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FCST/NCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
Matt (Thalwil)

FCST/NCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Guten Morgen

Noch bevor das Starkniederschlagsereinis vom 10./11.08.2014 zu Ende gegangen ist, wird über dem Atlantik bereits das nächste aufgegleist. Der ehemalige tropische Sturm "Bertha" ist mittlerweile im Tiefdruckwirbel mit Zentrum über den Britischen Inseln aufgegangen. Der Einschub feucht-warmer Luftmassen und der damit vebundene Eintrag latenter Energie sorgt für eine Vertiefung des Zentraltiefs. In den nächsten Stunden entwickelt sich am Nordrand dieses Tiefdruckwirbels (nahe Island) aus einer baroklinen Zone eine kleine Verwellung. Die Welle wandert am Rand des Tiefdruckwirbels allmählich nach Süden und verstärkt sich zu einem Randtief. Am Dienstag gelangt es in den Bereich des Jetstreams und wird dadurch weiter verstärkt. Gemäss heutigen Prognosen wird das äusserst kurzwellige und markante Randtief am Mittwoch nördlich der Schweiz durchziehen. Damit verbunden sind vorerst kräftige Niederschläge im Bereich der Kaltfront und stürmische Windböen. Je nach Labilität sind in Flachland Spitzen von 60 bis 80 km/h möglich. Kräftige Aufgleitvorgänge im Bereich des Jetstreams (und später entlang der Kaltfront) könnten für ein kritisches NS-Ereignis sorgen. Am meisten Niederschlag dürfte am Alpensüdhang fallen, doch sorgt neben der orografischen die dynamische Hebung für ausgedehnte NS-Felder bis in Oberwallis, Gotthardgebiet und Mittelbünden hinein. Die Bildung eines Tief über Norditalien (im Lee der Alpen) im Laufe des Mittwochs könnte auch auch auf der Alpennordseite für ausgiebigen Niederschlag sorgen. Wenigstens dürfte die Schneefallgrenze im Laufe des Ereignisses unter 3000 m sinken und in den Alpen die Abflusspitzen etwas entschärfen.

Ihr habt den Konjunktiv bemerkt, die Details sind noch unsicher, doch die synoptische Entwicklung wird von EZ und GFS gestützt. Freue mich auf vielfältiges Wetter zur Wochenmitte! :up:

EDIT: Ein "kritisches NS-Ereignis" wäre es, wenn so 50-80 mm innerhalb 24 h am Alpenhauptkamm oder nördlich davon niedergehen würden. Am Alpensüdhang ist eine solche Menge meist problemlos.

Gruess, Matt

Bildung der Welle aus einer baroklinen Zone (grosser horizontaler Temperaturgradient) siehe Pfeil:
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Entwicklung des Randtiefs um DI und MI 12Z:
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Durchzug nördlich der Schweiz:
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850 hPa Windfeld für MI 18Z:
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Zuletzt geändert von Dani (Niederurnen) am Mi 13. Aug 2014, 18:19, insgesamt 3-mal geändert.
Grund: Threadtitel angepasst

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Federwolke
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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Federwolke »

Je nach Timing und Zugbahn des Tiefs wäre die Lage auch noch gut für einen kurzen, aber heftigen Föhnsturm mit einer Art "Schockwelle" wenn dieser zusammenbricht und dann die Kaltluft in die Alpentäler vorstösst.
Langweilig wird uns jedenfalls so schnell nicht ;)


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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Rontaler »

Hallo,

Trotz der etwas unklaren Lage scheint die Gefahr für mich zumindest zum Grossteil gebannt, da sich die Niederschläge zum grössten Teil auf die Kantone TI, GR und den Süden von SG konzentrieren dürften (WRF 2 km, 0z). GFS und WRF-ARW ebenfalls mit dieser Verteilung. Der Rest des Landes erhält 5 - 20, punktuell bis 30 mm, also durchaus verkraftbar.

Die modellierten Summen im Tessin sind aber nicht ohne, 100 - 200 mm! :shock:
Wetterfanatisch mit Leib und Seele. :)

Matt (Thalwil)

Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Das Randtief schwächt sich auf dem Weg von der franz. Atlantikküste bis zur Schweiz nun stärker ab, als in früheren Modellläufen prognostiziert. Damit dürften die Gradientwinde über dem Jura und der Nordschweiz weniger heftig ausfallen.

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Niederschlagssummen:
Wie Rontaler oben bemerkt, sind die NS in den meisten Gebieten der Schweiz unkritisch. Heikel wird es dort wo 24h-Summen in die Hochalpen gelangen, z.B. Mittelbünden, Nordbünden oder im Engadin. Im Gegensatz zum Alpensüdhang sind diese Gebiete nicht so tolerant gegenüber Starkniederschlägen. Nach EZ und UKMO soll der Hauptniederschlag südlich der Schweiz niedergehen, GFS zeigt weiterhin viel NS in den genannten Gebieten. Anhand der mit den jeweiligen Randdaten angetriebenen WRF-Modelle sieht es so aus:

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Jeweils 24h-NS bis DO 00Z

Wind
Beim Aufzug des Randtiefs wird es eine kurze Föhnphase geben (Südost, Bernina-/Oberhalbstein-Föhn), danach wird mit der Front eine kräftige Druckwelle von West nach Ost über die Alpennordseite rollen (siehe Karte). In den Alpentälern wird diese heftig ausfallen (siehe Fabienne's Post). Erwarte die höchsten Windspitzen genau während dieser Situation.

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Gruess, Matt

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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Merci Matt für den update, den ich inhaltlich 100% genauso sehe, ergänzend hierzu noch COSMO-Chärtli:
ECMWF hat die Position der PV Anomalien und damit die Genese qualitativ gut im Griff ...

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... und lässt sie nach wie vor knapp nördlich der CH durchschwenken und abtropfen ... 00UTC
12UTC.

Das Boden-Randtief bzw. der Trog (nur Ansatzweise abgeschlossenes Tief) drunter zieht zwischen 12 und 15 UTC von NW-Frankreich nach BaWü ...

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... und mit ihm das Windfeld mit rund 40KT auf der 850hPa Fläche ...

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COSMO-2 gibt Böenspitzen von gut 40KT im Jura und am Juranordfuss, vereinzelt auch in den Voralpen und im Flachland.
Der Regen, der im Vorfeld fällt ist vielleicht nicht optimal, stabilisiert in den Niederungen bodennah, so dass der Höhenwind
nicht gut runtergreifen kann, dazu fehlt auch die Labilität auf der Rückseite. Druckanstieg auch in der NW-CH am ausgeprägtesten.

Spannend wahrscheinlich viel mehr die Gewitterregen im Süden, die nach Graubünden übergreifen, hier die 12h Summen:

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Gruss Marco
-------_/)----

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Federwolke
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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Federwolke »

Für ein Sturmereignis ist das tageszeitliche Timing bei uns - um es salopp auszudrücken - suboptimal. Die Musi spuit einmal mehr in Österreich, wo der Südostföhn bis zum Nachmittag durchgreifen kann und dann eine Druckwelle weit (!) vor der Gewitterlinie durchrauscht:

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Ich war immer sehr beeindruckt wenn in Wien aus praktisch heiterem Himmel 100er Böen reinkrachten und dann erst so eine Stunde später die Gewitter angetanzt kamen - oder auch nur müdes Getröpfel, weil sich die Front vorher zweitgeteilt hat, wie auch für morgen Abend berechnet:


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Zuletzt geändert von Federwolke am Di 12. Aug 2014, 11:52, insgesamt 1-mal geändert.

Matt (Thalwil)

Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Kurze Randbemerkung zum Wind, speziell dem Anteils des Isallobarischeren Windes:

Die Vorwärtsgeschwindigkeit eines Tiefdrucksystems führt zu einer einer Zusatzwindkomponente ins Druckfallgebiet hinein (isallobarischer Wind). Je stärker die Vorwärtsgeschwindigkeit des System, desto grösser der Beitrag des isallobarischen Windes. Grob geschätzt bewegt sich das Tief mit etwa 60 - 70 km/h vorwärts (gemessen auf der 500hPa Karte, zwischen MI 06Z und 12Z). Dies ist deutlich weniger als die über 100 km/h, welche z.B. für Sturm Lothar 1999 verzeichnet wurde. Allerdings gab es schon Winterstürme (mit Schäden) mit deutlich tieferer Zuggeschwindigkeit. Nicht vergessen darf man der Einfluss von Niederschlag (Kaltluftsee) und Orographie auf das Windfeld. Zu Recht wurde oben auf die ziemlich labil geschichtete Atmosphäre hingewiesen, welche das Heruntermischen des Windes auf Bodenhöhe bremst. Diese Konstellation dürfte den Wind auf schadenfreie Geschwindigkeiten limitieren.

Ich erwarte die stärksten Windböen zwischen 15Z und 18Z (Ostschweiz und Bodensee zwischen 18Z und 21Z), mit Spitzen von rund 70 km/h im Flachland und 90 km/h in exponierten Lagen (Basler/Aargauer Jura bis Seerücken). Und ja, die Lage ist noch immer unsicher, da bei einem so kleinräumigen System schon Abweichungen von ein paar Kilometern eine Rolle spielen.

Hier noch zwei Karten zum Ablauf der Drucktendenzen (Isallobaren = Linien gleicher Drucktendenz):

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JonasF
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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von JonasF »

Zu Recht wurde oben auf die ziemlich labil geschichtete Atmosphäre hingewiesen, welche das Heruntermischen des Windes auf Bodenhöhe bremst. Diese Konstellation dürfte den Wind auf schadenfreie Geschwindigkeiten limitieren.
Hallo Matt
Das verstehe ich nicht. Wenn die Atmosphäre labil geschichtet ist, dann mischt der Wind doch besser runter!
Bei einem Warmfrontaufzug bemerkt man im Kaltluftsee den Wind ja sozusagen nicht.
Bitte erkläre uns, wie du das meinst.
Danke und Gruss
Jonas
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Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Federwolke »

Wahrscheinlich wollte Matt "stabil" schreiben. Davon sind wir jedenfalls in den vorherigen Postings ausgegangen, nämlich dass das tageszeitliche Timing gleichzeitig mit warmaktiver Phase ungünstig für Durchmischung ist. Nach den neusten Karten stellt sich aber auf der Rückseite kurzzeitig eine labile Phase ein. Am späteren Nachmittag zieht der höhenkalte Kern rückseitig der Kaltfront knapp nördlich der Schweiz vorbei. Das könnte ganz nette Aufhellungen geben, allerdings auch Schauer, wo der Höhenwind dann böig heruntergemischt wird. Mit dem Kanalisierungseffekt zwischen Jura und Schwarzald kann ich mir am Hochrhein ordentliche Sturmböen vorstellen, aber wahrscheinlich ein regional begrenztes Phänomen.
Zuletzt geändert von Federwolke am Mi 13. Aug 2014, 00:43, insgesamt 1-mal geändert.

Matt (Thalwil)

Re: FCST: Randtief/Starkniederschläge/Sturm 13.08.2014

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Sorry. Klassischer Verschreiber :oops: : Grundsätzlich natürlich STABIL, beim Durchzug des Höhentiefs - wie von Fabienne geschrieben - etwas weniger stark ausgeprägt.

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