Nacht vom 3. auf den 4. November, also einen Föhndurchbruch:
Sonnenklar ist die Sache dann in Wädenswil. Hier erfolgte der Temperatursprung mit Durchbruch des Föhns zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie an der Station Fluntern:
ABER: Die Station Wädenswil liegt auf 485 m.ü.M., also tiefer als Fluntern. Theoretisch müsste Wädenswil - rein von der geschätzten Mächtigkeit des Kaltluftsees ausgehend - ja ebendarin gelegen haben! Der Föhn hatte aber überhaupt keine Mühe, diese Kaltluft wegzupusten.
Klar ist meines Erachtens, dass es auch am Zürichsee im Verlauf des Montagabends zu einer allmählichen Auskühlung kam. Die Temperaturkurve sackte schön passend zum Tagesgang von knapp 17 Grad auf 8 Grad ab. Das korreliert übrigens vom Verlauf her absolut mit den Stationen, die in der Folge die ganze Nacht in der Kaltluftsee verharrten (bsp. Zürich-Affoltern). Auch in Wädenswil setzte also die bodennahe Abkühlung und somit die Ausbildung eines Kaltluftreservoirs an. Dieser Prozess wurde aber - anders als in den Stationen weiter nördlich - um kurz nach 20 Uhr aprupt beendet. Die Frage ist nun: Wieso gleitet die Föhnluft in Affoltern über die Kaltluft, während sie in Wädenswil bis an den Boden durchgreift?
Ich denke hier spielen nun die topografischen und mikroklimatischen Aspekte hinein. Die Zürichseereion ist eben nicht topfeben, sondern ein Schlauch mit einem Eingang (höher gelegen) und einem Ausgang (tiefer gelegen). Dazu kommen Hügelzüge an beiden Seiten. Der Zeitpunkt des Föhneinbruchs am Montagabend scheint mir ebenfalls "ideal" gewesen zu sein. Oder anders gefragt: Was wäre passiert, wenn der Föhn erst später, bsp. um 1 oder 2 Uhr so richtig angezogen hätte? Wäre die Abkühlung in Wädenswil dann bereits weiter vorangeschritten gewesen, wodurch ein Durchbruch erschwert oder sogar verhindert worden wäre?
Fazit: Kaltluftsee am Zürichsee bedeutet wohl nicht dasselbe, wie Kaltluftsee im Mittelland.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert