Hoi Dämu
Die Antworten auf deine Fragen wurden ja zum grössten Teil und sogar richtig beantwortet, dennoch ist es durch die vielen Beiträge etwas unübersichtlich geworden. Was ich mit meiner kleinen Denkaufgabe anstossen wollte: In der Meteorologie kann man mit den wichtigsten Grundkenntnissen sehr viele Rätsel selber lösen, ohne Physik bis ins letzte Detail studiert zu haben. Das ist meine Vorgehensweise seit 20 Jahren: Von dem was man schon weiss, logische Zusammenhänge suchen und Erklärungen finden für das, was man in Lehrbüchern nicht unbedingt vorgesetzt bekommt. Für dich (und andere interessierte Laien) daher eine kleine Anleitung anhand deines Beispiels, wie man solche Rätsel selber lösen kann. Man muss dabei nur systematisch vorgehen und natürlich logisch denken
Ausgangslage: Du hast festgestellt, dass das Niederschlagsradar (Loop) die Verlagerung eines Niederschlagsgebietes von Nord nach Süd zeigt, das Dopplerbild jedoch eine NW-Strömung. Deine Frage dazu war:
ist die Höhenströmung halt doch westlicher als die Niederschlagsströmung?
Nun die Schritte zur Beantwortung dieser Frage:
1. überlegen, mit was für einem Niederschlagssystem wir es zu tun haben. Ist es
a) konvektiver Niederschlag (Schauer, Gewitter) oder
b) stratiformer (flächiger, regelmässiger) Niederschlag?
Die Antwort lässt sich anhand des Radarbildes leicht geben: Die regelmässige Struktur in der Intensität lässt auf b) schliessen.
2. Aus was für einer Wolkenart fällt stratiformer Niederschlag?
a) aus hochreichenden Wolkentürmen oder
b) aus eher tiefen Wolken?
Wenn man es nicht sicher weiss, reicht ein Blick aus dem Fenster: Die Wolken hängen tief, es ist eine regelmässige Schicht, keine deutlichen Strukturen oder gar Quellungen zu erkennen, also muss es sich um b) handeln: tiefe Wolken
3. In welcher Höhe befinden sich diese Wolken, und können sie somit von der Höhenströmung getrieben sein?
Antwort: Die Wolken sind tief, reichen also sicher nicht bis ins 500 hPa-Niveau (ca. 5500 Meter) hinauf. Also muss ich die 850 hPa-Karte (ca. 1500 m) und - falls vorhanden - die 700 hPa-Karte (ca. 3000 m) zu Rate ziehen. In meinem ersten Beitrag oben habe ich die Windfelder in 500 und 850 hPa gezeigt. Da wir nun (auch dank Willis RHI-Radarbild) wissen, dass die Wolken nicht ins 500 hPa-Niveau reichen, können wir die Höhenströmung vernachlässigen und uns die 850-er Karte genauer anschauen. Dabei müsste einem ein Detail auffallen, das zur nächsten Frage führt:
4. Warum weht der Wind von Deutschland bis nach Norditalien mehr oder weniger gerade von Nord nach Süd, nur knapp nördlich der Alpen weht er von West nach Ost?
Schaut man die Windpfeile genau an, so sieht man zwei Wirbel im Gegenuhrzeigersinn (wir wissen, dass Gegenuhrzeigersinn auf der Nordhalbkugel Tiefdruck bedeutet): Einer im Grenzgebiet Österreich/Tschechien und einer über Kroatien. Wir haben es also mit einem Tiefdrucksystem östlich von uns zu tun, das zwei Tiefdruck-Kerne besitzt. Der nördlichere davon saugt die bodennahe Luft nördlich der Alpen zu sich her, der südlichere jene südlich der Alpen. Die Alpen bilden somit ein Hindernis, das die Strömung um die beiden kleinen Tiefdruckkerne unterstützt. Der Wind wird nördlich der Alpen nach Osten in den Tiefkern bei Österreich gelenkt. Wären die Alpen nicht da, würde der Wind ungehindert in den zweiten Kern südlich hineinfliessen.
5. Was bedeutet diese Erkenntnis nun für die Verlagerung des Regens bei uns?
Das Niederschlagsgebiet wird von Deutschland mit der Strömung zu den Alpen getrieben und hängt dort fest (Nordstau), da gleichzeitig in den untersten Luftschichten der Wind nach Osten abgelenkt wird, zeigt das Dopplerradar eine mittlere Verlagerung der Niederschlagsteilchen von Nordwest nach Südost an. Man muss sich das nun im dreidimensionalen Raum vorstellen: Die Tropfen werden im oberen Teil der Wolken noch nach Süden getrieben, und je weiter nach unten sie fallen, umso mehr werden sie vom Westwind erfasst. Genau das zeigen auch die Windfähnchen im Profiler an, den uns Willi oben gezeigt hat.
Damit wär unser Rätsel gelöst. Für jene, die das gerne üben möchten, folgende Aufgabe:
Angenommen, der zweite (südliche) Tiefdruckkern läge nicht über Kroatien, sondern über dem Golf von Genua. Wie würde sich die Windströmung in 850 hPa verhalten, und was hätte das für einen Einfluss auf das Wetter auf der Alpennordseite? Viel Spass beim Knobeln, und nicht vergessen: Schön systematisch vorgehen
Grüsslis