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FCST/NOW: 01.07.2011 Funnel/Wasserhosen Bodensee?

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Cyrill
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Re: FCST/NOW: 01.07.2011 Funnel/Wasserhosen Bodensee?

Beitrag von Cyrill »

Kurzer Chasingbericht:

Als ich um ca. 16 00 Uhr in Winterthur los fuhr, sah es weder nach Gewitter, noch Funnel, noch ähnlichem aus. Nach den WRF-Karten (s. oben) gab es aber fast keine Alternativen; Ziel: mein beliebter Spotterplatz bei Rorschach (Autobahn-PP).
Doch schon bei Uzwil sah ich (und meine Begleiterin) sehr schöne Wolkenabsenkungen in Richtung Südost; später in Richtung Nordost auch zwei kleine Funnel mit Rotation, die aber nur ca. 1 Min. überlebten und zu weit weg waren um zu fotografieren.
Bei Gossau dann leichter Regen (nur kurz) und Richtung Norden plötzlich Quellungen, die sehr schnell hochschossen. Ca. 16 53 Uhr MESZ die Tunnelpassage bei St. Gallen hinter uns, gut durch den Feierabendverkehr gekommen und nach der Verzweigung Arbon wieder freie Sicht nach Norden und Nordwesten.
In extrem kurzer Zeit hatte sich eine gut strukturierte Gewitterzelle in nur wenigen Kilometern Entfernung gebildet (Zugrichtung Ost / Ostnordost), welche wir südöstlich überholten und ich erklärte, dass sie in wenigen Minuten nach meiner Einschätzung blitzaktiv sein wird. 16:57 Ankunft Rorschach. 16:58 NS-Kern bei Arbon (s. Bild)

Bild

Und Punkt 17 00 Uhr ca. 2 - 2 1/2 km westlich der erste Blitz! Die Zelle überrollte uns, doch die Blitzrate war tief (ca. 10 Blitze gezählt). Dann rauschte sie über Appenzell ins Rheintal.

Die zweite Welle um ca. 19 15 Uhr war nicht elektrisch und die paar scheuen Versuche Funnels zu bilden waren kurzlebig und absolut nicht fotogen. Gg. 19 30 Uhr zeichnete sich die Lage ab, wie ich im Forecast befürchtete. Die Zellen schwächten schnell ab, kurz nachdem sie in den 1020 hPa Hochdruckkeil hinein kamen - und obwohl es optisch fantastisch aussah (20 00 Uhr), wird jedem Chaser bei diesem Bild klar: finito, Kameras einpacken und nach Hause fahren.

Bild

Noch ein Link zum Gewitter-Thread von heute:
http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=2&t=7651

Gruss Cyrill

Stefan Hörmann
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Re: FCST/NOW: 01.07.2011 Funnel/Wasserhosen Bodensee?

Beitrag von Stefan Hörmann »

Cyrill hat geschrieben: Die zweite Welle um ca. 19 15 Uhr war nicht elektrisch und die paar scheuen Versuche Funnels zu bilden waren kurzlebig und absolut nicht fotogen. Gg. 19 30 Uhr zeichnete sich die Lage ab, wie ich im Forecast befürchtete. Die Zellen schwächten schnell ab, kurz nachdem sie in den 1020 hPa Hochdruckkeil hinein kamen - und obwohl es optisch fantastisch aussah (20 00 Uhr), wird jedem Chaser bei diesem Bild klar: finito, Kameras einpacken und nach Hause fahren
Moin,

das hat aber nichts mit dem 1020er Hochkeil zu tun, sondern eher mit dem erzeugten Cold Pool der vorangegangen Schauer und dem fortgeschrittenen Tagesgang. Den ganzen Tag über lag der See unter der 1020er Isobar und dennoch hat es für viele Schauer gereicht. Der Luftdruck ist relativ, vor allem wenn die Luftmasse ansich nicht sehr warm ist, wie gestern. Funnelchasing..., würde nie mit dieser Erwartungshaltung auf Tour gehen. :-)
Viele Grüße,
Stefan, Ehingen/Donau, 545NN, Südrand Schwäbische Alb
http://www.gleitsegelwetter.de - Ein Dienst im Auftrag der Piloten

Mein größter Wetterwunsch zu Lebzeiten: Eine komplette Seegfrörne am Bodensee


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Cyrill
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Re: FCST/NOW: 01.07.2011 Funnel/Wasserhosen Bodensee?

Beitrag von Cyrill »

Moin moin Stefan

Danke für Deine Antwort. Sie wirft natürlich eine Reihe von Fragen auf, die ich gerne von Profis beantwortet hätte; sind sie doch elementar, gerade in etwas schwer einschätzbaren Lagen wie diese (vgl. Estofex: gab Lvl 1), für eine genauere Vorhersage, sowie für ein erfolgreiches Chasing. Immerhin gelang mir gestern eine "Punktlandung" und ein Core-Punch mit der spontan entstandenen Zelle bei Arbon; d.h. örtlich und zeitlich die Auslöse richtig eingeschätzt. Item...
...ich möchte lernen, um künftig noch bessere Ergebnisse erzielen zu können und betrachte dies natürlich auch als Herausforderung.

Leider habe ich im Moment nicht so viel Zeit die gestrige Lage genauer zu erörtern. Wenn Du aber Lust und Zeit hast, würde ich gerne anhand der vorliegend beispielhaften Lage in "Wissenswertes" eine Diskussion führen; alleine schon wg. der von Dir angesprochenen Bedingungen betreffend "Überdrucknase" und zum Begriff "Cold pool".

Soviel mal vorweg:
- Das von Dir angesprochene Genuatief (s. 500 hPa Karte) und die gekrümmte Keilachse (Bodenhoch) mit resultierendem leichtem Nordföhn kommt häufig vor, jedoch eher seltener mit einem überlagerten KLT. Erwartungsgemäss strömte die Höhenkaltluft aus NW ein, was auch im Nowcast aus den ANETZ- bzw. Sondierungsdaten erkennbar war - im Vertikalprofil differierten die Winde in den verschiedenen Levels (aus W bis NNW) nicht sonderlich, woraus ich schliesse, dass die vereinzelten Zellen nicht durch Bodenkonvergenzen entstanden sind. Nach meiner Beurteilung trat auch die (in den Karten angezeigte) erwartete Windscherung reduziert auf. Vielmehr schätze ich den thermischen Aspekt höher ein (weshalb die Zellen auch uferseitig des Bodensees entstanden und über das Appenzell ins Rheintal "schwappend" dort allsbald wieder verhungerten).
Interessant war aber vorallem ein extrem kühler und starker Ostwind (kurz vor 17 00 Uhr bei Rorschach), während der Zellbildung bei Arbon und vor Ankunft der Zelle, welcher weder modelliert, noch in den aktuellen ANETZ-Daten erkennbar war. Wenn es sich hier um Inflow handelt, war er schon ziemlich heftig. Handelt es sich aber um ein lokales Windphänomen im Zusammenhang mit dem bereits vorhandenen Cold pool, dann komme ich schon ins Grübeln.

- D.h. nach meinem Wissen unterscheidet sich ein Cold pool zu einem Kaltluftsee, selbst wenn sie ähnlich klingen und grundsätzlich das Absinken kalten Luft identisch ist. Während ein Kaltluftsee, durch orografische Bedingungen eingeschlossen, vorwiegend bei verstärkten Inversionlagen ensteht (insofern auch mikroskalig und nicht modeliert auftreten kann), wird ein Cold pool im Zusammenhang mit der Krümmung / Deformation von Rossby-Wellen (d.h. mesoskalig) erzeugt.
Lit. http://amsglossary.allenpress.com/gloss ... formation1

"A cold pool will initially spread out toward and under warmer air because of higher pressure under the cold, denser air. "
D.h. das gestrige Zusammenspiel des Kaltlufttropfens mit dem ankommenden Höhenkeil dürfte diesen Cold pool erzeugt haben, insbesondere, wenn es heisst...
"An internal Rossby radius of deformation can be defined for fluids with a gradient of potential temperature ...."
Sodann hätte doch bereits in den Modellen, speziell in den Theta-E-Karten, aber auch im PVU-Parameter, dies erkennbar sein sollen - oder nicht?

Während ein Kaltluftsee, im Zusammenhang mit einer Inversion, ein deutliches Zeichen für stabile Schichtungen ist, heisst es in der mir zur Verfügung stehenden Literatur, dass beim Cold pool unter Umständen (durch die Temperaturdifferenz der ihn umgebenden Warmluft) instabile Schichtungen vorhanden sein können, welche zu konvektiven NS-/Gewitterzellen führen.
War dies gestern der Fall? Müsste man auch diesen inflowartigen Ostwind in diesem Zusammenhang sehen? Führten die Schauer ursächlich zum Cold pool, oder unterstützten sie "lediglich" die allmähliche Stabilisierung? usw.

Fragen über Fragen... :help:

Vielleicht hast Du ja mal Lust und Zeit zu antworten...

Gruss Cyrill

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Re: FCST/NOW: 01.07.2011 Funnel/Wasserhosen Bodensee?

Beitrag von Cyrill »

Stefan Hörmann hat geschrieben:Hallo,

vielleicht kann man heute (01.07.) auch wieder Funnels überm (Boden-)See sichten.
Deine Lagebeurteilung war grundsätzlich richtig! Nur der Ort (und nach meiner Einschätzung Ort und Zeitpunkt - s. "Die Chancen für Funnels/Wasserhosen am östlichen Ende des Bodensees stehen gut.") war/waren offenbar etwas zu weit westlich und zu spät gerechnet.....

Bilder und Beschreibung einer Wasserhose auf dem Starnberger See (Bayern) ca. 06z:

"Zeitpunkt: gegen 08:00 Uhr MESZ. Tornado auf dem See gemeldet. Beobachtung über dem mittleren Teil des Sees, von Ammerland am Ostufer aus in Richtung Westen vor Tutzing. Dazu der Beobachter: "Es herrschte leichter Südwind, die Lufttemperatur betrug ca. 13°C, die Wassertemperatur ca. 20°C. Die Aufnahmen zeigen die Wasserhose - von oben nach unten angeordnet - bis sie innerhalb nur weniger Minuten wieder aufgelöst war. Der Schlauch entsprang diffus einer fransig ausgerissenen dunklen Wolkenfront."

Quelle: http://www.tornadoliste.de/110701starnbergersee.htm

Gruss Cyrill

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