Hoi Urbi
Du hast mit "blitzig rundum" den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen

und die geposteten Radarbilder genau zu jenem Zeitpunkt heruntergeladen, als Andreas (Winterthur) und ich in Bayern mitten im Geschehen waren! Auf dem Loop des deutschen Niederschlagsradars (oben rechts) sieht man nordöstlich von München kurz vor 17 00 Uhr MESZ einen orangen Flecken. Das ist Landshut; und wir haben uns etwas südlich von Landshut bei Vilsheim positioniert, nachdem wir bei Moosburg an der Isar-Süd die Autobahn verliessen. Durch kleine "verwunschen" wirkende, kleine Dörfer, in denen ich nicht verwundert gewesen wäre einem blauen (bzw. in den bayrischen Farben einem blau-weissen) Schlumpf zu begegnen, ging es dann in Richtung Spotterplatz. Witzigerweise hiess das eine kleine Dorf noch "Troll", wo wir vorbei fuhren.
Mit Verlaub poste ich hier noch einmal Dein Satbild von 17 00 Uhr MESZ, da sich dort unsere Position (rotes Quadrat) exakt zwischen den beiden Zellen gut einzeichnen lässt:
Wir standen so gesehen eigentlich perfekt im Bereich des niederschlags- und wolkenfreien, schmalen Bandes, zwischen den Zellen und konnten am Trockenen das Geschehen verfolgen. Auf dem folgenden Bild, mit Sicht nach Südosten, sieht man die Rückseite, bzw. den Rand des cb-Schirms, wobei der blaue Himmel (rechts im Bild) eben genau dieses auf dem Satbild gut erkennbare, schmale und wolkenfreie Band zeigt:
Es hat schon immer wieder einmal geblitzt und gedonnert, doch die vielen CC's und auch manche CG's waren im dichten Niederschlag eingebettet und die "Wand" in Richtung Ost-/Nordost war einfach pechschwarz, in monochromer Farbe; insofern auch nicht zwingend fotogen. Da gab optisch die südwestlich von uns gelegene und direkt auf uns zukommende Zelle mit der Böenlinie, bzw. der "Roll-cloud" viel mehr her; im Kontrast zum leuchtenden Gelb des blühenden Rapsfeldes eher noch ein "Schmankerl". Andreas' Pano-Bilder sind da natürlich ein Augenschmaus. Hier mein etwas verrauschtes Bild:
Aus dieser Linie hatte es auch immer wieder gedonnert. Doch auch da waren die Blitze zumeist eingelagert und die Kanäle waren kaum sichtbar, obwohl wir ja nur einige Kilometer (s. Blitzverlauf Donnerradar) davon entfernt waren (rechts oben):
Bei der letztgenannten Zelle waren kurzzeitig sogar leichte laminare Strukturen einer Shelf auszumachen, doch sie klappte bald zusammen und als die Linie uns erreichte, war der Niederschlag nur noch stratiform. Der DWD hatte rd. 45 Min. zuvor für das ganze Gebiet nördlich des Chiemgaus, hinauf nach Landshut (wo etwas südlich unsere Position war) und weiter (s. Karte), die Warnstufe rot ausgegeben, doch die Gewitterentwicklung war eher moderat:
Solche Bilder, die nach flächendeckendem Blitzteppich aussehen, täuschen in der Regel. Die Blitzrate war nicht so hoch wie es scheint und wie wir auch angenommen haben, nachdem gemäss der Karten während des Forecasts die Entwicklung langlebiger Superzellen durchaus drin gelegen wären:
Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, dass ESTOFEX für die von Süden nach Norden über fast 1'000 km reichende Konvergenzzone teilweise Level 1 ausgegeben hatte.
Die gesamte, durch die um ca. 15z im Südosten Bayerns aus Westen ankommenden Front, sich bildende Konvergenzlinie, fand ihren Anfang am südlichsten Punkt im Chiemgau und endete irgendwo bei Hamburg. Andreas und ich waren uns einig, dass die vermutete Hauptaction südlich des Kerndrucks des Bodentiefs sein müsste, da nördlich des Tiefdruckzentrums, wie aus den Theta-E deutlich zu sehen war, die Front leicht rückläufig war und sich während der Episode dieser Abschnitt in einen Warmfrontsektor wandelte, wonach die Wetteraktivität dort abschwächte. In Erwartung dieses Szenarios, schlug ich vor, dass wir uns so weit als möglich südlich halten sollten, sowie ein Stück weit östlich von München, was Andreas genau so sah, vor allem, nachdem die neusten Cosmo-Läufe auf eine solche Entwicklung hinwiesen (vgl. Swiss12-Index; Post von Andreas am Nachmittag vom 16.05.2013 in diesem Thread).
Ein weiterer Grund - von meiner Seite her - für die Wahl des Beobachtungsstandortes, war die sowohl bei GFS, als auch bei WRF ARW gut gerechnete Windscherung, worauf der Tornado-Parameter bei Lightning Wizard reagierte (Stufe 2, gelb), in der Region Landshut, wo wir uns positionierten. Wir sahen tatsächlich zapfen- und trombenförmige Gebilde an der Wolkenuntergrenze, doch es war keine Rotation auszumachen.
Hingegen kurz vor Ankunft der zweiten Gewitterlinie, begann sich über unseren Köpfen alles zu drehen. Teils waren die Verwirbelungen zyklonal, aber auch antizyklonal, wie die Struktur am oberen Bildrand im folgenden Foto zeigt:
Etwas später fuhren wir noch nach Deggendorf. Hier der Blick in Richtung Osten auf den Bayrischen Wald, wo im Bereich der Hügelkette am Horizont die tschechische Grenze verläuft:
Doch die von Passau her sich in Richtung Norden verlagernden Gewitterzellen schwächten schnell ab und bauten östlich in Tschechien an. Wir brachen das Chasing ab.
Es hat grossen Spass gemacht mit Andreas wieder einmal zu chasen und eine grössere Tour zu unternehmen; und wenn auch von meiner Seite her ich keine spektakulären Fotos oder Videos mit nach Hause nehmen kann und sich die zwei, drei wirklich atemberaubenden CG's in unserer Nähe aus der ersten Zelle nicht gelohnt haben im Bildmaterial festzuhalten, stufe ich dieses Chasing als eines der Besten seit Beginn vor 16 Jahren ein, weil die Berechnungen im Forecast, der Fahrzeit, des Targets und der Abgleich mit Andreas' Meinung, in Einbezug meiner üblichen Chasingmethode, eine regelrechte "Punktlandung" zwischen zwei Zellen, bzw. Gewitterlinien zur Folge hatte. Der gesamte Prozess vor dem eigentlichen Chasing finde ich persönlich genauso spannend; und so machts richtig Spass!
Gruss Cyrill