Hoi Phil
im ersten Moment hat man schon den Eindruck, es handle sich hier um
Virga. Doch meiner Meinung nach verdienen diese Wolken nicht die Zusatzbezeichnung Virga, weil es ich um eine Momentaufnahme eines beginnenden stratiformen Niederschlags handelt, welcher naturgemäss auf der Zellenvorderseite den Boden noch nicht erreicht haben kann, es aber im nächsten Moment tut. Der NS-Kern ist auf dem Webcam-Bild von 17 50 MESZ ausserhalb des linken Bildrandes und deshalb nicht zu erkennen.
Da es sich hier bei einer rein optischen Beurteilung natürlich um einen Grenzfall handelt, wenn man nicht die meteorologischen Gegebenheiten in die Betrachtung miteinbeziehen würde, wäre für mich sehr lehrreich, wenn einer der Profis hier im Forum, oder ein geübter "Wolkenleser", meine nachfolgenden Argumente gegen Virga liest und eine entsprechend professionelle Meinung abzugeben bereit ist.
Argumente:
"Virga" heisst zwar übersetzt Niederschlags-"Fallstreifen" und diese sind auf dem Bild eindeutig gegeben. Doch die Bezeichnung Virga bezeichnet eigentlich eine Wolken-Sonderform, die fast allen Wolkengattungen und -arten zugeordnet werden kann. Eine der wohl auffälligsten Formen, ist die Altocumulus floccus virga, die durch ihre kleinen "Cumuliköpfchen" mit den fadenartigen Virga aussehen wie Quallen im (Himmels-)Meer.
Virga ist die spezielle Bezeichnung für Niederschläge, bzw. Fallstreifen, die den Boden nicht erreichen. Im Fall von Altocumulus floccus, woraus normalerweise ja kein Niederschlag fällt, weist eben Virga auf diese Fallstreifen hin, die meist aus Eiskristallen (obere Schichten) oder kleinen Niederschlags-Tröpfchen (tiefere Luftschichten) bestehen. Aufgrund des geringen Gewichts der NS-Einheiten, reagieren sie spontaner auf den Einfluss horizontaler Winde, weshalb Virga meist etwas zapfenförmig und gebogen auftritt.
In der Regel entsteht Virga, wenn in einer mittleren Luftschicht ein Feuchteeinschub Konvektion begünstigt und ein Kondensationsprozess möglich wird, während die Grundschicht trocken bleibt. Aufgrund des höheren Sättigungsgrades der Grundschicht verdunstet der Niederschlag auf seinem Weg von der Wolkenuntergrenze bis auf die Erdoberfläche, wo er nie ankommt. Diese Spezialform nennt sich Virga und kann (meines Wissens) zwar auch mit Altostratus, Stratocumulus, Nimbostratus usw. auftreten, doch die vorherrschenden, lokalen Bedingungen sind meist mit einer Bodeninversion verbunden. Das kann durch einen Föhndurchbruch, oder durch verwandte Einflüsse geschehen. Ich kann mich noch an eine Diskussion mit einem Meteorologen erinnern, in der es um die Frage ging, ob Virga vom Niederschlagsradar überhaupt erfasst werden kann, da Probleme im Zusammenhang mit der Reflektivität auftauchen könnten.
Falls es also in Deiner Webcam-Aufnahme um Virga handeln sollte, dann am ehesten um Cumulonimbus calvus virga. Dagegen spricht die heute nicht sonderlich ausgeprägte, trockene Grundschicht und die auf dem Radar um 17 50 Uhr MESZ gut sichtbare Gewitterlinie, welche zu diesem Zeitpunkt, noch ausserhalb des Webcam-Blickfeldes, das Bodenseeufer erreichte:

Cosmo2-Messung

Sat24-Bild

Donnerradar.ch

Die selbe Zelle von der gegenüberliegenden Seite (Altnau) aus gesehen, um 17 48 Uhr MESZ. Durch die besonderen Lichtverhältnisse sieht es optisch so aus, als handle es sich um Virga. Ist aber nicht so.
Was meinen die Experten?
@ Andreas (Winterthur)
Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei Dir und Willi noch für den "Weckruf an die Chasingcommunity" bedanken

. Hätt' ich's doch beinahe verpasst

, nach dem langen "Winterschlaf".
@ Chrigi
Das gab's ja hier im Forum auch noch nie: das erste Blitzfoto der Saison ein Webcambild! Sehr aufmerksam. Ist ja fast wie selbst geschossen, nur billiger, d.h. ohne Benzinverbrauch und Hetze durch den Feierabendverkehr......
So betätigte ich mich heute auch ein wenig als "Webcam-Chaser" und poste hier noch mit Verlaub für's Archiv die Schneefälle im Jura bis knapp unter 1000 m über Meer (die jmd in diesem Thread ja schon erwähnt hatte):
Luv- und kammseitig, mit der ankommenden Linie, extreme Abkühlung (vgl. Temp.-Karte von Joachim) und dichter Schneefall, zwischen Lac du Joux und Juranordfuss, teilweise bis 950 m hinunter.
Z.B. "Oberer Grenchenberg" (Webcam), 16 50 Uhr MESZ. Das "S" steht für "Sommerzeit"

. Na ja, ist alles eine Frage der Interpretation....
@ Michi (SH) & all
wieder tolle Bilder!
Gruss Cyrill