hier sein Originalbericht via mail an Andi Hostettler:
Die Firma Computechnic AG betreibt eine hochwertige Kamera (Hersteller Seitz) am Rorschacherberg mit frei zugänglichem online Archiv.From: Lumpert Frank
Sent: Dienstag, 29. Mai 2012 08:07
To: Hostettler Andreas
Cc: Lumpert Frank
Subject: Tromben in Bodenseeregion am 27.5. morgens?
Hoi Andi
Am Pfingstsonntag ca. 09:45 im Bahnhof Siegershausen (Weinfelden nach Konstanz auf dem höchsten Punkt des Seerückens)
Blickrichtung Ost zwei transparente senkrechte Luftschläuche beobachtet. Der grössere erreichte fast die Dicke des Unterarmes
auf ausgestrechten Arm. Der zweite Luftschlauch viel dünner und nicht bis auch den Boden reichend.
Auffallend die grosse transparenz der Dinger, die gigantischen Ausmasse des grösseren Luftschlauches und das Gewitterwolken gänzlich
fehlten. Auffallend auch die sehr stationäre Position des grösseren Luftschlauches. Es hatte ca 4/8 AC Dichte 1 häufchenartig.
Für ein Foto kam ich zu spät, da waren beide schon verschwunden, Hatte im Bahnhof, im Zug eine sehr schlechte Position.
Bisher hab ich ausser Staubteufeln noch keine echten Tromben gesehen. Waren Tromben am Pfingstsonntag in der Bodenseeregion möglich?
Dies zu Deiner Info. Hab noch einen schönen Tag.
Gruss Frank
Bei genauer Analyse der Archivbilder findet man mehrere Bilder mit einem sichtbaren feinen Schlauch in Blickrichtung West, was mit Franks
Beobachtung gut übereinstimmt. Eine Diskrepanz hingegen besteht bzgl. der Beobachtungszeit: das Ereignis ist in den Kamerabildern 0730am
bis 0750am sichtbar (evtl. UTC???), Frank hingegen spricht von "ca. 09:45". Ich habe mit ihm zusammen die Bilder gesichtet und er hat selbst
zielsicher auf das Archivbild 0740am geclickt, ich gehe momentan davon aus, dass sein "ca." grosszügig zu interpretieren ist. Wenn man ganz
genau hinschaut kann man auf dem Bild in Bodennähe auch zwei Schläuche erkennen: einen filigranen dünnen, und einen etwas fetteren,
was das Vertrauen in das Beobachtungsmaterial stärkt.
Sicher können die Photoshop Spezialisten unter uns Forumianer mit Kontrastverstärkung das Phänomen noch besser hervorheben.
Wir haben mehrere frühere und spätere Bilder genau angeschaut und finden a) der Schlauch ist auch kurz vorher und nacher sichtbar,
erwartungsgemäss mit leicht veränderter Dimension und Position, und b) die Kamera macht ansonsten an dieser Stelle einwandfrei "saubere" Bilder,
so dass man von einer Verschmutzung oder von einem Effekt beim Zusammensetzen des Bildes wohl absehen kann.
Der Schlauch scheint genau auf einer Linie zwischen Franks Beobachtungsstandort Bahnhof Siegershausen und dem Kamerastandort
Rorschacherberg zu sein, was eine exakte Peilung schwierig macht. Ich hoffe, dass sich auf Grund dieses Posts vielleicht noch eine
weitere Meldung aus drittem Blickwinkel ergibt. Im Kamerabild ist am Horizont der Ottenberg bei Weinfelden erkennbar, der Schlauch
selber befindet sich etwas links davon. Blick auf die Karte suggeriert daher das Dreieck Bischofszell-Romanshorn-Rorschach als
vermutlich Lokalität für dieses (vermutlich Intensität F0) Ereignis, gemäss Frank war die Hose weit weg, das klimatologisch typische
Gebiet für Auftreten liegt ja sonst eher in Richtung Bodensee.
Die Wetterlage war charakterisiert durch einen Sekundärtrog, der von Norden her über die Alpen schwenkte, ich habe damals mit Fokus
auf konvektive Niederschläge im Westen die Situation beschrieben. In einer Anfangsphase war der Himmel getrübt durch ausgedehnte Schichtbewölkung,
dazu gesellten sich aber durchaus auch konvektive Wolkenstrukturen unterhalb des Deckels (Nachfrage bei Frank, er bestätigte Ac).
In der boundary layer, und das darf als atypisch für Hosen-Wetterlagen bezeichnet werden, war die Atmosphäre ausgesprochen trocken.
Die Vertikalstruktur sei mit folgendem screenshot dokumentiert: dargestellt sind von links nach rechts AMDARs zweier Flugzeuge in Basel,
dann die Radiosonden Stuttgart und München, jeweils 00 UTC in grün und 12 UTC in schwarz:
Die trockenen tiefen Schichten < 750 hPa kann man fast als well mixed charaktisieren, zwischen etwa 750 und 500 hPa herrschen
leicht stabilere ( ~ neutral bzgl. feuchtadiabatischem Aufstieg) aber auch feuchtere Verhältnisse, passend zu den Ac und Schichtwolken
in höheren Niveaux gemäss Beobachtung und Foto. In der trockenen, tiefen Schicht herrschte schwacher bis mäsisger Wind aus E-NE.
Am Boden herrschten sehr schwache Winde, Sonne wurde keine registriert, die SYNOP und METAR Meldungen bestätigen die oben
angesprochenen ausgedehnten Wolkenschichten. Bemerkenswert sind die Windverhältnisse auf den Gipfelstationen: Feldberg 20 KT Bise,
Titlis/Pilatus/Säntis/Crap Masegn/Weissfluhjoch <20 KT aus Sektor West: Bodenbeobachtungen/-messungen 20120527 06 UTC
Die Windprofiler- und Radiometermessungen in Schaffhausen zeigen ebenfalls die gut etablierte, mässige Bisenströmung in der Nordostschweiz,
sowie die anhaltende Abkühlung in den höheren Luftschichten als Folge der Hebungsprozesse im Vorfeld des nahenden Troges / PV-Maximums:
Schaffhausen 20120527 Windprofiler Radiometer
Ich konnte gestern gerade noch die letzten COSMO-7 plots der Windfelder aus dem rotierenden Archiv retten, bevor sie verschwinden
und aufwändig neu generiert werden müssen. Diese sind sehr aufschlussreich und geben Hinweise auf den mutmasslichen Bildungsprozess
der Hose (landspout): nachfolgend zwei Darstellungen der modellierten Windfelder auf Flight Levels 050 unten / 080 oben (etwa 1500m/2000m)
zu den Terminen 03 und 06 UTC oben, 09 und 12 UTC unten.
Was die Punktbeobachtungen andeuten, wird in der Fläche ersichtlich: Die Bise arbeitete sich über das Flachland von N nach S hervor,
am Morgen herrschte am Alpenrand eine stagnierende Luftmasse mit schwächerer Strömung aus West. Der Grenzbereich zwischen
diesen beiden Windregime dürfte in Realität sehr viel schärfer sein, als die paar wenigen hier dargestellten Gitterpunkte des Modells,
das numerisch bedingt sowie so eine Tendenz zur Glättung (Diffusion) von starken Gradienten hat. Dass vermutlich eine vertikal ausgedehnte
und möglicherweise eng begrenzte Schicht mit starker horizontaler Windscherung vorhanden war, deuten auch die webcam-Bilder an:
am Wellenbild auf dem Bodensee z.B. um 0730am ist der Grenzbereich zwischen Bise und ruhiger Luft am Alpenrand scharf gekennzeichnet.
Daher könnte das konzeptionelle (und theoretisch-numerisch realitätsnah nachvollziehbare/simulierbare) Modell "shear instability" als
Erklärungsansatz herhalten, wie schön in Markowski/Richardson 2010 auseinanderdividiert.
Ich hoffe, dass sich weitere Personen melden, die das Phänomen beobachteten und somit verifizieren können. Vielleicht können
die Hosen-Spezialisten unter euch hier noch weiteren input liefern, wenn ihr das Datenmaterial studiert.
Eine weitere Randbemerkung: am Pfingstmontag 28.05.2012 wurde vom Gleitschirmpiloten Roland Mäder im Sustengebiet eine weitere
Hosenbeobachtung gemacht, Quelle: www.xcontest.org
Gruss Marco