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39. «Engadiner» mit anderer Route?
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OK und Vorstand prüfen alternative Szenarien
Wenn der Silvaplanersee im Februar noch nicht mit einer tragenden Eisschicht bedeckt ist, hat man es mit einem aussergewöhnlichen Phänomen zu tun. Gedanken machen sich die Verantwortlichen des Engadin Skimarathons. Sie erwägen die Route über den Uferweg.
Wenn der Silvaplanersee im Februar noch nicht mit einer tragenden Eisschicht bedeckt ist, hat man es mit einem aussergewöhnlichen Phänomen zu tun. Gedanken machen sich die Verantwortlichen des Engadin Skimarathons. Sie erwägen die Route über den Uferweg.
Morgen in vier Wochen wollen wie jedes Jahr am zweiten Märzsonntag rund 12 000 Langläufer den Engadin Skimarathon bestreiten. Das grösste Schweizer Volkssportereignis des Jahres steht heuer unter besonderen Vorzeichen. Noch ist nämlich der Silvaplanersee, auf dem ein Teil der Rennstrecke verläuft, nicht zugefroren. Ein aussergewöhnliches Ereignis, das auf die überdurchschnittlich hohen Temperaturen der letzten Monate zurückzuführen ist. Es stellt sich also die Frage, was passiert, wenn nicht ein Wetterumschwung in den nächsten Wochen die ordentliche Austragung dieses Rennens ermöglicht.
Sorgen machen muss sich da besonders der OK-Präsident des 39. Engadin Skimarathons. «Wir sind bekannt dafür, dass wir uns schon alle möglichen Szenarien überlegt haben und wie wir darauf reagieren sollen, aber dasjenige des ungefrorenen Silvaplanersees war nicht dabei», gibt Emil Tall unumwunden zu. Untätig geblieben sind er und die Leute im OK und Vorstand aber nicht. Sollte der See wirklich nicht mehr fristgerecht zufrieren, haben die Verantwortlichen verschiedene Varianten zur traditionellen Durchführung des Laufs erwogen, die zurzeit im Detail noch geprüft werden.
Start Maloja mit Variante über Silvaplaner Uferweg
Wie Tall betont, möchte man grundsätzlich am Startstandort Maloja festhalten. Nur schon weil dort die ganze Logistik perfekt ist und der Silsersee ja auch keinerlei Probleme darstellt. Die Verschiebung des Starts ist also für die Verantwortlichen noch kein Thema.
Bei der Problemstelle Silvaplanersee wäre geplant, die Läufer über die Loipen des Uferwegs zu führen. Da der obere Teil des Silvaplanersees in Uferwegnähe schon gefroren ist, könnte die Problemstelle, wo effektiv auf dem Land gelaufen werden müsste, sich auf 1 bis 1,5 Kilometer reduzieren, meint Tall. Auf alle Fälle würde es aber zu einem Stau kommen, den es zu entschärfen gelte.
Lösung des Stauproblems
Zur Lösung des Stauproblems kommt dem OK die letztes Jahr eingeführte individuelle Chip-Zeitmessung sehr entgegen. Sie würde zwei Varianten ermöglichen. Einerseits die «Neutralisierung» der Stauzeit. Jedem Läufer würde eine noch festzulegende Anzahl «Stauminuten» von der Laufzeit abgezogen. Dieses Prozedere komme auch im Automobilrennsport bei den Formel-1-Rennen zur Anwendung. Ausgenommen von dieser Stauzeit-Neutralisierung wären die schnellen Läufer der Startkategorien Elite und Elite A.
Eine andere Lösung wäre gemäss Tall die Abänderung des bisherigen Startprozederes. Statt die Läufer
wie bisher massenweise in Blöcken starten zu lassen, würde man kleine Gruppen bilden. So könnten beispielsweise alle vier Sekunden zehn Läufer starten. Ein solcher Modus würde die Länge des gewohnten Startprozederes von 40 Minuten nicht unmässig verlängern, allenfalls verdoppeln, haben die Verantwortlichen für die Zeitmessung (Data Sport) schon mal durchgerechnet. Erfahrungen mit einem solchen Startverfahren in Kleinstgruppen sind vorhanden. Tall zitiert das vor zwei Wochen durchgeführte italienische Langlaufrennen «Marcia longa», das mangels Schnee auf einer fünf Meter breiten Kunstschneeloipe durchgeführt wurde. Das andere Start-Konzept habe sich dort mit den rund 5000 startenden Wettkämpfern bewährt.
Notfalleinsatz mit Schneebob
Da die Uferloipe verhältnissmässig eng ist und ein steiles und kurviges Steilstück aufweist, ist auch Rennarzt Andi Grünenfelder, der für die medizinische Versorgung der Läufer verantwortlich ist, gefordert. Um in diesem Waldstück etwaige Verletzte evakuieren zu können, werden zusätzlich zu den eh schon aufgebotenen Skidoos ein bis zwei weitere im Einsatz stehen. Diese würden im Bedarfsfall von Sils her auf der Rennloipe (und in Fahrtrichtung der Läufer) oder dem (leicht zugefrorenen Seerand entlang) den Zugang zu einer Unfallstelle verschaffen. «Geplant ist auch ein zusätzlicher Sanitätsposten an der kritischsten Streckenstelle», teilt Grünenfelder auf Anfrage mit.
Entscheid wird kurzfristig gefällt
Auch wenn diese Alternativ-Szenarien über die nächsten Tage näher geprüft werden, betont Tall, dass zur Panikmache keinerlei Grund bestehe. Die Wetterlage könne sich immer noch zum besseren bewenden. Ausserdem würde der Entscheid für die Durchführung des Laufs über den Uferweg frühstens eine Woche vor dem Rennen gefällt und den Wettkämpfern erst mit der Startnummernausgabe (also ab dem 8. März kommuniziert).
Dass der Silvaplanersee um diese Jahreszeit noch nicht zugefroren ist, ist zwar ein ausserordentliches, aber nicht einzigartiges Phänomen. Laut Emil Tall und der Silvaplaner Dorfchronik von Arturo Reich kam es schon früher vor, dass Teile des Sees bis Mitte Februar noch nicht mit einer umfassenden Eisschicht bedeckt waren.
Silvaplaner Seewasser zu warm
Gemäss Glaziologe Felix Keller friert der See erst zu, wenn die gesamte Wassermasse auf vier Grad abgekühlt ist. Bis es soweit ist herrscht im See eine gewisse Strömungsbewegung. Die von der Luft an der Seeoberfläche auf vier Grad abgekühlten Wasserschichten sind die schwersten und sinken ab, wärmere im Untergrund steigen auf. Es könne zwar schon sein, erklärt der Naturwissenschafter, dass die Seeoberfläche bei null Grad zufriere, solange das darunterliegende Wasser aber wärmer sei, schmelze dieses aber die Eisschicht laufend von unten her weg. Dass der Silvaplanersee im Gegensatz zum Silsersee noch nicht gefroren sei, hängt gemäss Keller damit zusammen, dass der zweite der grossen Oberengadiner Seen die (wärmeren) Wassermassen des ersten Sees bekomme. Der St. Moritzersee wahrscheinlich noch höhere Wassertemperaturen aufweise, aber aufgrund des deutlich kleineren Wasservolumens schneller friere. Für sekundär, aber dennoch nicht von der Hand zu weisen, hält Keller den Einfluss von Winden, welche die Seeoberfläche aufpeitschen und etwaige dünne Eisschichten aufbrechen können.
Quelle: Engadiner Post Autor: Marie-Clarie Jur
Ort: 7500 St. Moritz
Datum: 10.02.2007
Rubriken: Diverses, Sport, Tourismus