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FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Cyrill
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FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Cyrill »

Hoi zäme

Es ist so verdächtig ruhig, im Forum, in bezug auf das (Wetter)-Wochenende. Doch auch Estofex und Keraunos haben noch keine Bulletins draussen.... Ruhe vor dem Sturm?

Doch im Wetterkanal von Peter Wick, bzw. auf seinen Grafiken und beim DWD sind Blitze (also Gewitter) angesagt.

Tja, ich bin am üben; und so versuche ich mich mal an einer Wetterlage, die mir nicht so vertraut ist. Zudem habe ich bis dato mir mal nur grob einen Überblick verschafft, finde aber die Situation recht spannend.

Wie immer, gehe ich mal vorerst von den GFS-Daten aus:
In den letzten Stunden lässt sich die Auflösung des Höhentiefs über den Britischen Inseln (vgl. 07.07.2011) verfolgen. Die ohnehin schon flache Austrogung zerfällt. D.h. die etwas orientierungslos gewordenen Rossby-Wellen "flattern" (sorry den Ausdruck) so ein wenig über Nordeuropa und werden eigentlich nur durch einen sehr stabilen Rücken (Höhenrücken) über Skandinavien an der Wanderung nach Osten gehindert. Dieser Höhenrücken klar positioniert, durch ein quasistationäres cut-off-low über Russland.

Interessant ist eine beginnende Austrogung ab Sonntag 12z über dem Golf von Biskaya, wobei kein eigentliches Tiefdruckzentrum zu erkennen ist. Eine eigentümlich langgezogene Trogachse verläuft von der Küste Portugals über Island und scheint die Anbindung an ein arktisches Tief anzuzeigen. Dies soviel zur Entwicklung und Situation ab Sonntag und für die folgenden Tage.

Bleiben wir noch etwas beim heutigen Samstag. Ein relativ kräftiges Azorenhoch (Bodenhoch) um die 1025 hPa greift für einmal nicht nach Osten, sondern nach Norden (bzw. NNO) aus, das ganze Gebiet über die Bretagne hinauf über Irland bis nach Island einnehmend. Durch die Abwanderung eines Bodentiefs über der Nordsee nach Norden, entsteht über dem gesamten europäischen Kontinent eine sehr flache Druckverteilung.

Ein sehr schwacher Bodenhochkeil (2 hPa Druckdifferenz) schiebt sich langsam nach Osten vor und ist (meiner Meinung nach ) einer der drei Hauptfaktoren beim Wettergeschehen. Faktor Nr. 2, die flache Austrogung des verschwindenden Höhentiefs, ist aber immer noch verantwortlich für den trogvorderseitigen Transport von Warmluft aus WSW und den damit verbundenen Feuchteinschüben auf 700 hPa. Diese treten aber (und dies scheint mir entscheidend) nur zeitweise und wellenartig auf.

Der dritte Faktor ist eine fast stehende Front (ähnlich, wie wir sie letzthin bereits einmal hatten), quer liegend über ganz Europa, angehängt an eine Okklusion, welche mit dem nördlichen Höhenrücken über Skandinavien verbunden ist.

Fazit: Kein eigentlicher Frontdurchgang, kein durchschwenkender Trog, keinen ausgeprägten Höhenkeil, zwar WLA, aber manchmal eher trockene Kontinentalluft, keinen Höhenkaltlufteinbruch... und trotzdem sind Gewitter angesagt?
Die KF mit Warmfrontsektor liegt über Süddeutschland in West-Ost-Richtung, eigentlich parallel zur schwach ausgeprägten Hochdruckbrücke.
Die Tages-Tmax sind mit 26-28° Grad Celsius doch ziemlich ansehnlich und die Taupunkte um die 20° Grad Celsius recht vielversprechend (Nordostschweiz).
Doch keine der Vertikalbewegungsparameter spricht deutlich an. Wo liegt hier die Lösung?

Ein Versuch: Am Morgen bis gg. Mittag hält sich der Föhn, der noch bis in den Nachmittag hinein für eher leichte Bewölkung sorgt. Die Sonne heizt kräftig ein. Im Tagesverleif steigt der Druck (Hochdruckinsel) langsam auf 1020 hPa an, ansich gekoppelt an das Azorenhoch. Eine Störung nähert sich von NW, löst sich aber allmählich auf. Nordwestwind setzt ein (steuerndes Bodenhoch); wechselnde Bewölkung.
Gg. Abend aus SW einen Feuchteeinschub auf 700 hPa. In den zentralen und östlichen Voralpen entstehen lokale und nur vereinzelte Wärmegewitter, wie sie nach meiner Erinnerung in den 60er- und 70er-Jahren vermehrt vorkamen.
Sie sind zwar sehr fotogen, aber schätzungsweise schwer zu chasen....

Was meint ihr? (Kartenmaterial und Update morgen...)

Gruss Cyrill

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Willi
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Re: FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Willi »

In den zentralen und östlichen Voralpen entstehen lokale und nur vereinzelte Wärmegewitter, wie sie nach meiner Erinnerung in den 60er- und 70er-Jahren vermehrt vorkamen.
Hoi Cyrill

Ja, die Wetterlage erinnert mich an den 7.-11.7.1975, als eine Serie von Voralpengewittern vor allem die Region Napf-Pilatus heimsuchten. Das damalige LAPETH chaste die Gewitter mit extra hergerichteten Hagel-Fahrzeugen und kühlte eingefangene Hagelkörner mit Trockeneis. Ich hab noch die 500hPa Karten im Kopf, die zeigten eine mässige SW-Höhenströmung, ohne klaren Trogdurchgänge, etwa so wie jetzt. Müsste wohl wieder mal einen Gang in den Keller machen...

Gruss Willi
Gruss Willi
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Goldi (Thun)
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Re: FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Goldi (Thun) »

Merci für den Einstieg ins Thema.

Als ich heute die Wolken beobachtet habe war mir klar, dass es hier heute noch Gewitter geben wird. Es hatte diverse "Gewitterzeiger", beispielsweise aufgestängelte Cumuli, die es viel zu schnell hinauf schlürft.

Was die Prognosen mittelfristig erschweren dürfte ist die Katla. Ich erwarte innert den nächsten 7 Tagen einen Ausbruchs dieses isländischen Vulkans.
Falls meine Vulkanprognose nicht eintrifft möge man mich verspotten, ansonsten sind aber meine Füsse zu küssen.
:mrgreen:

Goldi
Wolkengucker

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Re: FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Ben (BaWü) »

Auch die Fexler sehen die Schweiz gewittrig!

Bild

Quelle: http://www.estofex.org

Ich zitiere sie mal:

"Alps and vicinity...

A shortwave trough over the Bay of Biscay is expected to move northeastward during the day. Ascent ahead of the system should overspread the Alps during the afternoon and will aid the development of convective storms. MLCAPE values of around 1000 J/kg are expected to develop north of the mountains, and up to 2000 J/kg in the Po Valley. The combination with moderate, about 15-20 m/s 0-6 km bulk shear, suggests that storms may locally obtain rotating updrafts in addition to a few well-organized multicells. Therefore, a couple of large hail events appear possible."

Also Superzellen/Multizellen? klingt gut :) Bin aber heute leider definitiv zu weit nördlich :(

Greez
Ben
Zuletzt geändert von Ben (BaWü) am Sa 9. Jul 2011, 11:59, insgesamt 2-mal geändert.
http://sturmjagd.wordpress.com/
Wetterfotografie in Süddeutschland

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Klipsi
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Re: FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Klipsi »

MeteoSchweiz hat soeben die Deutschschweiz wieder unter Risiko 3 gelegt :


http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... ahren.html
Zuletzt geändert von Klipsi am Sa 9. Jul 2011, 12:58, insgesamt 1-mal geändert.
Klipsi http://www.klipsi.com
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( no cirrus found )

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Cyrill
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Re: FCAST, Gewitter 09.-10.07.2011

Beitrag von Cyrill »

@ Chicken3egg and all

Habe soeben für solche Meldungen einen Nowcast-Thread eröffnet. Speziell heute könnten solche Meldungen wichtig sein, weil die lokalen, d.h. regionalen Unterschiede gross sein werden...

@ Klipsi
Danke für den Hinweis. Ich traue der Sache noch nicht so.... Vor- und Inneralpin in Richtung Ostschweiz einverstanden - quasi alles was östlich des sich aufwölbenden Bodenhochs (Hochdruckinsel) befindet. Zentral- und Ostösterreich bekommt hingegen in der Nacht (kleines Randtief noch in der Nähe) vermutlich den grossen "Chlapf" ab.
Doch heute sind u.a. die CIN-Werte nicht zu unterschätzen....

@ Ben (BaWü)
Danke für den Post. Estofex, nach meiner Meinung, mit Lvl 1, gar etwas optimistisch. Gewisse Forecaster bei Estofex setzen hingegen auch mal ein Lvl 1, wenn "nur" wenig Gewitter, aber dafür einzelne sehr starke in Aussicht sind; dies erklärterweise wegen des Grosshagels.
Wie erwähnt rechne ich nur mit vereinzelten Zellen, die aber, kammseitig auslösend, jeweils im Lee für Starkregen und/oder Hagel sorgen.
Mir sind die CIN-Werte am Bodensee einfach etwas zu hoch; überlege mir so Richtung Bayern, Ammersee zu fahren...

@ Willi
Ich weiss, Du hast da ja noch einige "Schätze" im Keller! Meine Kühlbox ist jedenfalls on board :mrgreen:
Einen Vergleich mit dem Juli 1975 wäre sehr interessant.

@ Goldi
Ich nehm Dich beim Wort, hehe :-D Du weisst ja: Thun>Pizza :mrgreen: Aber sicher, das Risiko ist's wert...., wenn Du Dir so sicher bist ?!

@all

Paar Kärtchen:
Höhentief heute morgen noch vorhanden (Bild 1) - Höhentief hat sich aufgelöst (Bild 2)

Bild
Bild

Immerhin an der Frontalzone eine leichte Abweichung zu Qn, was so gesehen zu einer verwellenden KF, oder zum Übergang von Warmfront- zu Kaltfrontabschnitt passen würde.
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Hochdruckinsel, welche zu einer ostwärts gerichtete und sehr flache Hochdruckbrücke gehört; Forcing natürlich vorderseitig und infolge der Erhöhung des kerndrucks auch Abnahme der Gewitterwahrscheinlichkeit.
Bild

Gruss Cyrill

Edit: Ouups, ganz vergessen....
Aktuelles Sat-Bild für's Archiv:
Bild
Zuletzt geändert von Cyrill am Sa 9. Jul 2011, 13:53, insgesamt 1-mal geändert.

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