FORECAST 17.12.09, 18z, Gewitter Italien/Mittelmeer (TR?)

[Cyrill]

Gewitterlagen im Sommer sind mir inzwischen schon ziemlich vertraut. Doch ich möchte auch lernen in den Wintermonaten die Karten richtig zu deuten. Beim Studium ist mir eine äusserst interessante Grosswetterlage aufgefallen und ich frage mich, ob es sich bei diesem "Korridor" aus einer Reihe von Tiefdruckgebieten über dem Süden von Europa am 17.12.09 um eine selten so nördlich anzutreffende Tiefdruckrinne von den Azoren bis weit nach Osten handelt.
Auffallend ist nicht nur ein sehr breites Jet-Band (300 hPa Divergenz) quer über das Mittelmeer, sondern auch ein extremes Temperaturgefälle im Vorfeld (06z) von den nördlich am Rand der Rinne gelegenen Alpen (Südwestösterreich / Engadin) bis ca. 400 km südlich in der italienischen Adria von über 32° Grad Celsius! Diese 850er-Temp.-Profil würde ich ja gerne mal sehen.
Ich sehe allgemein eine West-Südwestströmung feuchter Luftmassen, die perlartig nach Ost-Nordost wandert, die im Zuge einer KF und am Rande des Nordstaus sibirischer kaltluft vorallem in den französischen Südalpen und im Wallis für erhebliche Schneemengen sorgen wird. In diesem Zusammenhang teile ich die Meinung von Uwe / Eschlikon: "Für den nächsten (stärkeren) Kaltluftvorstoss ab Do/Fr kommende Woche setze ich auch ein paar ???. Die Randtiefbildung und die warmen Meerestemperaturen um Europa werden das ganze erneut verwirbeln." im aktuellen Thread "FORECAST: Kälteeinbruch ab Mitte Dezember 2009" Link:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... 2&start=30
So ähnlich siehts auch Andreas Winterthur: "Gut sieht es für den Süden aus, da könnte das kräftige Mittelmeer Tief tatsächlich ein paar Zentimeter, wohl bis in tiefste Lagen, ablagern. Überhaupt das Mittelmeer wieder: in den Randgebieten zur Kaltluft sieht es nach massiven Schneefällen aus". Durch diesen Aufgleiter aus SW ist dies die logische Folge.
Um 18z (17.12.09) rechne ich östlich von Sardinien und an der Küste von Rom, bis hinunter nach Kalabrien mit zum Teil heftigen Gewittern. Die Taupunkte klettern bis auf 12°-14° Grad, odentliche CAPEs von über 1000-1200 J/kg und tiefe CIN-Werte versprechen schon mal ziemlich Potenzial. Die rel. hohe Temperatur des Mittelmeeres und beachtliche Vorticityadvections-Werte dürften als weitere Faktoren durchaus einen entscheidenden Einfluss haben.
Schliesslich kommt ein breites Jet-Band über diese Region zu liegen mit Windgeschwindigkeiten von über 110 Knoten Mich würde nicht verwundern, wenn sich dort einige Wasserhosen oder gar Tornados bilden und Estofex nächsten Dienstag ein Level 2 ausgiebt.

Einige Karten:






Was meint ihr?
Gruss Cyrill

PS: Sehe an diesem Abend für die Nordostschweiz "nur" leichtes Schneegefiesel bei Temps um die 0° bis -2° Grad Celsius.

[Cyrill]

Neuste GFS-Modelle zeichnen das Jet-Band nicht mehr so breit (17.12.09, 18z), dafür etwas stärker.


Da es sich nach Norden hin verlagert, quasi unverändert stark, steigt die Möglichkeit, dass der östliche Bodensee in den "left exit"-Bereich kommt. D.h. erhöhte Wasserhosenwahrscheinlichkeit.


Aber beim Lesen von mir zur Verfügung stehenden Artikeln ist immer deutlicher zu erkennen, dass es sich hier um eine seltene Anomalie handelt. Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit handelt es sich beim Jetband über dem Mittelmeer um den ungewöhnlich in Richtung Nordosten verlagerte STJ (Subtropicjet). Auffallend sind die entlang einer deutlichen Isotropen-Linie aufgereihten Tiefdruckgebiete, welche im N-S Temperaturprofil hervortritt. Die vergleichsweise warme Mittelmeerluft wird nach Nordosten advehiert und es scheint, als hätten wir es hier mit einem sog. "thermal steering effect" zu tun, welcher den Vorstoss der arktischen Luftmassen ziemlich bremsen könnte (was z.Z. auch zu beobachten ist).
Ich finde dies ja fast so spannend, wie eine Gewitterfront im Sommer

Gruss Cyrill

[Federwolke]

Hoi Cyrill

Mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit handelt es sich beim Jetband über dem Mittelmeer um den ungewöhnlich in Richtung Nordosten verlagerte STJ (Subtropicjet).

Man muss kein Profi sein, nur als Interessierter mal scharf überlegen: Welche Jahreszeit haben wir? Welche Luftmassen trennt der Jet? Was für ein Jet macht den schönen Omega-Bogen über dem nördlichen Atlantik (und setzt sich mit kurzem Unterbruch über dem Mittelmeer fort)? Und dann: Was siehst du auf den Karten über der Sahara? Soo selten ist die Lage auch wieder nicht, tritt aber fast ausschliesslich zu dieser Jahreszeit auf.

[URBI]

Hallo

Jetzt habe gerade wieder etwas gelernt .

Beginn der Suche und fündig in diesem Forum

http://www4.wetterspiegel.de/stormchase ... eadID=7904

Zitat:
Nun zur Dynamik des Polarjets: Er entsteht durch starke horizontale Temperaturgegensätze zwischen den
Subtropen und den polaren Breiten (erkennbar auch durch eine steilen Gradienten des Geopotentials in
500hPa). Gewöhnlich ist es so (bei wenigstens mäßig ausgeprägter Westdrift), dass mit den Rossbywellen
(das sind die Berge und Täler im Verlauf des Polarjets) die Höhenkeile und Höhentröge ostwärts wandern.
Verläuft der Polarjet nördlich von mir und ist im Uhrzeigersinn gekrümmt, dann befinde ich mich unter
einem Höhenkeil und habe eher wärmeres und trockenes Wetter zu erwarten. Verläuft der Polarjet
weitgehend zonal (gerade von West nach Ost) und liegt seine Achse in meiner Nähe, so muss ich
insbesondere im Winterhalbjahr mit Sturm rechnen. Ist der Polarjet südlich von mir und entgegen dem
Uhrzeigersinn gekrümmt, dann befinde ich mich im Trog, wo es meist kühler und feuchter ist.

Dann ins Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Jetstream


Dann Raonline
http://www.raonline.ch/pages/edu/cli/strahl01.html



Weiter mit Bild
http://meteorology.lyndonstate.edu/data ... lobjet.gif

http://squall.sfsu.edu/gif/jetstream_norhem_00.gif

Animation:
http://squall.sfsu.edu/scripts/nhemjetstream_model.html

Seite:
http://squall.sfsu.edu/crws/jetstream.html


Grüsse
Urbi

[Cyrill]

Hoi Fabienne (@ Federwolke) und Urbi
Danke für die Antworten.

Fabienne, Du bist ja der/die Profimeteorologe / -in von uns beiden und ich habe diesen Thread vorallem eröffnet, um was zu lernen - auch durch Feedbacks, Anregungen usw. So werde ich Dir nicht wiedersprechen, habe aber auch scharf überlegt. So ist im Winter die ITC weiter nördlich anzutreffen und demgemäss der STJ entsprechend am nördlichen Rand der Hadley-Zelle ebenfalls. So verläuft die Grenze zwischen polaren und subtropischen Luftmassen über Nordafrika. Auf der Grafik (vom 17.12.09) sieht man natürlich auch sehr schön den Omegabogen des Polarfront-Jets, der ja stets mehr oder weniger ausgeprägt (ganzjährig) mäandriert. Oft ist er unterbrochen; auch jetzt. Ich sehe über der Sahara, bzw. über dem Mittelmeer den STJ. Offenbar ist diese Situation nicht so selten, wie ich dachte.

Aufgrund der Ausführungen folgender Quelle, kann sich vorallem in den Wintermonaten ein markanter horizontaler Temperaturgradient mit zugehöriger Subtropenfront bilden. Dieser Gradient wird durch adiabatische Prozesse am polwärtigen Ast der Hadley-Zirkulation verstärkt. Dort wird der STJ (Subtropen-Jet) induziert, dessen Achse (nicht mäandrierend) sich im Gegensatz zum Polarzonen-Jet auf rd. 13'000 Metern befindet und im Vergleich geringere Geschwindigkeiten erreicht. "Dadurch ist der Subtropenjet aber im klimatologischen Mittel wiederum sehr viel eindeutiger auszumachen, als der stark mäandrierende Polarfrontjet."

Nun, was ich bei der Situation am 17.12.09 vermute, beschreibt die Quelle wie folgt: " Wetterwirksam wird der Subtropenjet erst in Zusammenwirken mit dem Polarfront-Jetstream. Bei Langewellentrögen mit großer Amplitude kann es durchaus passieren, dass beide Jetstreams sich zu einem mächtigen Starkwindband vereinigen, dessen Jetstreaks verbreitet über 150 m/s aufweisen."

D.h., dass die südöstlichste Rossby-Welle des Polarfrontjets sich mit dem STJ über dem Mittelmeer vereint. Wie selten oder häufig diese Situation vorkommt, kann ich nicht beurteilen.

Link (FU Berlin): http://images.google.ch/imgres?imgurl=h ... X%26um%3D1

Interessant der Vorstoss der Kaltluft westseitig der Alpen (gem. GFS) ab 18.12.09 auf der Trogrückseite bis nach Südfrankreich.

Gruss Cyrill

[Federwolke]

...habe aber auch scharf überlegt. So ist im Winter die ITC weiter nördlich anzutreffen und demgemäss der STJ entsprechend am nördlichen Rand der Hadley-Zelle ebenfalls.

Sehr gut. Dann überlege weiter scharf (bevor wir auf den Rest eingehen): Was genau verursacht denn deiner Meinung nach das Verlagern der ITC im Winter nordwärts?

[Cyrill]

Mir war schon klar, dass grundsätzlich die ITC vom Sonnenstand abhängig ist und im europäischen Winter diese natürlich weiter südlich verlaufen müsste - gemäss dieser Grafik


So liess ich mich durch die Ausführungen in der FU Berlin Quelle irritieren - es kam mir auch unlogisch vor. Durch die vielfach symmetrisch und deshalb sehr schematisch dargestellten Hadleyzellen in div. Grafiken, müsste sich ja der Nordrand auch in Richtung Südhalbkugel verschieben, was der Erklärung des Autors völlig widersprechen würde. Aber ich habe in einer Arbeit über Hadley-Zellen die Lösung des (Überlegungs-)Problems gefunden (Zitat:) "Durch die unterschiedliche Einstrahlung der Sonne findet die aufsteigende Bewegung nicht unmittelbar am Äquator statt und das Strahlungsgleichgewichtsmaximum verlagert sich. Es entsteht eine schmale, schwache Zelle in der Sommerhemisphäre und eine sehr starke Zelle in der Winterhemisphäre, deren aufsteigender Ast allerdings ebenfalls noch in der Sommerhemisphäre liegt. Die Zirkulation wird also stark asymmetrisch."

Gruss Cyrill

[221057Gino]

Hallo

@Cyrill ( Hi )

Verlauf des ITCZ über Africa ...



Quelle: http://people.cas.sc.edu/carbone/module ... index.html

[URBI]

Damit ich das besser zusammenbringe, noch ein paar Verweise:


http://wiki.bildungsserver.de/klimawand ... irkulation


http://wiki.bildungsserver.de/klimawand ... dley-Zelle


http://wiki.bildungsserver.de/klimawand ... rrel-Zelle

_____

http://www.atmosphere.mpg.de/enid/1pd.html
_____

Nachtrag:
200 hPa Jet-Strömung Voraussage ab 14.12.
+ Animation
Seite:
http://wxmaps.org/pix/hemi.fcst.html



Noch zu Heute
14.12 bis 17.12


15:00 Uhr





Grüsse
Urbi

[Federwolke]

Hoi Cyrill

Die Kurve gerade noch gekriegt...
Das erklärt auch, warum der Subtropicjet ziemlich stationär über der Sahara liegt und keine riesigen Sprünge macht wie der Polarfrontjet. Bei den beiden von dir oben geposteten Karten sind beide klar zu erkennen. Am 17. sind sie so nah beieinander, dass man meinen könnte es wäre ein Jet, dagegen spricht aber die Breite des Stroms und die kontinuierliche Abnahme der Geschwindigkeit nach Süden hin. In der Karte vom 19. sind sie wieder deutlich voneinander zu unterscheiden.

Besten Dank auch an URBI für die interessanten Links.