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Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Di 29. Jun 2004, 21:58
von Matthias_BL
Nix los ist gut: In fast "ganz Europa" (immerhin rund um die Schweiz ;-)) ist nix los ! Das wäre doch der perfekte Abend für ein EM Finale, oder wie auch einige von uns mögen ein "Abendspaziergang anstelle der EM" :-)

Bild

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Mi 30. Jun 2004, 10:54
von An.Di.
Und noch ein (schwaches) Beben vergangene Nacht :

Nahbeben>> Laufenburg, N of Brugg/Switzerland, Q=B Automatic mode Seismogramme
DATE ORIGIN-TIME LATITUDE LONGITUDE DEPTH ML RMS NL/NM GAP
040629 22:43: 4.00 47.500N 8.200E 10.0* 2.7 0.47s 12/ 5 214

Originalzeit also 0:43 Uhr am 30.06.04

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Mi 30. Jun 2004, 18:33
von Michael (Seon)
hallo alle

erst mal habe ich noch eine frage an cyba
für mich hapert es eigentlich nur hier, ich weiss nicht, wenn ich es so lese, mit 2 mal Magnitude, aber 2 verschidene Aussage. Ich komme nicht ganz nach...
Fazit: Eine Stufe der Magnitude entspricht einer 10-fachen Verstärkung oder Abschwächung (je nach Richtung). Eine Stufe der Magnitude entspricht einer 30-fachen Verstärkung oder Abschwächung (je nach Richtung) der freigesetzten seismischen Energie



meine 2. frage betrifft das hören eines grollens, bevor das erdbeben da ist. ich habe mir da die frage gestellt, wie das überhaupt möglich ist. P-wellen haben ja eine geschwindigkeit von 10.4 km/s was bedeutend höher ist, als die schallgeschwindigkeit. Demnach sollte das erdbeben vor dem geräusch da sein. Eigentlich weiss ich die Lösung beinahe selber, es muss wohl daran liegen, dass die Oberflächenwellen aus der Umgebung kommen, und man von da geräusche hört. Leider habe ich nicht herausgefunden, wie schnell die Oberflächenwellen sind. Ich frage mich aber auch, die P-wellen können ja auch aus dem hypozentrum auf direktem Weg an die Erdoberfläche kommen (ich nehme jetzt mal immer einen Punkt an, der etwas vom Epizentrum entfernt ist) und dann da ein Erdbeben auslösen.
Oder sind die P-wellen auf grosse Distanz zu schwach, die Oberflächenwellen aber nicht?

viele Fragen... ich hoffe, es ist nicht zu schlecht formuliert und jemand kann mir antworten

danke schon mal
grüsse von michael

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 00:18
von cyba
Hallo Michael

1. Ein Beben mit der Magnitude n+1 setzt 30 mal mehr Energie als ein Beben mit der Stärke n frei. C.F. Richter führte in den 30iger Jahren eine auf instrumentellen Aufzeichnungen beruhende Stärkeskala zur Quantifizierung von Erdbeben. Um bei dem enormen Varaitionsbereich (der Maximalamplitude) der Erdbebenstärken handliche Zahlen zu erhalten, legte er seiner Skala den dekadischen Logarithmus des Maximalausschlages A (in Mikrometer) auf den Standard-Seismographen (Wood-Anderson) zugrunde. Die Wahl des dekadischen Logarithmus ist also rein mathematisch-technischer Natur (man hätte auch einen anderen Logarithmus, z.B. den Log zur Eulerschen Zahl wählen könne, die Zahlen wären dann einfach nicht so "schön"...)

Noch einiges Interessantes: Bei einem Beben ist ebenfalls wichtig, in welcher Zeit die Energie frei wird...

2. zu den Wellengeschwindigkeiten. Ich weiss nicht, vielleicht kennst Du bereits das Elastizitäts- und Schermodul...? Da sind Materialkonstanten, die je nach Material variieren.

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von P-Wellen=Kompressionswellen (=Longitudinalwellen wie z.B. auch die Schallwellen)berechnet sich aus

vp=(((K+(4/3)mü)/rho)exp(1/2), wobei K das Kompressionsmodul, mü das Schermodul und rho die Materialdichte ist. (Die Formel sieht so geschrieben sehr kompliziert aus...)

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Scherwellen (S-Wellen) berechnet sich aus

vs=(mü/rho)exp(1/2)

exp(1/2) heisst nichts anderes als die 2. Wurzel aus dem Ausdruck. Nun kann man das Verhältnis bilden (einie Umformungen, sehr einfache Rechnung) und man erhält:

vp=3exp(1/2) *vs

Das heisst, die P-Wellen sind immer rund 1,7 Mal schneller, deshalb triff die Primärwelle auch vor der Sekundärwelle ein. Bemerkung: S-Wellen dringen nicht durch den äusseren flüssigen Erdkern, weil sich Flpssigkeiten dadurch definieren, dass ihr Schermodul null ist).

Zwischenfazit:

a) P-Wellen sind immer rund 1,7x schneller als S-Wellen
b) Die Wellengeschwindigkeeit hängt vom Medium ab

(Das Elastizitätsmodul von Kalkstein ist z.B. 65 GPa, dasjenige von Gabbro 100 GPa). Die Geschwindigkeiten können also sehr variieren. Wenn also die entsprechenden Werte bekannt sind, kann man die jeweiligen Geschwindigkeiten leicht berechnen. Eine universelle Geschwindigkeit (10.4) gibt es nicht.

3.Zur Wellenausbreitung

Wellen breiten sich vom Hypozentrum kugelförmig in alle Raumrichtungen aus (man spricht auch von Raumwellen) Wenn eine Raumwelle (P- oder S-Welle) auf die Oberfläche trifft, transformiert sie sich zu Oberflächenwellen (Love-, Reyleigh-Wellen).
Das Hypozentrum ist in den seltensten Fällen punktförmig, meist sind es Flächen.Die Wellen werden auf ihrem Weg an die Oberfläche ständig gebrochen, reflektiert, Interferenzen bilden sich, etc... Da kommt das seismische Moment ins Spiel. Das Ganze ist also ziemlich komplex.

Ich hoffe, Dir mit diesen Antworten vorerst geholfen zu haben. Ich selber bin kein Geologe, also kein Experte auf diesem Gebiet... sondern Phyikstudent. Jedes naturwissenschaftliche Problem lässt sich jedoch auf ein physikalische Problem zurückführen :-)

mf Gruss

cyba

P.S.: vielleicht habe ich deine Fragen teilweise nicht recht verstanden.?.

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 10:10
von etienne
beim erdbeben vom 22. war ich so 2km vom zentrum entfernt (so die gepostete karte von BW stimmt)
und da war das beben kurz vor dem donnergrollen.

etienne

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 12:49
von Michael (Seon)
danke cyba, du hast die meisten fragen schon beantwortet, nur diese nicht, wie es möglich ist, dass man das beben zuerst hören und dann spüren kann

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 14:42
von JonasF
Hallo mitenand

Ich möchte mich auch noch in die Frage-Antwort-Stunde einmischen. ;-)

Zuerst mal zu Cyrill:

Ich habe die Folmel Log E=1.5Ms + 4.8 nicht ganz kapiert. Du schriebst, dass die Lokalmagnitude dafür benutzt wird und schreibst "Ms" für Oberflächenwellenmagnituden. Was meintest du nun?

Jetzt zur Frage von Michael:

Wie Cyrill bereits schrieb, sind P-Wellen um den Faktor sqrt(3) schneller als S-Wellen im gleichen Medium. Wenn jetzt vom Hypozentrum beide Wellentypen ausgehen, so wird gezwungenermassen die P-Welle zuerst bei dir eintreffen und nach einer Verzögerung auch noch die S-Welle.
Ich könnte mir vorstellen, dass die P-Welle zwar weniger energiereich ist (=kaum spürbar), doch es reichte, um in der Luft hörbare Luftdruckschwankungen (=Schallwellen) auszulösen.
Nach wenigen Sekunden (je nach Entfernung vom Hypozentrum) wird die S-Welle bei dir an der Erdoberfäche auftreffen. Ich nehme an, dass diese Schehrung viel energiereicher ist und darum die ganze Erde spürbar zum Zittern bringt.

Das ganze ist aber nur eine Vermutung und basiert auf der Annahme, dass die P-Welle nicht spürbar war und dennoch das Geräusch auslöste.

Na, weiss irgendwer mehr?

Gruss Jonas

Ps. @Cyrill
Du fragtest mich neulich noch, was ich später machen möchte. Im Moment tendiere ich zu etwas Angewandtem. Naturwissenschaft ist zwar gut, aber ich liebe die Approximationen die das Leben für den Ingenieur einfacher machen. ;-)

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 23:21
von cyba
@Jonas

Stimmt, damit ist die Ms = Oberflächenmagnitude und nicht die Lokalmagnitude gemeint (sorry), merci. (Macht aber im vorgerechneten Beispiel keinen Unterschied).

Deine "Theorie" klingt recht plausibel. Fest steht, dass das Grollen von den P-Wellen her rührt. Dass die P-Welle energieärmer ist, das ist, so denke ich, schwierig zu sagen. Am Wochenende setzt ich mich mal mit dem Thema auseinander, vielleicht kommt ja was Gescheites dabei raus ;-):-)

mf Gruss

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Do 1. Jul 2004, 23:53
von Michael (Dietikon)
Hallo zusammen

Ich habe mal mein schlaues Geologiebuch hervorgekramt. Jonas war der Lösung auf der Spur. P-Wellen verursachen das Donnergrollen. P-Wellen verhalten sich in Gesteinen analog zu Schallwellen, die sich in Luft ausbreiten. Allerdings pflanzen sie sich mit ca. 5 km/s fort. Ebenso wie Schallwellen sind P-Wellen Kompressions- oder Longitudinalwelle, die sich in Materie als eine periodische Verdichtung und Verdünnung des Mediums (Luft oder Gestein) ausbreiten. Man kann sich P-Wellen etwa so vorstellen, dass ein Zusammenschieben und ein Strecken des Gesteins aufeinanderfolgen; die Bodenteilchen schwingen - analog zu den Luftteilchen - in Fortpflanzungsrichtung der Welle hin und her. Deswegen kann es zu einer Übertragung der Welle zwischen Gestein und Luft kommen. Bei S-Wellen ist dies nicht möglich, da sie sich nicht wie Schallwellen fortbewegen. Sie sind vergleichbar mit Wasserwellen.

Gruss, Michael

Schon wieder Erdbeben?

Verfasst: Fr 2. Jul 2004, 00:01
von cyba
Hallo Michael

zu den Wellchgeschwindigkeiten (siehe mein Eintrag vom 1.7.2004, 00:18:23)
Longitudinalwellen sind Kompressionswellen (Schallwellen sind Longitudinalwellen).
Dass P-Wellen das Grollen erzeugen ist klar (Schermodul der Luft vernachlässigbar).

Die Frage war: warum er das Grollen vor der Erschütterung vernimmt.

mf Gruss
- Editiert von cyba am 02.07.2004, 00:15 -