Vielleicht ganz interessant in diesem Zusammenhang meine Story zur Gletscherschmelze 2020. Wie so immer: Es hängt vieles zusammen, wenns um Wetter und Klima geht...
Link zur Story auf den Tamedia-Portalen (Aboschranke):
https://www.tagesanzeiger.ch/zu-heisser ... 5328096110
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Die Gletscher haben auch diesen Sommer gelitten
Die Gletscher im Schweizer Alpenraum haben im Sommer 2020 erneut Eisvolumen verloren. Allerdings war der Schwund geringer als in den Jahren zuvor. Das zeigen erste Messungen. Ausschlaggebend dafür war unter anderem der nasskühle Juni.
Martin Steinegger
Die Schweizer Gletscher sind auch im Sommer 2020 geschrumpft – aber nicht so dramatisch wie in den vergangenen drei Jahren. «Bezogen auf den Gletscherschwund dürfte es auf ein mittelmässiges Jahr hinauslaufen», sagt Matthias Huss, Leiter des Schweizer Gletschermessnetzes Glamos an der ETH Zürich und der WSL Birmensdorf.
Zusammen mit seinem Team ist Matthias Huss – so wie jeden Herbst – im Alpenraum unterwegs, um den Zustand der Schweizer Gletscher zu überprüfen. In den letzten Tagen wurden erste Messungen im Engadin abgeschlossen. Diese Daten werden dann mit jenen verglichen, die im vergangenen April – zum Ende des Winterhalbjahrs – erhoben wurden.
So kann festgestellt werden, wie sich die Gletscher über den Sommer hinweg entwickelt haben. Das endgültige Fazit sei zwar erst nach Abschluss aller Messungen im Oktober möglich, betont der Glaziologe. Ein Trend ist jedoch bereits zu erkennen: «Für die Gletscher war dieser Sommer nicht schlecht – aber auch nicht wirklich gut.»
Weniger schlimm als 2017 und 2018
Nimmt man die letzten zehn Jahre zum Vergleich dann liegt 2020 bezüglich Eisverlust «nur» im Mittelfeld. Besonders dramatisch war die Situation 2017 und 2018. In diesen beiden Sommern verloren die Schweizer Gletscher jeweils rund 2–3 Prozent ihres Gesamtvolumens. Das entspricht etwa einem Kubikkilometer Eis – also einem gigantischen Eiswürfel mit einer Kantenlänge von einem Kilometer.
Ob Gletscher schrumpfen oder wachsen hängt nicht nur von der Temperatur ab. Einerseits ist entscheidend, wie viel Schnee im Winter fällt. Eine dicke Schneedecke schützt den Gletscher im Sommer vor Sonne und Wärme. Und dann ist natürlich das Sommerwetter entscheidend: Je heisser es ist, desto mehr setzt das den Gletschern zu. Das schlimmste Szenario ist eine Kombination aus Schneearmut im Winter und Hitze im Sommer. Das war zum Beispiel 2018 der Fall.
Dieses Szenario wiederholte sich 2020 – zum Glück – nicht. «Obwohl der Jahresbeginn eigentlich dramatisch war», betont Matthias Huss. Vor allem im April herrschte aussergewöhnliche Wärme und Trockenheit. Das führte dazu, dass auf vielen Gletschern die schützende Schneedecke des Winters rasch verschwand. «Teilweise begann die Ausaperung der Gletscherzungen bereits Ende April – das gibt es nur sehr selten», sagt Huss.
Doch dann kam der Juni. «Bezogen auf die Gletscher ist das ein Schlüsselmonat», sagt Matthias Huss. Erstmals seit langem war der erste Sommermonat wieder eher kühl und regnerisch. Für die Gletscher war das ein Segen. Während im Flachland über das «Hudelwetter» geflucht wurde, entschärfte der nasskühle Juni die Situation der Alpengletscher etwas.
Hilfreicher Neuschnee im Juli und August
Ebenfalls hilfreich war, dass diesen Sommer im August zweimal Niederschlagsereignisse auftraten, bei denen die Schneefallgrenze kurzzeitig auf unter 2500 Meter sank. «Das macht enorm viel aus», sagt Matthias Huss. Der sommerliche Neuschnee stellte die Eisschmelze zumindest für einige Tage komplett ab.
Trotzdem kann gemäss Matthias Huss nicht von einer Trendumkehr gesprochen werden. Im Gegenteil. «Wir waren eigentlich erstaunt, wie viel Volumen die Gletscher trotz des eher moderaten Sommerwetters verloren haben». Am grundlegenden, durch den Klimawandel hervorgerufenen Prozess des Gletscherschwundes im Alpenraum ändert ein solcher Sommer nichts.
Die sich in den kommenden Tagen einstellende Septemberwärme dürfte ebenfalls nochmals für einen leichten Schwund sorgen. Allerdings wird dieser gemäss Matthias Huss wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit und der geringeren Sonneneinstrahlung kaum dramatisch ausfallen. Speziell in den östlichen Alpen, wo oberhalb 3000 Meter einiges an Neuschnee liegt, wird die Septemberwärme den Gletschern wenig anhaben können.