Hoi @ Michael ZH
danke für die Threaderöffnung. Ich bin der Meinung, dass man die mit Gewittern einher gehenden Gefahren von Blitzen, Sturmböen, Hagel usw. wiederholt thematisieren und kommunizieren sollte und dies u.a. sicher auch jenen Menschen obliegt, welche sich damit auskennen: Meteorologen und Sturmjäger, Mitglieder des Sturmforums. Wohl wird das Gefahrenpotential immer wieder angesprochen, doch nicht selten landen die Beiträge in verwaisten Threads.
Grundsätzlich gehörte dieses Thema eigentlich unter die Rubrik "Wissenswertes" wo es dieses "Schicksal" zu erleiden droht - weshalb ich vorschlage diesen Thread bei "Bekanntmachungen" als Permalink unterzubringen.
Anlass zu Deiner Threaderöffnung ist sicher der tragische und bedauernswerte Tod einer Helferin beim Openair-Festival in Frauenfeld am 10.07.2012; es gab u.a. auch zum Teil schwer Verletzte.
http://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/ ... e-25424850
Es wurde im Sturmforum diskutiert, z.T. analysiert und man findet dort auch die Verlinkung zum Sturmarchiv-Eintrag:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... 5&start=70
An dieser Stelle erlaube ich mir, auf etwas Wichtiges hinzuweisen: vor drei Jahren wurde an einer Sitzung, im Zusammenhang mit dem Projekt Flying Doppler, die Idee entwickelt, ein nützliches Tool für Sturmjäger zu lancieren, wonach diese auf ihren Touren ein überragendes Navigationswerkzeug zur Verfügung haben sollten, letztlich auch in Hinblick des mobilen Radars. Dr. Willi Schmid hat diese Idee auf eine geniale Weise umgesetzt und den
Donnerradar ins Leben gerufen, der zunehmende Beliebtheit geniesst.
http://www.metradar.ch/2009/pc/index.php
Schnell wurde klar, dass dieses Werkzeug nicht nur Stormchasern nützt, sondern auch Rettungsdiensten, Restaurantbesitzern, Führern von Bergtouren usw.,
insbesondere aber auch Festveranstaltern (weshalb ich dies ausdrücklich erwähne).
Das unten stehende Radarbild zeigt die animierte Situation 1 Stunde (!) vor Eintreten des Dramas in Frauenfeld, welches ich kurz vor Abfahrt heruntergeladen hatte:
Man erkennt die Entstehung einer Gewitterzelle südwestlich von Zürich, die auf ihrer Zugbahn in Richtung NO demnächst auf Kloten trifft. Im unteren Detail-Loop erkennt man die Fortsetzung der (klassischen) Zugbahn ab Kloten bis Frauenfeld; noch 30 Minuten, bis zum Unglück:
Nun zu Deiner Aufzählung:
- ich denke, dass es aus logistischen Gründen (und ökonomischen) bei Openair-Festivals und ähnlichen Veranstaltungen nicht möglich ist robuste und gleichzeitig mobile Gebäude als Schutzmöglichkeit zur Verfügung zu stellen.
- soweit ich weiss müssen öffentlich zugängliche Bereiche, wie Bühnen, Zelte usw. strenge, sicherheitstechnische Anforderungen erfüllen. Doch für Downbursts zu überstehen, sind die mobilen Einrichtungen ungeeignet.
- das Risiko, im weiten und offenen Gelände z.B. eher vom Blitz getroffen zu werden, gehört ebenso zu den irreführenden Mythen, wie z.B. "von Eichen weichen, Buchen suchen". Gerade der DOK-Beitrag des Schweizer Fernsehens "Vom Blitz getroffen" (2010) zeigt in aller Deutlichkeit, wie gefährlich die Lage in den Bergen sein kann.
http://www.videoportal.sf.tv/video?id=b ... c9228173ba
Sinnvoll wäre bei solchen Veranstaltungen mit grossen Menschenansammlungen einen Notfallplan in der Tasche zu haben, um innerhalb nützlicher Frist ein Gelände evakuieren zu können. Dazu müsste ein Veranstalter auch jemanden delegieren, der für die Wettervorhersage zuständig ist und im ständigen Kontakt mit Meteo Schweiz steht. Doch auch mit der richtigen Interpretation des Donnerradars, welcher als App auf dem eigenen Handy installiert werden kann, hätte das Unglück vermieden werden können.
Dabei darf man nicht vergessen: die Zürcher Zelle an sich war im Grunde eher ein normales Gewitter. Die unwetterartigen Bedingungen entstanden erst durch das Zusammentreffen der spontan enstandenen Thurtaler-Zelle im Scheitelpunkt mit der Zürcher Zelle (s. Grafik). Dort befand sich das Openair-Areal:
Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Moralisch ist es sicher fahrlässig, keine Massnahmen ergriffen zu haben.
Die von Dir angesprochene Arglosigkeit in bezug auf Gewitter in der breiten Öffentlichkeit stelle ich manchmal auch fest, so wie kürzlich bei einem Chasing am Pfäffikersee, als drei junge Männer beim Heranrollen der Front diese Stimmung noch "lässig" fanden und zu einem Floss hinausschwammen, während die übrigen Badegäste eiligst sich selbst und ihr Habundgut in Sicherheit brachten.
In diesem thematischen Zusammenhang erinnere ich an einen damals in der Presse viel diskutierten Fall, als ein junger Mann am 01.08.2010, an unserem Nationalfeiertag, von einem Blitz tödlich getroffen wurde:
http://www.bernerzeitung.ch/region/kant ... y/25318333
Er wurde überrascht, suchte Schutz unter einer Tanne. Eine seiner Kolleginnen wurde weggeschleudert, die andere schaffte es noch bis zum Auto, welches in der Nähe geparkt war. Eine gute Freundin von mir war zur selben Zeit mit Freunden auf einer Wanderung, ganz in der Nähe. Sie blickte auf den Donnerradar auf ihrem Handy, fragte mich per SMS, was sie tun soll und folgte meinen Anweisungen sich unverzüglich in Sicherheit zu bringen. Dafür hatte sie fast 40 Min. Zeit, dank des Donnerradars. Es klingt vielleicht ein wenig so, als würde ich hier ein Produkt "verkaufen" wollen - nein! Ich mache Werbung für eines der genialsten Nowcast-Tools, das es in Mitteleuropa gibt, mit dem man - richtig angewandt - die Opferzahlen bei Gewittern drastisch senken kann.
Und vergesst nie, bitte: durch die vorwiegend positive Ladung der Erde, auf welcher ihr steht, sendet ihr im Gefahrenbereich eine sog. Fangladung aus, die mehr oder weniger stark sein kann, unabhängig davon, ob sich in der Nähe höhere Gegenstände befinden, die quasi näher an der Wolke wären, von welcher ebenfalls eine Fangladung ausgeht. Kürzlich entdeckte ich im Forum Bilder eines Chasers, der bei seiner Gewitterjagt sich unter eine Hochspannungsleitung gestellt hatte..... Sorry, dies ist äusserst lebensgefährlich!
Gruss Cyrill