250-mal weniger Wasser
Trockenheit und Kälte haben Auswirkungen auf die Wasserstände der Seen und des Grundwassers
Zwei Kubikmeter Wasser pro Sekunde führte die Emme gestern in Emmenmatt – am 23. August waren es 508 Kubikmeter pro Sekunde. Von einem Extrem ins andere fallen die Pegel der Flüsse und Seen.
Seit Anfang Oktober ist nur ein Drittel der sonst im Herbst üblichen Niederschläge gefallen, nämlich knapp 65 Millimeter. Bereits sind die Pegel von Thuner- und Brienzersee sowie vom Bielersee auf winterliche Tiefstwerte gesunken. Kälte und Trockenheit verstärken die Tendenz: Innert einer Woche ist der Wasserspiegel im Brienzersee um 18 Zentimeter gesunken. Er liegt 35 Zentimeter unter dem üblichen Novemberpegelstand; im Thuner- und Bielersee liegen die Pegelstände rund 15 Zentimeter unter der Norm. Der Wasserabfluss aus dem Bielersee beim Wehr Port werde auf dem Minimum gehalten, teilte gestern das kantonale Wasserwirtschaftsamt mit. Das Amt mahnt Bootsbesitzer, beim Befahren des Sees oder an der Anbindestelle des Boots auf den extrem tiefen Wasserstand zu achten.
Schifffahrt nicht betroffen
Auf die sonntägliche Winterschifffahrt haben die tiefen Seewasserstände im Moment weder am Thunersee noch am Bielersee Auswirkungen. «Sollte der Wasserstand um weitere zwanzig Zentimeter fallen, bekommen wir jedoch im Hafen von Murten ernsthafte Probleme», sagt Chefkapitän Michel Scheurer von der Bielersee-Schifffahrtsgesellschaft. Beim heutigen Pegelstand habe es an der Ländte in Murten bloss noch 40 Zentimeter Wasser unter dem Kiel.
Stark abgesunken sind auch die Grundwasserstände, speziell im Seeland, im Emmental und Oberaargau. Die Wasserversorgungen seien allerdings noch nicht tangiert, sagt Bernhard Schudel vom kantonalen Wasserwirtschaftsamt. Aber der Verlauf der Niederschläge zeige mit aller Deutlichkeit, dass das August-Hochwasser die Pegelstände in den Grundwasserströmen kaum zu heben vermochte. «Bei Starkniederschlägen fliesst fast alles Wasser rasch ab. Es braucht im Winter, während der Vegetationsruhe, Niederschläge, um die Grundwasserströme wieder anzureichern», sagt Schudel.
Extreme Schwankungen
Extrem sind die Wasserstandsschwankungen in den Oberflächengewässern. Während am 23. August die Aare in Bern durchs Mattequartier lief, weil die 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, die abflossen, im Flussbett keinen Platz mehr fanden, strömten gestern 42 Kubikmeter Wasser pro Sekunde unter den Berner Brücken durch. Noch extremer sind die Ausschläge an Saane und Emme. 700 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führte die Saane am 23. August, als über den Voralpen Starkregen niederprasselte. Anders als im Oberland, wo Brienzer- und Thunersee Auffangbecken bilden, die den Wasserabfluss verzögern, floss das Wasser aus dem Gantrisch und Freiburgbiet direkt via Sense und Schwarzwasser in die Saane und ergoss sich zwischen Wohlensee und Niederriedstausee in die Aare. Die Saane führte kurzzeitig mehr Wasser als die Aare in Bern. Randvoll war der Hagneckkanal damals, als 1400 Kubikmeter Wasser pro Sekunde dem Bielersee zuströmten.
Gestern führte die Saane – sofern nicht gerade die Turbinen des Kraftwerks Schiffenen liefen – 7 Kubikmeter Wasser pro Sekunde– 100-mal weniger als am 23. August. Und die Emme in Emmenmatt hatte gestern, wie eingangs erwähnt, 250-mal weniger Wasser als am 23. August. «Die Emme ist das anschaulichste Beispiel, wie stark Wasserstände in Fliessgewässern schwanken können», sagt Bernhard Schudel.
Blick auf die Wasserführung
Auf den Internetseiten des Kantons (
www.be.ch/wea) sind über 50 Messstellen an Fliessgewässern und die Pegelstände der Seen aktuell ablesbar. Aus den Dateien geht ferner hervor, dass im Emmental nicht der 23. August 2005 das grösste Hochwasser brachte, sondern dass vor 168 Jahren die Emme in Emmenmatt noch höher kam. 525 Kubikmeter Wasser pro Sekunde wurden 1837 registriert – ein Wert, der seither nie mehr erreicht worden ist.
Der Bund, Fritz Lauber [24.11.05]