Seite 1 von 1

FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mo 29. Jun 2015, 15:15
von Tinu (Männedorf)
Hey

Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf Michis Hinweis auf den möglichen Anlogfall vom 20.08.2012 zurückkommen: https://www.sturmforum.ch/viewtopic.php ... 20#p178655

Die Wetterlage vom kommenden Wochenende hat meines Erachtens nämlich tatsächlich auffällige Ähnlichkeiten mit der - sehr überraschenden - Entwicklung vom August 2012.

Kurze Analyse: Am 20.8.2012 (Montag) lag der Alpenraum im Einflussbereich eines mächtigen Höhenrückens. In den Tagen zuvor herrschte warmes, zunehmend schwül-heisses Wetter bei uns. Am Montag verschob sich der Rücken allerdings bereits langsam ostwärts, sodass wir allmählich in den Bereich der Vorderseite eines atlantischen Troges gerieten:
Bild

Der Blick auf den Mitteleuropa-Bereich verfeinert das Bild: Auf den ersten Blick sieht das Ganze an sich stabil aus, da der Alpenraum auf dem 500hpa-Niveau durchwegs von Gebieten hohen Luftdrucks umschlossen war. Allerdings sind knapp nördlich der Schweiz auch Verwellungen/Randtröge zu erkennen, die zwar noch nicht direkt, aber - wie sich später zeigte - sehr wohl indirekt Einfluss auf unser Wetter nahmen:
Bild

Etwas deutlicher wird das Angetönte beim Blick auf die 300hpa-Karte: Diese zeigt eine doch recht deutliche Delle im Druckfeld nordwestlich des Alpenraums:
Bild

Das Feuchteangebot im 700hpa-Feld war zumindest ausreichend:
Bild

Allerdings unterschätzten die Modelle das Potenzial und die mögliche Wechselwirkung zwischen dieser Instabilität im oberen Stockwerk und dem sich im Tagesverlauf über den Alpen entwickelnden Hitzegewittern.

Oder anders ausgedrückt: Ein Gewitter ist bei genügend starker Ausprägung und bereits bei marginaler atmosphärischer Unterstützung (oder = bei nicht komplett unterdrückenden Verhältnissen) dazu in der Lage, in seinem Umfeld die Regie zu übernehmen. Dann ist eine Dynamik möglich, die von einem Modell im Vorfeld nicht oder nur begrenzt erfasst werden kann. Die Niederschlags-Signale waren jedenfalls unauffällig. Sie boten das klassische Bild vom "abendlichen Hitzegewitter über den Bergen":
Bild

Das Resultat dieses Tages war das hier: http://www.meteoradar.ch/wetterblog/201 ... 0-08-2012/

Das kommende Wochenende bietet nun ein Bild, das durchaus Parallelen zum 20.08.2012 aufweist. Wieder rückt der Alpenraum nach einer stabilen Hochdruckphase in die Nähe eines atlantischen Troges, wieder ist diese Nähe in den Modellkarten vermeintlich unspektakulär. Aber wieder ist in den oberen Stockwerken eine Destabilisierung festzustellen, wenn auch die Delle im Höhenfeld etwas weniger ausgeprägt ist, als noch am 20.08.2012. Das muss nicht viel heissen, kann aber auch über alles oder nichts entscheiden:
Bild
Bild
Bild

Das Feuchte-Angebot passt soweit:
Bild

Und auch die NS-Signale sind schön klassisch nichtig. Eben: "Abendliche Hitzegewitter über den Bergen sind nicht ausgeschlossen", um auf die Prosa ( :-D ) zurückzugreifen.
Bild

Die Frage ist: Alles nur Theorie oder wird aus den abendlichen Hitzegewittern ein abendlicher Cluster mit Unwetterpotenzial und Auswirkungen bis hinaus ins Mittelland?

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mo 29. Jun 2015, 16:12
von Willi
Die Frage ist: Alles nur Theorie oder wird aus den abendlichen Hitzegewittern ein abendlicher Cluster mit Unwetterpotenzial mit Auswirkungen bis hinaus ins Mittelland?
Wie ist die jahreszeitliche Differenz von 1.5 Monaten bzgl. der Sonneneinstrahlung zu gewichten?

Gruss Willi

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mo 29. Jun 2015, 16:50
von Tinu (Männedorf)
Willi hat geschrieben:
Die Frage ist: Alles nur Theorie oder wird aus den abendlichen Hitzegewittern ein abendlicher Cluster mit Unwetterpotenzial mit Auswirkungen bis hinaus ins Mittelland?
Wie ist die jahreszeitliche Differenz von 1.5 Monaten bzgl. der Sonneneinstrahlung zu gewichten?

Gruss Willi
Darauf habe ich jetzt grad keine Antwort parat. Ich halte das aber angesichts der enormen Energie in der Luftmasse vom kommenden Wochenende nicht unbedingt für matchentscheidend.

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mo 29. Jun 2015, 18:33
von Dani (Niederurnen)
Bezüglich Sonneneinstrahlung könnte wohl länger Energie eingebracht werden, aber je nach Energiegehalt der Luftmasse wird das wohl kaum mehr bemerkbar sein.

Frage: In den 500er Karten bin ich nicht so wirklich dabei, wo erkenne ich jetzt eine Delle? Und nach Dellen in welcher Richtung muss ich schauen? Sind die von Süden her vorstossenden immer von Hochdruckgebieten getrieben?

Beispielkarte vom heutigen 12Z als Vergleich zu Tinu's Karte:

Bild
Quelle: www.wetter3.de

Gruss Dani

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mo 29. Jun 2015, 23:06
von Tinu (Männedorf)
@Dani

Randtröge "stossen" nicht von Süden (also vom Keil her) vor, sondern sind immer an ein steuerndes Tief gekoppelt. Sie sind nichts anderes als kleine Randtiefs, die vom Haupttief her stets "nach unten" ausbuchten. Orkan Lothar war bsp. zum Zeitpunkt seiner Entstehung nichts anderes als ein Randtrog/eine Welle am Südrand eines grösseren, steuernden Langwellentroges. Sie entstehen in der Regel auf der Trogvorderseite.

Das Problem an Randtrögen ist, dass man sie als Laie auf den herkömmlichen 500hpa-Karten oft kaum ausmachen kann. Wie ich mir habe sagen lassen, haben da aber selbst geschulte Augen teils Mühe. :-D Die 500hpa-Karten von Wetter3.de sind wundervoll bunt und auch etwas überladen, sodass das Erkennen dieser teils versteckten und auch flüchtigen Gesellen nicht so einfach ist.

Vielleicht muss man den Blick weg von allfälligen Randtrögen, hin zu einer anderen Analogie zwischen dem 20.08.2012 und dem kommenden Sonntag lenken. Am 20.8.2012 waren es die Reste einer zerfallenden Kaltfront über Frankreich, welche die Entwicklung über den Alpen mit angestossen haben. Eine ähnliche Situation zeigt GFS für den kommenden Sonntag, meines Erachtens sogar noch ausgeprägter als im Fall unseres Archivereignisses:
Bild

Auch hierzu wieder der Vergleich zum 20.08.2012. Parallelen sind hier meines Erachtens zulässig:
Bild

Aber hey: Ich bin kein Meteorologe. Wenn du wissenschaftlich fundiertere Auskünfte v.a. zur Randtrog-Thematik möchtest, müsstest du allenfalls die Mets hier im Forum anschreiben.

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Di 30. Jun 2015, 09:19
von Willi
wo erkenne ich jetzt eine Delle?
Was die Tröglis angeht, schaue ich als Laie gerne die Vorticityadvektion an (+- Paar). Diese ist am kommenden Sonntag um 06h über den Britischen Inseln wunderschön ausgeprägt. Allerdings rauscht das Trögli rassig nordwärts ab, und über dem Kontinent bleibt davon kaum etwas übrig. Erst das nächste Trögli scheint dann etwa Mitte kommender Woche mehr in den Kontinent einzudringen.

Gruss Willi

Quelle: wetter3.de
Bild

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Di 30. Jun 2015, 10:07
von Tinu (Männedorf)
Ich erkenne keine grossartigen Veränderungen in den aktuellen Läufen zu unserem Threadthema. Der Sonntag erscheint mir nach wie vor als Wendepunkt, da die bis dato stramme Südströmung über dem Kontinent von Sonntag auf Montag zu kippen beginnt.

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Di 30. Jun 2015, 21:13
von Tinu (Männedorf)
Hey

Der Sonntag kommt jetzt auch bei den Profis - mit der verständlichen Vorsicht - auf den Radar.

Auszug aus der heutigen Mittelfrist-Synop des Deutschen Wetterdienstes (DWD):
Samstag nähert sich ein hochreichendes atlantisches Tief den Britischen Inseln
und bringt die Südwestströmung noch einmal in Schwung, so dass in ganz
Deutschland noch einmal ein Temperaturanstieg zu erwarten ist (T850 um 12 UTC
zwischen 17 Grad im Lausitzer Bergland und 23 Grad am Kaiserstuhl. Der Rücken
wölbt sich infolgedessen über Westmitteleuropa noch einmal auf. Die Konvergenz
vom Vortag löst sich auf, allerdings greift zum Spätnachmittag von Westen eine
neue über. An dieser simuliert EZMW auch etwas Niederschlag, allerdings dürften
Gewitter auch am Samstag noch die Ausnahme bleiben.
In der Nacht zum Sonntag und am Sonntag wird es dann spannender: Ein
Kurzwellentrog schwenkt über die Nordsee nordostwärts und drückt den Rücken nach
Osten. Jetzt kommt noch etwas mehr Feuchte ins Spiel, zudem rückt von Nordwesten
eine Kaltfront heran. Damit sind in der Nordwesthälfte jetzt starke Gewitter
wahrscheinlicher. Die Heißluft erreicht den Osten, wo am Sonntag der heißeste
Tag sein wird und die Gewitter in der Nacht zum Montag folgen.

Re: FCST: Analogfall 20.August 2012 / 5. Juli 2015?

Verfasst: Mi 1. Jul 2015, 22:16
von Tinu (Männedorf)
Hallooooooo Feuchtigkeit! Du wirst uns die kommende Zeit zur Hölle machen. Aber es ist schön, dass du da bist! :)

Bild