Ich habe wieder mal mit Stephan Bader übers Wetter geplaudert. Den Text kriegt das Sturmforum natürlich frei Haus:
Wer die Grafik und das Bild sehen will hier (Achtung, Aboschranke): 
https://www.tagesanzeiger.ch/der-sommer ... 8235841567
Der Sommer macht hitzefrei
2020 verlief in der Deutschschweiz bislang fast ohne Hitzetage über 30 Grad. Verglichen mit den «Freak-Sommern» des letzten Jahrzehnts, ist das aussergewöhnlich – nicht aber im langfristigen Vergleich.
Null. Das ist die Zahl der Hitzetage, die bisher in diesem Sommer an den Meteo-Schweiz-Messstationen in Zürich, Bern und Luzern registriert wurde. Ein Hitzetag ist dann erreicht, wenn die Höchsttemperatur über 30 Grad steigt. An der Messstation Basel konnte Anfang Juli immerhin bereits ein solcher Hitzetag notiert werden.
Die erste Sommerhälfte 2020 kommt im langjährigen klimatologischen Vergleich unauffällig, ja eigentlich «stinknormal» daher – und genau darin liegt das Aussergewöhnliche. Schaut man sich nämlich die Sommer der letzten zehn Jahre an, fällt auf, dass 2020 mit dieser «Normalität» ziemlich aus der Reihe tanzt.
Kein weiterer «Freaksommer»
«Der diesjährige Sommer zeigt uns bisher vor allem eines: wie aussergewöhnlich die Sommer des vergangenen Jahrzehnts waren», sagt Stephan Bader, Klimatologe bei Meteo Schweiz.
Bader drückt es behutsam aus. Man kann es aber auch drastischer formulieren. Speziell für die Jahre 2015, 2018 und 2019 sprechen Fachleute hinter vorgehaltener Hand von regelrechten «Freaksommern». Verrückt waren sie deshalb, weil sie Hitzewellen und Trockenheit brachten, die bis dahin seit Messbeginn in der Schweiz unerreicht waren.
Zur Sommermitte 2019 zum Beispiel hatte die Schweiz bereits eine markante Hitzewoche hinter sich – und eine weitere baute sich gerade auf. Im Juni und Juli schwitzte die Zürcher Bevölkerung an 12 Hitzetagen, in Basel sogar an 17. Und in Genf gab es nicht weniger als 21 Tage mit mehr als 30 Grad.
Sommer mit markanten Hitzewellen sind seit dem Jahrtausendwechsel in der Schweiz zur Regel geworden. Gemäss Stephan Bader ist das ein klares Signal der Klimaerwärmung. Diese Tendenz dürfte sich in den kommenden Jahrzehnten weiter verstärken – so zumindest sagen es die Klimamodelle voraus.
Vor allem für jüngere Menschen sei das heisse Sommerklima der letzten 20 Jahre bereits Normalität, sagt Stephan Bader – der aktuelle Sommer werde daher als aussergewöhnlich betrachtet.
Dabei ist es eigentlich genau umgekehrt. «Der diesjährige Sommer gleicht vom Charakter her den Sommern, wie sie bei uns vor 40 oder 50 Jahren normal waren.» Zwischen 1972 und 1982 gab es zum Beispiel in Zürich sechs Sommer, in denen im Juni und Juli kein einziger Hitzetag gemessen wurde. «So etwas kann man sich heute kaum noch vorstellen», betont der Klimatologe.
Atlantik statt Hochdruck
Das «normale» Sommerwetter 2020 ist meteorologisch gut erklärbar: Der Alpenraum liegt seit Ende Mai unter mehr oder weniger stark ausgeprägtem Tiefdruckeinfluss. Kurze, warme Phasen werden immer wieder von kühleren, regnerischen Abschnitten unterbrochen. Kräftige Sommerhochs und vor allem heisse Südwestlagen, die Luftmassen aus den Subtropen bis in den Alpenraum bringen, fehlen dieses Jahr. Und noch etwas sticht heraus: Es hat regelmässig und reichlich geregnet, vor allem in den voralpennahen Regionen.
Für Stephan Bader ist das ein entscheidender Faktor, den es im Zusammenhang mit der Klimaerwärmung noch genauer zu untersuchen gilt. Der Niederschlag habe einen grossen Einfluss auf das Sommerklima. «Feuchtigkeit verdunstet, und dieser Prozess wirkt sich dämpfend auf die Temperaturentwicklung aus», erklärt er.
Heisst: Je nasser es im Sommer ist, desto geringer sind die Chancen auf Hitzetage oder sogar Hitzewellen. Ein hoher Feuchtigkeitsgehalt am Boden begünstigt im Alpenraum zudem die Bildung von Gewittern, die wiederum für neuerliche Anfeuchtung sorgen. Umgekehrt gilt dasselbe. Trockenheit im Frühsommer begünstigt das Auftreten von Hitzewellen im Spätsommer.
Grosswetterlage bleibt bestehen
Der Sommer 2020 ist zwar erst zur Hälfte vorbei. Gemäss Stephan Bader ist es aber unwahrscheinlich, dass er bezüglich Hitze und Trockenheit noch an seine Vorgänger der letzten Jahre anknüpfen wird. Die langfristigen Wettermodelle deuten bis Ende Juli keine Umstellung der Grosswetterlage an. Das Wetter dürfte also weiterhin eher vom Atlantik dominiert bleiben.
Was der August bringen wird, kann derzeit niemand sagen. Angesichts der mässig warmen und eher feuchten «Vorgeschichte» wäre ein markanter Hitze-August eher ungewöhnlich, sagt Bader. Anhaltend extreme Hitze nur im August sei kein typisches Merkmal von Hitzesommern hierzulande.