Nine hat geschrieben:Aber die West-Südwestdüse wird doch schwach, wenn die Tiefdruckaktivität auf dem Atlantik abnimmt? Oder sehe ich das falsch?
Klare Frage, unklare Antwort: Jein.
Ganz so einfach ist die Sache mit der Meteorologie dann doch nicht. Auf dem Papier ist es schon korrekt, dass eine schwache Tiefdruckaktivität auf dem Atlantik den Vorstoss kälterer Luftmassen von Russland her tendenziell begünstigt. Aber aufpassen: Es handelt sich nur um ein Puzzleteil, welches ohne die anderen Teile nutzlos ist für ein stimmiges Gesamtbild!
Damit sibirische Kaltluft weit nach Europa vorstossen kann, braucht es eine entsprechende Grundkonstellation. Ideal dafür ist eine blockierende Hochdruckrinne über dem Nordatlantik oder zumindest ein stabiles Hochdruckgebiet irgendwo im Bereich zwischen Island und Norwegen. Die kalte Sibierienluft muss also am Ostrand eines Hochdruckgebietes nach Süden und Südwesten "laufen" können. Ein Idealbeispiel für eine solche Konstellation bot der legendäre Februar 2012:
Faktisch war die Tiefdruckaktivität im Februar 2012 nicht schwach, sondern durchaus stark ausgeprägt. Die Tiefs schafften es einfach nicht durch den massiven Hochdruckblock, der sich vom Zentralatlantik über die Britischen Inseln bis zum Nordmeer erstreckte. Die Sturmtiefs blieben vor Island stecken. Gleichzeitig konnte die extrem kalte Luft aus Sibirien ungehindert nach Westeuropa fluten.
Wenn man sich nun die Situation der kommenden Woche ansieht fällt auf, dass ein Blockadehoch ähnlich wie im Februar 2012 komplett fehlt. Stattdessen bekommen wir es mit einem Sammelsurium verschiedener synoptischer "Player" zu tun:
Wir sehen eine ganze Kette von kleineren Tiefs, die den gesamten Nordatlantik sowie auch Skandinavien bedecken. In diesem Fall von einer schwachen Tiefdruckaktivität zu sprechen, ist deshalb meines Erachtens der falsche Ansatz, weil es so nicht stimmt.
Der entscheidende Faktor ist - einmal mehr - der weit nach Norden ausholende subtropische Höhenkeil. Dieser Keil war bereits im Winter 2014/15 sehr dominant und hat den Winter damals komplett ausfallen lassen in Mitteleuropa. Indem der Subtropenkeil im Winter derart weit nach Europa vorstösst und auch noch extrem persistent ist, wird die gesamte Diskussion über den sibirischen Kaltluftpool irrelevant. Es kann noch so kalt werden und es kann noch so viel Schnee fallen in Russland - so lange unsere Grosswetterlage von einem Spieler kontrolliert wird, der seinen Ursprung in den Subtropen hat (!) ist das Hans-was-Heiri.
Ich persönlich halte diese Konstellation, die seit dem Klimasprung Ende der 80er-Jahre immer hartnäckiger Auftritt, für ein Resultat der Klimaerwärmung. Damit einher geht eine Verschiebung der winterlichen Frontalzone weit nach Norden. Es tritt also, einmal mehr, eine eigentlich für den Sommer typische Wetterlage in unserem Kernwinter auf.
Eigentlich kann man nur hoffen, dass die Frontalzone bald wieder aktiver wird und dass dieser Subtropenkeil verschwindet. Angesichts der von Fabienne in diesem Forum bereits mehrfach angesprochenen Wärme im nordplaren Bereich ist nämlich nicht davon auszugehen, dass sich bald ein stabiles Winterhoch im Nordatlantik bilden wird, die Bildung von Tiefdruckgebieten wird eher begünstigt.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert