Seite 1 von 1
Wetterradar und Realität
Verfasst: So 27. Jul 2003, 18:54
von c2j2
Wenn ich auf
http://www.nzz.ch/wetter/radar_grossbild_aktuell.html schaue, müßte es hier dauerregnen. Tut's aber nicht, es kommen nur ein paar einzelne Tropfen an.
Warum mißt das Radar so falsch? Wird es durch die Wolken irritiert?
Ch.
Wetterradar und Realität
Verfasst: So 27. Jul 2003, 19:03
von Adrian (Dübendorf)
Wenn ich es noch richtig in Errinnerung habe, erklärte mir Willi mal, dass die Meteoschweiz Radar auf einer anderen Ebene messen, als das ETH Radar. Vergleiche mal die Radarbilder. Du wirst sehen, dass es bei den dunkelblauen und dunkelgrünen Bereichen oft nie regnet. Vergleiche einfach mal das Radarbild mit dem Wetter draussen. Du musst dann aber auch noch die Zeitverzögerung der Bilder einberechnen. Vielleicht siehst du dann, was relevant ist.
Es gibt übrigens auch Fälle bei denen das Radar nichts sieht. Das ist zum Beispiel bei Nieselregen der Fall. Da ist dann die Reflektion der Tropfen zu klein, als dass sie richtig detektiert werden können.
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 06:22
von Dani (Niederurnen)
Soweit ich mich erinnern mag misst das Radar mit zunehmender Entfernung in immer grösserer Höhe. Somit siehst du auch verdunstenden Niederschlag der den Erdboden nie erreicht.
Gruss Dani
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 06:44
von Willi
Die MeteoSchweiz Radarantennen machen in 5 min 20 Umdrehungen und erfassen so das ganze Volumen bis 12 km Höhe. Dann wird das Maximum in jeder Säule gesucht und auf dem Radarbild dargestellt. So sieht man zum Beispiel den Amboss eines Gewitters, auch wenn dieser auf 5-10 km Höhe ist und kein Niederschlag den Boden erreicht.
Für solche Fälle haben wir auf dem Radarbild bei
www.meteoradar.ch eine extra Farbstufe eingeführt: hellblau (max-2). Die soll genau den Niederschlag zeigen, der verdunstet und den Boden nicht erreicht. Wir nutzen dazu auch die Radarwerte auf 2 km. Also wenn die MeteoSchweiz einen Max-Wert liefert, z.B. auf 7 km Höhe, und zugleich auf 2 km Höhe nichts ist, dann erscheint die Farbe hellblau.
Alles klar? Wohl kaum, aber es ist ja Montag früh :L
Gruss Willi
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 10:19
von Michi, Uster, 455 m
hallo willi
was mir beim eth-radar immer wieder auffällt ist, die ungenauigkeit mit flächigeren niederschlägen. er scheint mir das ganze irgendwie zu mitteln und so sieht man die konvektiven einlagerungen gar nicht wie sie zum bsp. gestern abend vorhanden waren. da ist der meteoschweiz radar doch wesentlich genauer.
der eth-radar ist für kleinräumige gewitterzellen im sommer aufgrund den 5-minuten aktualisierungsschritten und der auflösung vorzuziehen.
warum arbeitet der eth radar bei grossflächigen niederschlägen so schlecht ?
mfg
Michl Jona
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 10:36
von c2j2
@Willi
Danke, doch, das war verständlich.
Ch.
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 11:06
von Willi
Hallo Michl
Ehm, gute Frage. Also beim ETH-Radar wird nur am Rand der Radarechos etwas geglättet. Zudem werden Clutter-Löcher (z.B. Berge) durchinterpoliert, solange die Löcher nicht zu gross sind. Schliesslich wird der Radarschatten hinter dem Uetliberg (in Richtung SSW) soweit als möglich korrigiert. Zu beachten ist auch, dass mit dem ETH-Radar nur ein Schnitt gemacht wird, auf 1.5 Grad über der Horizontalen. Der Radarstrahl steigt also langsam an, von 600m bei Radar auf ca. 3 km in 100 km Distanz.
Die inneren Bereiche von grossflächigen Niederschlagechos hingegen werden nicht korrigiert, sind also so, wie sie das Radar sieht. Vielleicht liegts an der etwas groben Farbabstufung. Da sollte das PPI-Bild weiterhelfen, das auf der Seite "Radarbilder" aufgerufen werden kann. Dann kann es auch an der unterschiedlichen Messweise liegen. Ein Schnitt oberhalb der Nullgradgrenze zeigt konvektive Zellen oft besser als unterhalb der Nullgradgrenze. Der Grund ist, dass sich das Radarecho von grossflächigem Niederschlag in der Schmelzzone massiv verstärken kann, so dass das Echo fast gleich stark wird wie das Echo von konvektiven Zellen.
Dann kann auch die Abschwächung eine Rolle spielen. Im "flüssigen" Bereich ist die Abschwächung viel stärker als im "trockenen" Bereich oberhalb der Nullgradgrenze.
Also es spielen einige Faktoren eine Rolle.Es ist nicht immer einfach herauszufinden, welcher Effekt dominiert.
Gruss Willi
- Editiert von Willi am 28.07.2003, 11:07 -
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 16:22
von Willi
Hier ein Beispiel zur Frage, wie (un)genau Niederschlagsmessungen mit Radar sein können. Zunächst ein Vergleich bei der Messstation La Chaux de Fonds. Die Radarkurve wurde aus den MeteoSchweiz Radardaten extrahiert:
http://www.sturmforum.ch/forum_uploads/ ... 161934.gif
Und hier der Chasseral, gleiche Periode:
http://www.sturmforum.ch/forum_uploads/ ... 162052.gif
Gruss Willi
Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 17:05
von Federwolke
Ach du lieber Himmel, 4-fache Mengen im Radar?
Da komme ich aber arg in Argumentationsnotstand bei meiner Maturaarbeit :=(
Also gut, Augen zu und durch: Bloss nicht die Radarbilder als Non-plus-ultra verkaufen, wenn es um die Niederschlagsmengen geht. Stütze meine Arbeit sowieso auf Schadenmeldungen der Hagelversicherung, Radarbilder dienen dann bloss als qualitative und nicht quantitative Visualisierung der Niederschlagsverteilung (Zugbahnen).
Aber eine Frage sei trotzdem erlaubt: Wie wirkt sich das aufs Nowcasting und die Unwetterwarnungen aus? Besteht da nicht die Gefahr, einen gewöhnlichen Schauer als Sintflut einzustufen(?) Ich finde, ob 20 mm oder 80 mm fallen, ist doch ein klitzekleiner Unterschied, oder?
Und noch was: Ist das nun beim Chasseral die Regel? Kann das irgendwie korrigiert werden?
Fragen über Fragen.
Grüsse aus dem frühherbstlichen Bern

Wetterradar und Realität
Verfasst: Mo 28. Jul 2003, 20:14
von Willi
Hallo Fabienne
Nur keine Panik. Für Hagelerkennung ist ein Radar nicht schlecht. 55 dBZ (100 mm/h) weist auf Hagel hin, und ein grosser 55 dBZ Fleck (oft rot, beim ETH-Radar gelb) bedeutet mit einiger Sicherheit starker Hagel.
Beim Regen ists tatsächlich manchmal schwierig. Das Radar hat gestern über vielen Gebieten massiv zu viel Regen angezeigt. Grund ist vermutlich die Schmelzzone. Schmelzende grosse Schneeflocken geben ein massiv starkes Echo, so dass dann "zuviel" Regen gesehen wird. "Ideal" in solchen Fällen ist eine hohe Nullgradgrenze, dann sieht das Radar die Schmelzzone natürlich bestens, auch im Jura und den voralpinen Regionen.
Aber Achtung, im Tessin ists oft umgekehrt, dort ist die Schmelzzone weniger gut sichtbar, es fehlen die grossen Flocken, dafür hats mehr Graupel.
Am besten kombiniert man Radar- und Bodenmessungen. Wir sind am Testen von entspr. Produkten. Es ist bald soweit...
Gruss Willi