Klima: Und es trifft einmal mehr die Ärmsten...
Verfasst: Mi 4. Jan 2006, 23:00
Afrika wird noch heisser
Symptome des Klimawandels verschärfen die Probleme des Kontinents
In weiten Teilen vom Klima ohnehin nicht begünstigt, hat Afrika unter der einsetzenden globalen Erwärmung besonders zu leiden. Wirkungen sind bereits spürbar, und Prognosen sagen drastische Verschärfung voraus.
In 15 Jahren soll es passiert sein. Dann wird Afrikas höchster Berg, der Kilimandscharo, ohne sein weisses Haupt und Ernest Hemingways Kurzgeschichtentitel «Schnee auf dem Kilimandscharo» nur noch Schnee von gestern sein. Schon heute hat der majestätische Koloss 85 Prozent seiner einst wie unwirklich über der heissen Savanne strahlenden Krone eingebüsst: Die zunehmende Hitze lässt die Krone des Wahrzeichens wegschmelzen.
Der über 6000 Meter hohe Vulkan ist das sichtbarste, längst aber nicht einzige Indiz dafür, dass der ohnehin gleissende Kontinent derzeit noch heisser wird. Wissenschaftler entdecken zwischen Kap und Kairo mehr und mehr Anzeichen für die Klimaerwärmung in Afrika: Nach Auffassung des nigerianischen Forschers Anthony Nyong könnten die Durchschnittstemperaturen auf dem Kontinent in den kommenden 45 Jahren um weitere zwei Grad steigen; die in den meisten Teilen des Erdteils ohnehin schon spärlichen Niederschläge drohen noch um einen Zehntel zurückzugehen.
Sahelzone trocknet aus
Erste klimatische Alarmsignale werden bereist aus der Sahelzone südlich der Sahara und aus dem Süden des Kontinents gemeldet. In beiden Regionen haben die Dürreperioden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mit Computermodellen arbeitende Klimaforscher prophezeien für die kommenden Jahrzehnte eine dramatische Zuspitzung der Katastrophen. «Unsere Berechnungen sagen eine extrem trockene Sahelzone voraus», sagt Isaac Held von der National Oceanic and Atmospheric Administration der USA: Das Ausbleiben von Niederschlägen habe im Sahel schon in den letzten Jahrzehnten Millionen von Menschenleben gekostet. In Südafrika rechnen einheimische Wissenschaftler bis zur Jahrhundertmitte mit der Erwärmung des Klimas um bis zu drei Grad und bis zu 25 Prozent geringeren Regenfällen.
In diesem Fall wird die Halbwüste Karoo vollends austrocknen und ein Viertel der einzigartigen südafrikanischen Tierwelt aussterben. Längst überwachsene Sanddünen vom Kap über Botswana, Sambia bis nach Angola würden wieder «aktiviert» – mit verheerenden Konsequenzen für die Landwirtschaft. Schon heute erlebt das südliche Afrika Jahr um Jahr Temperaturrekorde und Dürren: Gegenwärtig sind allein in Sambia, Simbabwe und Malawi mehr als zehn Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen (siehe Bericht rechts).
Mehr Hunger, mehr Kriege
Mangelhafte Ernteerträge sind die augenfälligste Konsequenz erhöhter Temperaturen. Laut Experten werden, wenn der Trend nicht aufgehalten wird, weltweit bis zu 120 Millionen Menschen mehr in den Hunger getrieben – 80 Prozent davon in Afrika. Mit seinen ohnehin extremen klimatischen Bedingungen, seinen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten wird der Krisenkontinent wie kein anderer Erdteil vom Wetterwechsel mitgenommen, bekräftigen Experten: «Afrika ist der von der Klimaerwärmung am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogene Kontinent», sagt David King, wissenschaftlicher Berater des britischen Premierministers Blair.
Doch Dürren und Hunger sind nur die spektakulärsten Folgen steigender Temperaturen. Die daraus resultierende Knappheit an Wasser und anderen landwirtschaftlichen Ressourcen heizt auch innerstaatliche Konflikte an: Schon heute gehört der Sahel, der sich von Somalia über Sudan, Tschad, Niger und Mauretanien erstreckt, zu den unruhigsten Regionen des Kontinents. Viele der afrikanischen Bürgerkriege haben sich am Streit über Weideflächen, Zugang zu Wasser, Brennholz und fruchtbaren Böden entzündet: alles Kostbarkeiten, die bei steigenden Temperaturen noch seltener und kostbarer werden.
Krankheiten begünstigt
Auch Afrikas schlimmste Geisseln, die Krankheiten, werden von der Klimaerwärmung weiter begünstigt. Nach einer vom Wissenschaftsmagazin «Nature» in Auftrag gegebenen Studie werden Malaria, Herz- und Atemwegserkrankungen sowie von Viren verursachte Fieberkrankheiten von steigenden Temperaturen noch gefördert: «Die Klimaerwärmung könnte das Risiko für den Ausbruch solcher Krankheiten bis zum Jahr 2030 verdoppeln», meinen die Autoren der jüngst veröffentlichten Untersuchung. Schon heute kostet die zunehmende Hitze nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich 150 000 Afrikaner das Leben.
Auf diese Weise zahlt Afrika die Zeche für den von den Industrienationen angerichteten Schaden. Lediglich Nigeria, wo noch immer ein Grossteil des bei der Erdölproduktion anfallenden Erdgases (von westlichen Mineralölgesellschaften) einfach abgefackelt wird, sowie Südafrika, das seinen Stromverbrauch zum überwiegenden Teil aus Kohlekraftwerken abdeckt, tragen in messbarer Weise zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoss bei: Der Rest des Kontinents hat zu schlucken, was ihm von anderen eingebrockt wird.
Der Bund, Johannes Dieterich, Johannesburg [04.01.06]
Symptome des Klimawandels verschärfen die Probleme des Kontinents
In weiten Teilen vom Klima ohnehin nicht begünstigt, hat Afrika unter der einsetzenden globalen Erwärmung besonders zu leiden. Wirkungen sind bereits spürbar, und Prognosen sagen drastische Verschärfung voraus.
In 15 Jahren soll es passiert sein. Dann wird Afrikas höchster Berg, der Kilimandscharo, ohne sein weisses Haupt und Ernest Hemingways Kurzgeschichtentitel «Schnee auf dem Kilimandscharo» nur noch Schnee von gestern sein. Schon heute hat der majestätische Koloss 85 Prozent seiner einst wie unwirklich über der heissen Savanne strahlenden Krone eingebüsst: Die zunehmende Hitze lässt die Krone des Wahrzeichens wegschmelzen.
Der über 6000 Meter hohe Vulkan ist das sichtbarste, längst aber nicht einzige Indiz dafür, dass der ohnehin gleissende Kontinent derzeit noch heisser wird. Wissenschaftler entdecken zwischen Kap und Kairo mehr und mehr Anzeichen für die Klimaerwärmung in Afrika: Nach Auffassung des nigerianischen Forschers Anthony Nyong könnten die Durchschnittstemperaturen auf dem Kontinent in den kommenden 45 Jahren um weitere zwei Grad steigen; die in den meisten Teilen des Erdteils ohnehin schon spärlichen Niederschläge drohen noch um einen Zehntel zurückzugehen.
Sahelzone trocknet aus
Erste klimatische Alarmsignale werden bereist aus der Sahelzone südlich der Sahara und aus dem Süden des Kontinents gemeldet. In beiden Regionen haben die Dürreperioden in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Mit Computermodellen arbeitende Klimaforscher prophezeien für die kommenden Jahrzehnte eine dramatische Zuspitzung der Katastrophen. «Unsere Berechnungen sagen eine extrem trockene Sahelzone voraus», sagt Isaac Held von der National Oceanic and Atmospheric Administration der USA: Das Ausbleiben von Niederschlägen habe im Sahel schon in den letzten Jahrzehnten Millionen von Menschenleben gekostet. In Südafrika rechnen einheimische Wissenschaftler bis zur Jahrhundertmitte mit der Erwärmung des Klimas um bis zu drei Grad und bis zu 25 Prozent geringeren Regenfällen.
In diesem Fall wird die Halbwüste Karoo vollends austrocknen und ein Viertel der einzigartigen südafrikanischen Tierwelt aussterben. Längst überwachsene Sanddünen vom Kap über Botswana, Sambia bis nach Angola würden wieder «aktiviert» – mit verheerenden Konsequenzen für die Landwirtschaft. Schon heute erlebt das südliche Afrika Jahr um Jahr Temperaturrekorde und Dürren: Gegenwärtig sind allein in Sambia, Simbabwe und Malawi mehr als zehn Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen (siehe Bericht rechts).
Mehr Hunger, mehr Kriege
Mangelhafte Ernteerträge sind die augenfälligste Konsequenz erhöhter Temperaturen. Laut Experten werden, wenn der Trend nicht aufgehalten wird, weltweit bis zu 120 Millionen Menschen mehr in den Hunger getrieben – 80 Prozent davon in Afrika. Mit seinen ohnehin extremen klimatischen Bedingungen, seinen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten wird der Krisenkontinent wie kein anderer Erdteil vom Wetterwechsel mitgenommen, bekräftigen Experten: «Afrika ist der von der Klimaerwärmung am schlimmsten in Mitleidenschaft gezogene Kontinent», sagt David King, wissenschaftlicher Berater des britischen Premierministers Blair.
Doch Dürren und Hunger sind nur die spektakulärsten Folgen steigender Temperaturen. Die daraus resultierende Knappheit an Wasser und anderen landwirtschaftlichen Ressourcen heizt auch innerstaatliche Konflikte an: Schon heute gehört der Sahel, der sich von Somalia über Sudan, Tschad, Niger und Mauretanien erstreckt, zu den unruhigsten Regionen des Kontinents. Viele der afrikanischen Bürgerkriege haben sich am Streit über Weideflächen, Zugang zu Wasser, Brennholz und fruchtbaren Böden entzündet: alles Kostbarkeiten, die bei steigenden Temperaturen noch seltener und kostbarer werden.
Krankheiten begünstigt
Auch Afrikas schlimmste Geisseln, die Krankheiten, werden von der Klimaerwärmung weiter begünstigt. Nach einer vom Wissenschaftsmagazin «Nature» in Auftrag gegebenen Studie werden Malaria, Herz- und Atemwegserkrankungen sowie von Viren verursachte Fieberkrankheiten von steigenden Temperaturen noch gefördert: «Die Klimaerwärmung könnte das Risiko für den Ausbruch solcher Krankheiten bis zum Jahr 2030 verdoppeln», meinen die Autoren der jüngst veröffentlichten Untersuchung. Schon heute kostet die zunehmende Hitze nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jährlich 150 000 Afrikaner das Leben.
Auf diese Weise zahlt Afrika die Zeche für den von den Industrienationen angerichteten Schaden. Lediglich Nigeria, wo noch immer ein Grossteil des bei der Erdölproduktion anfallenden Erdgases (von westlichen Mineralölgesellschaften) einfach abgefackelt wird, sowie Südafrika, das seinen Stromverbrauch zum überwiegenden Teil aus Kohlekraftwerken abdeckt, tragen in messbarer Weise zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoss bei: Der Rest des Kontinents hat zu schlucken, was ihm von anderen eingebrockt wird.
Der Bund, Johannes Dieterich, Johannesburg [04.01.06]