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FCST/NCST: Gewitter/Starkregen 20.-22.07.2014

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Tinu (Männedorf)
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FCST/NCST: Gewitter/Starkregen 20.-22.07.2014

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Die Wetterlage vom Wochenende und von Anfang kommender Woche rückt nun auch synoptisch allmählich in Griffweite. Es macht daher meines Erachtens Sinn, wenn wir diesbezüglich einen separaten Forecast-Thread eröffnen.

Generell muss ich sagen, dass mir das Ganze speziell bezüglich der zu erwartenden Niederschläge (Schwerpunkt, Summe, Dauer) nach wie vor Rätsel aufgibt. Vielleicht können wir uns aber hier etwas vertiefter mit dem Ganzen befassen und so etwas Licht in die zu erwartenden Geschehnisse bringen.

Erstmal zum eigentlichen Grund des Ganzen: Dem Regen.

GFS und EZ pendeln sich punkto Niederschlagsschwerpunkt allmählich auf die Region Vorarlberg/Tirol/Bayern ein, wobei dort zwischen Sonntag und Dienstagabend Summen um 200 mm modelliert werden. Ebenfalls gut bedient wird (im Modell) die Nordostschweiz, wobei die Summen dort plusminus um 100 mm liegen. Angesichts der trocken-heissen Tage, die nun anstehen, und welche den Böden ordentlich Feuchtigkeit entziehen dürften, erscheint mir das zumindest verkraftbar (sicher verkraftbarer als 200 mm...):
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Die Lage ist "tricky". Weshalb? Im Prinzip lässt sich Mitteleuropa (im erweiterten Sinn) ab Anfang kommender Woche zweiteilen: Über Nordeuropa haben wir ein umfangreiches Bodenhoch, das bis hinein nach Nord- und Ostdeutschland für stabile Verhältnisse sorgen dürfte. Im Westen liegt hingegen ein Langwellentrog:
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Dieser tropft im Verlauf des Sonntags über der Biscaya/Frankreich ab und zieht in der Folge Richtung Alpen/Norditalien. Im Verlauf des Sonntags endet daher die kleine Hitzewelle, die wir Freitag und Samstag erleben dürften. Wie dieses Ende von statten gehen wird, ist noch offen. Das Potenzial für schwere Gewitter ist definitiv vorhanden. Wie und wo es jedoch zu starken konvektiven Umlagerungen kommen wird ist bezogen auf die Schweiz meines Erachtens eher unsicher. Primär würde ich heftigere Gewitter eher im Nordwesten ansiedeln. Im Osten tendiere ich eher zu einem - bezogen auf Gewitter - unspektakuläreren Ablauf. Einerseits gibt es da den Föhn als Spielverderber, andererseits ist das wieder eine dieser Wetterlagen, bei denen das Potenzial durch einen „Windblast“ aus Westen (ausgelöst durch den Druckunterschied/das bodennahe Hereinstürzen kühlerer Luftmassen vom Jura ins Mittelland) bei uns im Osten von vornherein abgebaut wird.
Föhnprognose:
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GFS wie EZ markieren von Sonntag auf Montag im Rahmen des Luftmassenwechselns bereits kräftige Niederschläge. Allerdings steckt da wie gesagt viel konvektiver Charakter drin. Will heissen: Was es an einem Ort kübeln kann wie blöd, kann an einem anderen Ort eher plätschernd ablaufen.

Anfang nächster Woche zieht das Höhentief aus Westen wie bereits erwähnt Richtung Italien/Adria. Es entsteht eine Tiefdruckrinne, die im Prinzip vom Balkan bis nach Frankreich reicht:
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Während im Norden also (noch) hoher Luftdruck und stabile Luftmassen für Ruhe sorgen, wabert in der besagten Tiefdruckrinne eine warm-labile Luftmasse herum, in der es immer wieder zu konvektiv-verstärkten Niederschlägen kommen kann. Auf Dienstag bildet sich dann aus dem Ex-Frankreichtrog ein eigenständiges Höhentief. Hier kommt nun wieder jene Dynamik ins Spiel, die wir in ähnlicher Form bereits vor einer Woche hatten. Das Tief schaufelt im Gegenuhrzeigersinn feuchtwarme und labile Luftmassen um sein Zentrum herum. Die Strömung (850 hpa-Wind) dreht von Südwest (am Sonntag) über Nordwest (am Montag) auf Nordost (am Dienstag). Dadurch drohen also konvektiv durchsetzte Niederschläge, die durch den Voralpenstau zusätzlich an Intensität gewinnen können:
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Eine gewisse Entspannung deutet sich dann zum Mittwoch hin an: Von Südwesteuropa her baut sich ein neuerlicher Keil auf. Dadurch wird die Tiefdruckrinne (hoffentlich) mitsamt ihrer unwetterträchtigen Luftmasse nach Nordosten abgeschoben und die Norddeutschen werden auch mal nass...
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Interessant dünkt mich, dass die Lage zwar Unwetterpotenzial hat, jedoch nicht überall für gleich viel Aufregung sorgt. So betrachten die Profis beim DWL die Sache in ihrem Ausblick eher nüchtern:
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Im Kurzfristzeitraum bis einschließlich Samstag nimmt die Hitzebelastung von Südwesten her allmählich zu, während sich die Gewitterneigung zunächst noch sehr
in Grenzen hält. Das ändert sich zum Sonntag hin, wenn wir mehr und mehr auf die Trogvorderseite gelangen und mit Ausnahme des Nordostens potenziell instabile Subtropikluft
advehiert wird. Dabei sind konvektive Prozesse bis in den Unwetterbereich wahrscheinlich, was sich allein aus den synoptischen Rahmenbedingungen, aber
auch anhand der EPS-Prognosen ableiten lässt. Gleiches gilt vor allem für die Südhälfte auch noch für den Montag, wo sich allerdings eine Entspannung auf dem
thermischen Sektor andeutet. Für den weiteren Verlauf der Woche liefern die EPS-Wahrscheinlichkeiten von ECMF schwache und eher heterogen verteilte Signale für erhöhte Regenmengen, die im
Wesentlichen konvektiv geprägt sein dürften. Hinzu kommen geringe Wahrscheinlichkeiten für das Überschreiten von Windstärke 8 Bft im äußersten
Norden und Nordosten in der ersten Wochenhälfte (Hochrandlage, evtl. supergeostrophischer Nordostwind).
Zusammengefasst lässt sich sagen: Auf die Gewitter am Sonntag folgt eine vermutlich kurze, aber potenziell heftige, konvektiv durchsetzte Niederschlagsphase, die am Voralpenrand durch Staueffekte verstärkt wird. Diese wird aber – nach derzeitigem Stand - wohl eher die Regionen knapp östlich der Schweiz (Vorarlberg, Tirol, Bayern) betreffen. Zudem sind die derzeit in den Modellen abgebildeten Niederschlagsmengen nach wie vor mit Vorsicht zu interpretieren, da der Charakter (konvektiv/stratiform, Staueffekte) wie auch die genaue Lokalisation noch unsicher sind. Die gross aufgelösten Modelle tendieren zudem dazu, konvektive NS-Ereignisse nur sehr grob und undifferenziert abzubilden. Sprich: Ob das dann wirklich so runterkommt, wie es jetzt in den Karten steht, ist unsicher.

Soweit mein Überblick.

PS: Da ich Laie bin darf ich mir Fehleinschätzungen im Gegensatz zu den Profis - die da eindeutig eine schwierige Aufgabe vor sich haben - erlauben. Wer Fehler findet, darf sie behalten :-D
Zuletzt geändert von Federwolke am Mi 23. Jul 2014, 20:58, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Datumsformat im Titel normiert
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Tinu (Männedorf)
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Tja, der neue GFS-Lauf haut mal kurz alles auf den Kopf und verlagert den Niederschlagsschwerpunkt locker um 300 Kilometer nach Westen. Was für eine Wetterlage :roll:
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Dani (Niederurnen)
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Dani (Niederurnen) »

Hier noch ein Beitrag von Stefan Hörmann zur gleichen Thematik: http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... 92#p171999

Gruss Dani
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Dani (Niederurnen)
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Dani (Niederurnen) »

Hallo zusammen,

Frage meinerseits: Wie wird dieses Gebilde welches am Sonntag auf den 700 hpa Windkarten gezeigt wird bezeichnet?

- Korrespondiert mit dem Punkt wo das Modell die grössten Niederschlagsmengen rechnet (MCS?)
- Passt aber nicht zur Position des Bodentiefs welches weiter östlich gerechnet wird

Karte:

Bild

Quelle: http://www.wetterzentrale.de

Ist dies nun ein simples Höhentief oder eine Erscheinung die bloss durch die gerechnete Gewitterzelle entsteht?

Gruss Dani
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Tinu (Männedorf)
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

@Dani: Ich würde sagen das ist die durchschwenkende Trogachse. Schau dir mal die 500hpa-Karte an: Etwa zu diesem Zeitpunkt findest du da eine schöne -10 Grad-Isotherme (Linie gleicher Temperatur) genau über Bawü. Will heissen: Höhenkaltluft, die Hebungsprozesse indiziert.

Dazu passend der Trogdurchgang im 300hpa-Druckfeld (dilettantisch eingzeichnet, ich weiss...):
Bild
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Do 17. Jul 2014, 21:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Federwolke »

Es ist - ganz einfach - ein abgeschnürtes Höhentief, auch CutOff genannt. Das mit der Trogachse stimmt schon, sie setzt sich schön sichtbar auf Danis Karte über Holland bis in die Nordsee und dann weiter nach Schottland fort. Bodentiefs bilden sich bevorzugt auf der Trogvorderseite, wo sich der JetStream auffächert, daher ist es leicht östlich versetzt zum Höhentiefzentrum.

Ich verweise bei dieser Gelegenheit gerne wieder mal auf die Wetterkarten-FAQ:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... karten+FAQ

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Tinu (Männedorf)
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

GFS hat in den jüngsten Läufen etwas den Fuss vom Gaspedal genommen was die Niederschlagssummen angeht:
Bild

Maximalwerte bis kommendem Mittwoch also "nur" noch um 150 mm.

Zudem verlagert das Modell den Schwerpunkt nun bereits seit gestern Abend eher nach Westen, d.h. in die West/Nordwestschweiz und nach Baden-Württemberg.

Wirklich treffliche Gründe dafür finde ich derzeit keine, resp. das übersteigt meinen synoptischen Horizont. Ich meine aber zu erkennen, dass GFS das Biskaya-Höhentief minimal westlicher nach Norditalien abtropfen lässt, als noch die Vorgängerläufe. Der ganze Komplex kommt dadurch letztlich leicht westlicher zu liegen, als in den vorhergehenden Läufen. Eine kleine Änderung, die aber durchaus erheblichen Einfluss auf Stärke und geografischen Schwerpunkt der Niederschläge haben kann.

Mal sehen, ob sich die leichte Entspannungstendenz fortsetzt, oder obs wieder zur Trendumkehr kommt. Möglich ist beides.
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Fr 18. Jul 2014, 11:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Thomas Jordi (ZH) »

Es wird nass im Laufe des Sonntags und am Montag. Hier das neue HRES und GFS als vergleich. 48h-Summen:
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Die SBB können den Streckenunterbruch bei Flamatt jetzt schon melden.

Pit0711
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von Pit0711 »


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pasischuan
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Re: FORECAST: Gewitter/Starkregen 20. bis 22. Juli

Beitrag von pasischuan »

Hallo zämä

Sieht aus, als dürften wir in Thun unsere Regenschirme ordentlichen belastungstests aussetzen.. Immerhin hatte der Gurten dieses Jahr glück mit Traumwetter..zumindest bis sonntag.

Immerhin konnte der See nun wieder auf fast normal gesenkt werden..gibt wohl wieder ein schönes auf und ab...hoffentlich nicht zuviel auf..

Gruess und schöne abe

Stefan
Thun, Allmendingen (BE), 580 m.ü.M.

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