Auszüge aus dem SAC-Arbeitspapier
Erschliessung der Alpen mit ein paar sehr pointierten Äusserungen:
Demographische Entwicklung
Der Sommer- als auch Wintertourismus begann sich in den 1990er Jahren zu diversifizieren und eine enorme Formenvielfalt der Aktiverholung macht sich seither breit. Der Alpentourismus entkoppelt sich zusehends von der alpinen Natur, sowohl im Winter als auch im Sommer, weil – wie es Bätzing (2003, 149) auf den Punkt bringt –
„die unberechenbaren Naturbedingungen das optimale Erleben der Körpersensation behindern und weil grosse „Events“ immer wichtiger werden“. Konsequenterweise entstehen witterungstunabhängige Erlebnis- und Freizeitparks, im Sinne einer Neuinszenierung des in der „Belle-Epoque“ gelebten Lebensstiltransfers: Die Metamorphose der traditionellen alpinen Gesellschaft zu einer urbanen, disneylandartigen „Hors-Sol-Kultur“.
Die aktuelle Seilbahnlandschaft
Neuerschliessungen mit Seilbahnen und Skiliften waren in den 1990er Jahren aufgrund der stagnierenden Nachfrage und des politischen Drucks seltener geworden, jedoch wurden Transportkapazitäten erheblich erhöht und Qualitätsverbesserungen durchgeführt. Das Angebot war schon damals höher als die Nachfrage und damit verschärfte sich die Konkurrenz zwischen den Tourismusregionen stetig. In Erwartung eines anhaltenden Wachstums begannen viele Gemeinden und Seilbahnunternehmen grosse Investitionen zu tätigen und sich dadurch zu verschulden. Obschon 70% der Schweizer Bergbahnen finanziell gefährdet sind, begann 1999 eine neue Erschliessungsphase, einerseits ausgelöst durch den erhöhten Konkurrenzdruck in der Tourismusbranche (massive Investitionen wurden in Österreich und Frankreich getätigt), andererseits durch die schneearmen Winter.
und weiter:
32% aller Seilbahnunternehmungen der Schweiz sind auf Grund mangelnder Cash flows in ihrer Überlebensfähigkeit stark gefährdet, 30% sind massiv bzw. stark verschuldet. Analysiert man nun die Situation der Schweizer Seilbahnen genauer, so fällt auf, dass die Schweiz unter dem Titel der
„Investitionshilfen für Berggebiete“ eine massive öffentliche Förderung von Seilbahnprojekten vorgenommen hat. Diese liegt im Durchschnitt bei 12% der Gesamtkosten, wobei in einzelnen Gebieten Förderungen bis zu 22% nachweisbar sind. Die eigentliche Problematik dieser Förderungen liegt aber in der Subventionierungsspirale. Wird eine Bahn mit Förderungen der öffentlichen Hand erneuert, so wird auch die Konkurrenz zur Investition gezwungen. Was im Grunde nicht im Sinne eines gesunden Marktes sein kann
Beschneiung
Die Verbreitung der technischen Beschneiungsanlagen hat sich in den letzten zehn Jahren exponentiell entwickelt.
1993 sollte das Beschneien ganzer Pisten im Kanton Bern mit der Schneekanoneninitiative verhindert und das neue Aufkommen der Schneekanonen auf die Sicherung von prekären Stellen eingeschränkt werden. Diese Initiative wurde jedoch von der Regierung und vom Rat abgelehnt und „im Sinne eines indirekten Gegenvorschlags“ unterstellte man die Beschneiungsanlagen der Bewilligungspflicht und nahm sich einer zurückhaltend Bewilligungspraxis an. Auch das Volk entschied sich gegen die Initiative.
Sukzessiv wurde die Bewilligungspraxis aufgeweicht:
• 1995: Beschneiung ganzer Pisten von bedeutenden Sportanlässen
• 1998: Aufhebung des Verbots chemischer Zusätze
• 2000: Erlaubnis zur flächendeckenden Beschneiung
Heute wird beschneit, um die Wintersaison zu verlängern. In gewissen Skigebieten können schon 100 % der Pisten künstlich beschneit werden
Fazit
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Alpen insbesondere während den vergangenen 40 Jahren in einem beispiellos hohen Masse mit Erschliessungselementen, im Speziellen Energie-, Verkehrs- und Tourismusinfrastrukturen ausgestattet wurden. Heute gehört der gesamte Alpenbogen zu den best erschlossensten Hochgebirgen weltweit. Nebst den neun Transitachsen von internationalen Bedeutung kommen Tausende Kilometer von Alp- und Forststrassen, mehr als 3700 Seilbahnen und unzählige Kilometer von Wander- und Bergwegen dazu.
Mit der Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung des 20. Jahrhunderts wurde die Grenze der natürlichen Tragfähigkeit der lokalen Ressourcen überschritten. Heute ist der Alpenraum im höchsten Masse abhängig von externen „Gütern“: Scharen von Touristen, die jährlich Tourismusdienstleistungen im Wert von CHF 5,6 Mrd. generieren, unzählige Lastwagen und Güterwaggons beladen mit weitgereisten (fossilen) Energieressourcen und Nahrungsmittel.
Ferner wurden jährlich nebst den CHF 4,7 Mrd. Subventionszahlungen durchschnittlich zusätzliche CHF 6 Mio. für Neuerschliessungen von touristischen Transportanlagen ausbezahlt, ebenfalls durch die öffentliche Hand. Mit touristischen Grossprojekten, die neue Alpingebiete erschliessen würden ist in den nächsten Jahren kaum zu rechnen, obschon einige „Dauerbrenner“ immer wieder im Gespräch sind und sein werden, denn die ökonomischen Voraussetzungen sind für Grossinvestitionen nicht optimal.
Öffentliche Gelder könnten den Aufrüstungstrend jedoch weiterhin künstlich aufrecht erhalten. Welchen Einfluss der neue Finanzausgleich auf die Investitionspolitik der Kantone bezüglich der touristischen Transportanlagen haben wird, ist noch nicht abzusehen. Eines ist jedoch klar: Die Tourismuskantone, im wesentlichen der Kanton Graubünden und das Wallis, werden alles daran setzten ihre Attraktivität und Konkurrenzchancen zu erhöhen und weitere Investitionen im Speziellen für künstliche Beschneiung tätigen. Zusätzlich wird sich aufgrund der Klimaerwärmung, der demographischen Entwicklung der Kundschaft und der Sättigung des Marktes die Konkurrenz unter den Winterorten weiterhin verschärfen und kleinere Orte zur Aufgabe des Wintertourismus zwingen.
Obschon in der Schweiz viele vorbildliche Gesetzesgrundlagen und Verordnungen zum Erhalt der naturnahen Alpenlandschaften bestehen und noch viel mehr intelligente und mustergültige Zielsetzungen, Massnahmenkataloge, Konzepte, Leitbilder, Wegleitungen, Richt- und Sachpläne, Visionen, Empfehlungen, Konventionsartikel geschrieben wurden,
gibt es im Grunde wenige wirklich griffige und konsequent angewendete Instrumente. Dazu gehören der Alpenschutzartikel und der Moorschutzartikel, die im Bereich der alpinen Er-schliessungsproblematik in verschiedensten Fällen zum tragen gekommen sind. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Schweiz neue Instrumente braucht oder ob die vorhandenen einfach konsequenter angewendet werden müssten.
Zudem besteht ein sehr ausführliches Werk das in Richtung einer nachhaltigen Gebirgsentwicklung führen soll: die Alpenkonvention. Falls die Alpenstaaten sämtliche Protokolle ratifizieren und die Staaten ihre Politiken konsequent danach ausrichten würden, könnten auch endlich Erschliessungsfragen international angepackt werden. Solange jedoch nicht alle Alpenstaaten unterschrieben haben, besteht weder eine griffige Verbindlichkeit noch eine Chancengleichheit innerhalb der Alpenstaaten.
http://www.sac-cas.ch/uploads/media/SAC ... _alpen.pdf
Ach ja, aber das Hauptproblem sind ja die Tourenfahrer, welche noch die letzten Rückzugsgebiete der Steinböcke plündern ****ebenfalls brüll :=( ****
Lg Andreas