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Fast 4 Tage Südföhn (02.-05.11.2011)

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Tinu (Männedorf)
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Fast 4 Tage Südföhn (02.-05.11.2011)

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Hoi zäme

Nachdem im Thread von @Christian https://www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=2&t=7910 bereits über die zu erwartenden hohen Niederschlagssummen der kommenden Tage auf der Alpensüdseite diskutiert wird, sollten wir den Fokus auch auf die ausgeprägte Föhnlage richten, die parallel dazu auf der Alpennordseite auftreten wird. Beide Ereignisse sind im Prinzip an die selbe Wetterlage geknüpft, nur eben mit unterschiedlichen Auswirkungen je nach Region; Alpen-Mikroklima in seiner vollendeten Form!

In den typischen Föhntälern (v.a. Reusstal, Haslital) dürfte der warme Fallwind im Verlauf des heutigen Nachmittages/Abends einsetzen. Und er wird sich wohl erst auf Sonntag wieder verabschieden. Das markante an dieser Föhnlage ist also nicht unbedingt die Stärke (es gab schon weitaus heftigere Setups), sondern eher die Dauer. Mancherorts wird der Föhn den Bewohnern während 4 Tagen nonstop um die Ohren sausen und das hat dann schon etwas für sich, wie ich finde...

Wie kommt es nun dazu? Verantwortlich für diese Föhnphase ist zunächst mal die Tatsache, dass die Grosswetterlage über Europa weitgehend blockiert ist. Weite Teilen von Mittel-Ost und Nordeuropa liegen unter dem Einfluss eines mächtigen Höhenkeils, der eine omegaähnliche Struktur aufweist. Vom Atlantik her nähert sich im Verlauf des heutigen Tages (Mittwoch) nun ein breiter, weit nach Süden ausgreifender Langwellentrog. Am Mittwochabend sinkt der Druck im Bereich des Bodentiefkerns auf unter 970 hpa, während einige hundert Kilometer weiter östlich über der Ukraine im Kern des Keils der Druck am Boden auf über 1025 hpa steigt.

Einfach formuliert haben wir es also mit zwei „Big Players“ zu tun, die in den kommenden Stunden und Tagen gegeneinander antreten und sich aufreiben werden. Die Beständigkeit und Mächtigkeit des Höhenkeils sorgt dabei dafür, dass sich der Trog im Westen nur extrem langsam Richtung Kontinent vorschiebt, ja teilweise sogar fast stationär verharrt. Auf der Vorderseite des Troges werden feuchtlabile Luftmassen advehiert, gleichzeitig wabert die an das System gekoppelte Kaltfront während Tagen quälend langsam zwischen Frankreich und dem westlichen Mittelmeerraum herum.

Auf Samstag tropft der Trog dann in den westlichen Mittelmeerraum ab, was die Unwettersituation dort zusätzlich verschärft. Siehe dazu den Thread von @Christian.

Der „Kampf“ Trog gegen Keil von Mittwoch bis Samstag. Ich finde die grossräumige Karte ist in diesem Zusammenhang eindrücklicher als die kleinräumige:
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Bezogen auf die Alpennordseite bedeutet dies einen permanenten Südüberdruck von Mittwochabend bis voraussichtlich Sonntagmittag. Seinen Höhepunkt wird der Föhnsturm in den Alpentälern in der Nacht von Donnerstag auf Freitag erreichen. Die Modelle berechnen dann einen Druckunterschied von über 12 hpa zwischen Zürich und Lugano. Der Erfahrung nach dürfte dieser Unterschied wohl in der Realität schliesslich noch ein, zwei hpa höher sein. Dazu das Föhndiagramm von Meteocentrale sowie die Bodendruckkarte von ECMWF des Alpenraumes.
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Erst auf Sonntag sinkt der Druck auf der Alpensüdseite mit dem Herannahen des Höhentroges soweit, dass der Föhn sich aus den Alpentälern zurückziehen wird.
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Fazit: Eine interessante Föhnlage, die vor allem deshalb markant ist, weil sie während voraussichtlich 4 Tagen anhalten wird. Aus heutiger Sicht gibt es zudem zwei Föhnpeaks: Den markanten Peak in der Nacht auf Freitag, der dem herannahen des breiten atlantischen Troges geschuldet ist und einen zweiten, schwächeren Peak am Samstag bei der Ostverlagerung, resp. Auffüllung des in den Mittelmeerraum abgetropften Rest-Höhentroges. Vielleicht können die Profis zu diesen beiden Phasen noch etwas fundierter Auskunft geben. Wie @Alfred https://www.sturmforum.ch/viewtopic.php ... 71#p142071 es schon erwähnte sind es im Prinzip nämlich zwei verschiedene paar Schuhe, von denen wir hier reden, die aber dennoch zusammen gehören: Einmal kommt die Föhnluft aus Südwesten, dann eher aus Südosten.
Zuletzt geändert von Severestorms am Do 3. Nov 2011, 11:37, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Titel angepasst
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
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Joachim
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Joachim »

Hoi zäme

und der milde Südföhn läuft sich schon warm: über die Hochalpen und Pässe mit bis zu 50 km/h ... am föhnreichsten Ort der Schweiz (Guttannen/Haslital) hat sich der nächtliche Talauswind ab ca. 10 Uhr böig verstärkt ... die höchste Temperatur - wie immer beim Beginn der Föhnlage - in Wassen/Uri mit 16 Grad und 28%. Am wärmsten wird es aber heute wohl im Jura und am Juranordfuss.
Kräftiges vorföhniges Ausfliessen in Bilten/GL und St.Maurice/VS.

vG

Joachim


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Rontaler
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Rontaler »

Hallo Tinu

Merci für Deine Analyse.

Eine für mich zentrale Frage, ist, wie weit der Föhn bei diesem langen Föhnereignis ins Flachland hinausstossen kann/wird? Im Winterhalbjahr ist es sicherlich schwieriger für Föhn weit ins Flachland hinauszustossen aufgrund des mehr oder weniger stark ausgeprägten Kaltluftsees. Dieser führt dann dazu, dass der Föhn auf der Inversion "abprallt" und einfach darübergleitet. HOE dann warm und trocken, TAE dagegen kühl und feucht. Wenn der Föhn aber während ganzen 3-4 Tagen ununterbrochen bläst, wird doch die Kaltluftschicht von Süden her nach und nach angeknabbert bzw. gänzlich eliminiert, so dass der Föhn stetig weiter in Richtung Norden vorankommen kann. Ist das korrekt?

Beste Grüsse
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

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Tinu (Männedorf)
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

@Rontaler
Wenn der Föhn aber während ganzen 3-4 Tagen ununterbrochen bläst, wird doch die Kaltluftschicht von Süden her nach und nach angeknabbert bzw. gänzlich eliminiert, so dass der Föhn stetig weiter in Richtung Norden vorankommen kann. Ist das korrekt?
Nicht unbedingt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Stärke und Dauer einer Föhnlage nicht unbedingt ausschlaggebend dafür sind, obs der Föhn bis weit ins Mittelland hinaus schafft. Vor allem im Winterhalbjahr ist das so eine Sache. Ich zweifle daran, dass es der Föhn bei dieser Lage weit bis ins Mittelland schaffen wird. Wenn, dann würde ich das dem Föhn eher in seiner zweiten Phase (Samstag) zutrauen. Zumindest im Osten. Gründe: südöstlichere Anströmungsrichtung und bessere Unterstützung durch den Höhenjet. Dafür spricht auch der Blick auf die ThetaE-Karte, wobei sich Freitag/Samstag eine stärkere Drängung und damit schärfere Gegensätze der Luftmassen andeuten. Meiner Erfahrung nach ist ein Föhndurchbruch bis ins Mittelland (bezogen auf den Zürichsee) in solchen Fällen wahrscheinlicher. Das ist aber meine ganz persönliche Theorie, die sich vermutlich sowieso in Luft auflösen wird bis Sonntag. :-D
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Mi 2. Nov 2011, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Rontaler »

Tinu, sali :)

Danke für Dein Feedback.

Werden wir "Vorälpler"/Mila-Grenzgänger denn wenigstens von diesem lästigen Nebel befreit, wenn der Föhn schon nicht durchkommt? Wie sieht da die Verbindung aus (Südströmung mit Föhn vs. Nebelverbreitung)?

Gruss
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

agio
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von agio »

Hoi Tinu,

dafür, dass es deine ganz persönliche Theorie mit der Föhnstärke ist, finde ich sie ziemlich gut :-D

Spass bei Seite, ich kann das 100%ig unterschreiben: Der Föhn ist am Samstag viel besser von der Höhenströmung unterstützt (Stärke+Windkomponente quer zu den Alpen). Da reicht es nicht stur auf die hPa im Föhndiagramm zu schauen, die Druckdifferenz ist nur eine der Komponenten, die den Föhn ausmachen.

Saluti

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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

agio hat geschrieben: dafür, dass es deine ganz persönliche Theorie mit der Föhnstärke ist, finde ich sie ziemlich gut :-D

Spass bei Seite, ich kann das 100%ig unterschreiben: Der Föhn ist am Samstag viel besser von der Höhenströmung unterstützt (Stärke+Windkomponente quer zu den Alpen). Da reicht es nicht stur auf die hPa im Föhndiagramm zu schauen, die Druckdifferenz ist nur eine der Komponenten, die den Föhn ausmachen.
@Alex

Na dann ist ja gut :)
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Chicken3gg

Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Chicken3gg »

Ein Sommertag im November? Meteocentrale rechnet jedenfalls damit am Wochenende ;)

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Quelle: Facebook Meteocentrale

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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Rontaler »

Hallo zusammen

In Silenen UR (555 m.ü.M.) kurz nach 18 Uhr Föhndurchbruch:

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Quelle: http://silenen-brandi.meteobase.ch/

Beim Kollegi in Altdorf UR (500 m.ü.M.) hingegen noch vorföhniger NW-Wind bei tieferen Temperaturen.

Gruss
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

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Joachim
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Re: 4 Tage Föhn (2. bis 5. November 2011)

Beitrag von Joachim »

Hoi zäme

Hier die Tx-e vom Mittwoch ... wie immer, am Anfang der Föhnlagen: Föhn in den Alpen und die Wärme im Jura :-):

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MeteoCH Klimastation Delémont/JU gar 20.9 Grad.

Meine Erfahrung: Sobald auf 500 hPa KLA (Kaltluftadvektion) einsetzt kommt der Föhn besser raus... meist eh' beim Höhepunkt (Trognähe). KLA bewirkt auch weniger hohes Gschlirrbb > mehr Sonneneinstrahlung und damit besseres Aufbrechen der bodennahen Inversion im Alpenvorland.

Grüsslis

Joachim

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