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Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 13:52
von Federwolke
Das Timing für Nowcast-Warnungen war natürlich schon extrem ungünstig mitten in der Nacht. Es gibt kaum noch Wetterdienste, die sich eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung leisten wollen oder können, allgemeiner VerAPPelung und Gratis-Mentalität sei Dank (kann sich jeder selber an die Nase fassen). Zudem handelte es sich in dieser Heftigkeit um ein sehr lokal begrenztes Phänomen - blöd halt, wenn es ausgerechnet das am dichtesten besiedelte Gebiet des Landes trifft. Von Sturmschäden bei Egolzwil hat man z.B. überhaupt nichts gelesen (das Durchschnittspublikum hätte sich gefragt: Wo um Himmels Willen liegt Egolzwil?).

Meiner Prognose vom Nachmittag, in der ebenfalls nur von "lokal starken Böen" die Rede war (das Hauptaugenmerk der Warnung galt den Regenmengen), lag dieser Modelloutput zugrunde:

Bild

Das ist wohlverstanden jenes Modell, das die Böen in der Regel eher über- als unterschätzt. Sturmböen im Zuge von Gewitterclustern und -linien werden meist sehr gut erkannt. Hingegen geht eine einzelne, dazu noch relativ kleine Superzelle mitten in der Nacht da offenbar völlig durch die Maschen. Auch der 15z-, 18z- und der 21z-Lauf hatten nichts Verdächtiges drin. Nicht mal der 00z-Lauf, als die Zelle längst existierte. Man hat also zwei Möglichkeiten: Entweder vorzeitig auf blossen Verdacht hin ein äusserst unwahrscheinliches Szenario (das in diesem Fall dennoch blöderweise am dümmsten Ort aufgetreten ist) bewarnen, ohne richtig zu wissen, ob, wann und wo es auftreten könnte. Dann müsste man das konsequenterweise immer tun und in 95 % der Fälle passiert nix und der Empfänger stumpft ob all der vergeblichen Warnungen ab. Oder man warnt im Nowcasting gezielt die potenziell betroffenen Leute kurz vor dem Ereignis, womit wir wieder bei der Einleitung dieses Sermons wären...

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 14:23
von Vortex2
Eine (nicht vollständige) Übersicht über die aktuelle Situation an den kritischen Gewässern:
Stufe 4 bei Vierwaldstättersee und Thunersee:

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2207.html

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2093.html

Stufe 3 bei Bielersee und Zürichsee:

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2208.html

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2209.html

Stufe 2 und 3 bei Aare und Limmat:

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2135.html

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Quelle: https://www.hydrodaten.admin.ch/de/2099.html

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 14:55
von Willi
Das Timing für Nowcast-Warnungen war natürlich schon extrem ungünstig mitten in der Nacht.
Ich ärgere mich noch heute, dass ich um Mitternacht, kaum 2 Std. vor dem Durchzug der 2. Superzelle, schlafen ging. Viel hätte es wohl nicht gebracht (ausser einem Flacker-Video durch die Fensterscheibe), aber das Aufschrecken aus dem Tiefschlaf und das Herumirren in der dunklen Wohnung ohne Strom hätte ich mir wohl erspart.

Es gab viele Gründe für diesen Entscheid:
- Das Verhalten der Zelle 1 (die von Egolzwil), welche ab dem Limmattal deutlich schwächelte
- die Abschwächung der Zelle 2 vor Thun (welche im Nachhinein gesehen, nur vorübergehend war)
- die Erfahrung mit vielen Gewitterzellen aus SW, welche sich regelmässig beim Erreichen des Säuliamtes in Nichts auflösten
- Sternenhimmel und die abgekühlte Nachttemperatur
- mögliche Föhnwirkung
- die angeschauten Modellprognosen, welche durchs Band weg den Schwerpunkt der Gewitter immer weiter gegen Westen schoben und im Osten von Gewittern nichts wissen wollten. (Möglicherweise ist diese Beurteilung nicht ganz korrekt, es entspricht dem Raster, welches ich auf das Modell-Netzwerk gelegt habe.)

Dabei waren beide Zellen wunderbare Superzellen, im Radarbild eher kleiner wirkend als die grossen Hagelzellen vom Juni, aber betr. Windwirkung bedeutend giftiger unterwegs und, vor allem die 2., extrem langlebig. Der Fall stellt sich in eine Reihe mit dem 2.8.2017, 24.6.2002, und anderen.

Meine Schlussfolgerung: die aktuellen Vorhersagemodelle sind unfähig, Superzellen im voraus zu simulieren. Im Nachhinein geht das bestimmt perfekt. Man kann an den Startbedingungen schrauben, bis es passt. Nicht von ungefähr wurden Cellsplits und Superzellen schon in den 80er Jahren genial simuliert und in 3D dargestellt (Klemp und Wilhelmson, Weisman etc.). Ich weiss nicht, woran es fehlt, dass das in der Vorhersage nicht klappt.

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 17:14
von zti
Heute bin ich über 30km gelaufen und gegangen von Seebach über Käferwald, Höngg, Alstätten, Albisrieden, Triemli und am Nachmittag nach Affoltern und via Reckenholz zurück. Sehr eindrücklich. Immer wieder Hotspots und dann überhaupt nichts. Der Hürstwald wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Dann in Affoltern nichts. Um die MeteoSchweiz Wetterstation (106 km/h) nichts. Felder intakt, Bäume ohne Schäden) und dies 700m nördlich vom Hürstwald. Weitere 500m ostwärts wieder grosse Schäden beim Riedenholz (Wald) daneben teilweise Felder plattgedrückt. Grosse Schäden auch um den Schuhlhaus Buhn in Seebach. Ich denke es müssen Böen von 130-150 km/h gewesen sein die mehrere Sekunden gedauert haben.

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 18:22
von mono (Zürich)
zti hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 17:14Dann in Affoltern nichts.
Also mindestens Zürich Affoltern schon nicht ganz nichts, hier im Quartier war heute ein Helikopter am Baumteile entsorgen, und an der Wehntalerstrasse entlang hat's schon auch Schäden, und ein relativ hoher Baum der sich jetzt ans Nachbarsgebäude anlehnt ... aber klar, nicht so extrem wie anderswo.

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 18:25
von Thomas Jordi (ZH)
zti hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 17:14 Weitere 500m ostwärts wieder grosse Schäden beim Riedenholz (Wald) daneben teilweise Felder plattgedrückt.
Da bin dann ich zu Hause. Je, es ist wirklich sehr 'fleckig', das Schadensmuster

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 18:35
von Bernhard Oker
Die Gefahr ausgehend von Baumstämmen im Hochwasser ist unberechenbar. Hier im Video "Aufnahmen vom Stauwehr in Aarberg." gut demonstriert. Wäre fast schief gegangen!
https://www.20min.ch/story/eure-videos- ... 6185416519

Gruss
Bernhard

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 18:52
von Willi
Oder man warnt im Nowcasting gezielt die potenziell betroffenen Leute kurz vor dem Ereignis
Hagelalarm des vollautomatischen Systems meteoalert (20-jährig) an mich selbst, ausgegeben um 01:27 Uhr. Das hätte gereicht, um aufzustehen. Nützt aber nichts, wenn der Alarm auf die Mailbox kommt, und das Handy sowieso irgendwo schlummert, nur nicht im Schlafzimmer. ;)
Hagelschauer in 8143 STALLIKON ab 01h50 13.07.2021 01:25h Restguthaben: 318 Warnmeldungen

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 19:18
von Federwolke
Willi hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 18:52 Nützt aber nichts, wenn der Alarm auf die Mailbox kommt, und das Handy sowieso irgendwo schlummert, nur nicht im Schlafzimmer. ;)
Das ist ein weiterer Punkt. Dort, wo der Alarm (noch) nicht vollautomatisiert per SMS rausgeht, wird er mitunter in der Nacht auch unterdrückt, vor allem wenn man z.B. in einer Grossstadt Zehntausende oder gar Hunderttausende Empfänger hat. Reine Kostenfrage. Denn wer rennt (falls er den Alarm überhaupt hört) um zwei Uhr nachts raus, um sein Auto in Sicherheit zu bringen (wohin, wenn man keine Garage hat?)? Zudem ist es in einem solchen Fall oft besser, die Leute bleiben drinnen in Sicherheit. So gesehen war der Zeitpunkt des Sturms in Zürich ein Glücksfall. Man stelle sich diesen Bombeneinschlag im Feierabendverkehr vor...

Re: [FCST/NCST] Gewitter/Hochwasser ab 12.07.2021

Verfasst: Mi 14. Jul 2021, 19:27
von zti
mono (Zürich) hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 18:22
zti hat geschrieben: Mi 14. Jul 2021, 17:14Dann in Affoltern nichts.
Also mindestens Zürich Affoltern schon nicht ganz nichts, hier im Quartier war heute ein Helikopter am Baumteile entsorgen, und an der Wehntalerstrasse entlang hat's schon auch Schäden, und ein relativ hoher Baum der sich jetzt ans Nachbarsgebäude anlehnt ... aber klar, nicht so extrem wie anderswo.
Besten Dank für dein Feedback. Ich bezog mich lediglich auf meine Runde durch den Hurstwald zum Friedhof und dann nach Norden zur Messstation.