Fürs Sturmforum noch etwas Lektüre: Aktuelle Story zur Einordnung der aktuellen Kältewelle mit Stephan Bader. Nichts bahnbrechend Neues, aber der Vergleich zu den früheren Kältewellen ist schon ein Augenöffner....
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Klar ist nur, dass es wärmer wird
Die erste Kälteperiode dieses Winters, die diesen Namen auch verdient, lässt uns frieren. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Winter immer milder werden.
Es ist wieder einmal «richtig» Winter: Nach den intensiven Schneefällen im Januar bringt der Februar nun die erste Kälteperiode. Die Temperaturen steigen tagsüber nicht über null Grad, in der Nacht droht auch im Flachland strenger Frost um –10 Grad.
Nach Einschätzung der Meteorologen dürfte die Kältewelle bis etwa Montag andauern. Mitte kommender Woche wird die arktische Winterluft, welche die Schweiz am Donnerstag geflutet hat, dann wohl wieder durch mildere Luftmassen verdrängt.
Während die Minustemperaturen nicht zuletzt in den Medien grosse Beachtung finden, bleiben Klima- und Wetterexperten eher gelassen. Für Stephan Bader, Klimatologe von Meteo Schweiz, ist die aktuelle Kältewelle nicht weiter speziell: «So etwas kommt hierzulande im Durchschnitt etwa alle drei bis fünf Jahre vor.»
Aber: Diese Einordnung trifft nur dann zu, wenn man die Messwerte der vergangenen 30 Jahre berücksichtigt. Geht man weiter zurück im Schweizer Klimaarchiv, verliert die aktuelle Kältewelle auch noch ihren letzten Biss – sie wird zum «Kältewellchen».
Es geht viel, viel kälter
Vor dem ersten markanten klimatischen Erwärmungsschub Ende der 1980er-Jahre gab es Kälteperioden, die aus heutiger Sicht schier unvorstellbar erscheinen. In Zürich gab es zum Beispiel im Winter 1944/45 eine Kältewelle, die 29 Eistage in Folge brachte. Die Temperatur stieg also während dieser gesamten Zeit nie über den Gefrierpunkt. Genauso lange dauerte die extreme Kältewelle des Jahres 1963. Sie führte letztlich zum Zufrieren mehrerer grosser Gewässer im Schweizer Mittelland (Seegfrörni-Winter).
Und auch die Minimumtemperaturen aus dieser Zeit muten wie von einem anderen Stern an. So sank das Thermometer an der Station Zürich-Fluntern am 12. Februar 1929 auf –24,7 Grad. Dieser Allzeit-Rekord ist bis heute unangetastet. In Kloten wurden am 14. Januar 1963 sogar –25 Grad gemessen. Und an der Meteo-Schweiz-Wetterstation Aadorf-Tänikon, unweit der Stadt Winterthur, gab es am 12. Januar 1987 einen Stations-Rekordwert von –29,9 Grad.
Solche Tiefstwerte bringt man heutzutage in der Schweiz allenfalls noch mit den abgeschlossenen Bergtälern des Engadins oder dem topografisch bedingten «Kälteloch» im jurassischen La Brévine in Verbindung. Aber sicher nicht mit den Städten und Dörfern des Mittellandes.
So stellt sich unweigerlich die Frage: Sind derart tiefe Temperaturen mit der fortschreitenden Klimaerwärmung im Mittelland in Zukunft überhaupt noch möglich?
Stephan Bader macht wenig Hoffnung. «Kalte winterliche Phasen sind auch unter einem grundlegend wärmeren Klima-Regime nach wie vor möglich», sagt er. Allerdings dürften sie seltener werden und auch weniger intensiv ausfallen als in der Vergangenheit – eben etwa so wie das aktuelle «Kältewellchen».
Klima und Wetter unterscheiden
Überhaupt würden bei der Beurteilung solcher Ereignisse immer wieder Wetter und Klima miteinander verwechselt. «Dabei ist es essentiell, dass ein Unterschied gemacht wird», sagt Bader. Das Wetter ist das, was jeder im Gesicht spürt, wenn er vor die Haustür tritt: Wind, Regen, Wärme, Kälte. Das Klima hingegen ist der Durchschnitt der Prozesse in der Erdatmosphäre.
Das Klima hat sich in der Schweiz seit Beginn der regelmässigen Messungen im Durchschnitt um mehr als 2 Grad erwärmt. Wie genau sich diese Erwärmung auf das Auftreten bestimmter Wetterlagen auswirkt, ist jedoch nach wie vor schwer einzuschätzen. Allein zwischen den Jahreszeiten gibt es erhebliche Unterschiede.
Im Sommer macht sich die Klimaerwärmung im Alpenraum mittlerweile relativ deutlich anhand des gehäuften Auftretens einer bestimmten Wetterlage bemerkbar. Das sommerliche Mittelmeer-Hochdruckgebiet dehnt sich zusehends nach Norden aus. Das begünstigt das Auftreten von Hitzewellen in der Schweiz.
Im Winter ist ein solches Muster gemäss Stephan Bader bisher nicht klar erkennbar. Das liege daran, dass das Wettergeschehen im Winter vielseitiger und von mehr Faktoren beeinflusst sei als im Sommer.
Für jede These eine Gegenthese
Immer wieder tauchen in diesem Zusammenhang neue Theorien auf. Unlängst sorgte eine Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung für Aufsehen. Der Inhalt kurz zusammengefasst: Durch die starke Erwärmung über dem Nordpol in den letzten Jahren und das verstärkte Abschmelzen des Packeises erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit von extrem kaltem Winterwetter in Europa und Asien.
Mehr Kälte in Europa durch eine wärmere Arktis? Stephan Bader steht dieser sogenannten Karasee-Theorie skeptisch gegenüber. Bader findet den Ansatz zwar spannend – er verweist aber auf die extrem grossen Unsicherheiten, bedingt durch die komplexen Zirkulationsmuster auf der Nordhalbkugel. «Für jede dieser Theorien lässt sich eine Gegentheorie finden», sagt er.
Fakt ist: Extreme Kälteperioden treten in der Schweiz im langjährigen Vergleich immer seltener auf, und sie werden immer schwächer. Und derzeit gibt es nichts, was darauf hindeutet, dass sich an dieser Tendenz auch nur im Geringsten etwas ändern könnte.
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
Gewitter und Sturm = erhöhter Pulsschlag
Föhn-fasziniert