Nun also noch ein paar Ausführungen zum SSW. Das Ereignis nahm vor wenigen Tagen seinen Anfang über Zentralasien (10 hPa = ca. 31 km Höhe):
Damit wären wir bereits bei der Frage, was ein SSW auslöst. Die Erklärungen, die man auf etlichen Seiten liest, z.B. dass die Erwärmung der Stratosphäre durch einen warmen Atlantik ausgelöst wird, oder dass sie während El Niño auftreten (wir sind derzeit in einer La Niña-Phase) vermögen mich nicht zu überzeugen. Vielmehr werde ich von Fall zu Fall in der Vermutung bestätigt, dass der Auslöser eine WACCy-Situation (warme Arktis, kalte Kontinente) sein dürfte. Das korreliert auch mit der Tatsache, dass SSW-Ereignisse seit der Jahrtausendwende markant zugenommen haben. Denn während die Arktis immer wärmer wird, kühlen die Kontinente im Winter nach wie vor stark aus. Die Erklärung, welche physikalischen Vorgänge durch den zunehmenden Temperaturunterschied auf der Erdoberfläche eine Erwärmung der Stratosphäre in Gang setzen, fehlt mir allerdings noch. Falls da jemand eine Idee hat, immer her damit!
Die extrem hohen Temperaturen über Sibirien gehen in der Folge bis zur Monatsmitte zwar wieder runter, aber die Durchschnittstemperatur auf die Fläche bezogen steigt weiter, weil sich der kalte Pol im Gegenzug fast auflöst. Hier soll das SSW somit seinen Höhepunkt erreichen:
Damit wird der Zonalwind in 30 km Höhe auf dem 65. Breitengrad Nord umgekehrt:

(Wird laufend aktualisiert, Quelle:
http://www.atmos.albany.edu/student/hat ... altime.php)
Das sieht dann etwa so aus:

Man sieht hier, wie auf der pazifischen Seite gar kein Polarwirbel mehr existiert, er liegt völlig zerquetscht auf unserer Seite, wobei der Westwind sehr weit südlich direkt über uns zu liegen kommt. Auf 65 Grad Nord herrschen Ostwinde vor, das ist die sogenannte Zonalwindumkehr.
Zum Vergleich: So wie 2020 müsste der stratosphärische Polarwirbel im Januar normalerweise aussehen:
Nun kommen wir zur Frage, ob sich diese Zonalwindumkehr bis in die tieferen Schichten auswirkt und der Jetstream dadurch beeinflusst wird.
Situation heute:

Quelle:
https://www.geo.fu-berlin.de/en/met/ag/ ... agnostics/
Wir sehen einen Querschnitt der Windverhältnisse (rot = Westwind, blau = Ostwind) vom Südpol (links) bis zum Nordpol (rechts) vom Boden (unten) bis in die Stratosphäre (oben). Unser Wetter wird ziemlich weit unten gesteuert (Jetstream bei ca. 300 hPa, Steuerung der Tiefdruckgebiete bei etwa 500 hPa). Momentan sieht alles noch ziemlich normal aus. Zu Beginn des SSW ist noch keine Zonalwindumkehr zwischen 60 und 90° N auszumachen (alles schön rot in der Höhe). In ein paar Tagen fängt es aber an (zunehmend blau oben rechts):
Die EZ-Prognose reicht 10 Tage weit:

Hier wird das Bild weiter oben vom zerquetschten Polarwirbel sichtbar, südlich der Ostwinde haben sich die Westwinde verstärkt. Beides arbeitet sich nach unten bis zur Tropopause durch (200 hPa, ca. 12 km Höhe). Folge: Der Polarjetstream zwischen 40 und 60° N löst sich entweder ganz auf (pazifische Seite), oder mäandert stark (atlantische Seite). Recht gesund und kugelrund präsentiert sich nur noch der Subtropenjetstream (der dicke rote Fleck bei etwa 30° N in den Vertikalschnitten oben):
Da die Modelle nicht bis in die zweite Monatshälfte reichen, bleibt es völlig offen, ob sich der Jetstream wieder berappelt. Die Langfristmodelle meinen teils ja, teils nein. Ich hab mich aus folgendem Grund für ja entschieden: Anders als 2018 findet das SSW relativ früh statt. Damals ging es vom SSW direkt ins final warming des Frühlings, da ist der Jetstream ohnehin meist am eiern, konnte sich also gar nicht mehr erholen. Das sollte mitten im Winter noch machbar sein. 2019 hat es zwar auch ein Weilchen gedauert, es bleibt also spannend...