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Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Federwolke
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Federwolke »

martinhotz hat geschrieben: "Der Regen war viel stärker als von den Wetterdiensten vorausgesagt."
Mit "den Wetterdiensten" meint Weingartner wahrscheinlich jenen Wetterdienst, auf den sich das BAFU bzw. die Abteilung Gewässerregulierung beim kantonalen Amt für Wasser und Abfall (AWA) per Dekret stützen muss. Vielleicht auch noch jenen, der rund um die Uhr auf allen Kanälen senden darf und daher von der Allgemeinheit am ehesten wahrgenommen wird.

Da die Gewässerabfluss-Prognosen an EZ bzw. COSMO gekoppelt sind, wirkt es sich natürlich fatal aus, wenn dieses Modell mal daneben liegt (weiter oben im Thread habe ich das ja schon mal angedeutet). Die Hydrologen können dann "den Wetterdiensten" die Schuld geben und die Meteorologen können sich (oder müssen vielleicht sogar) damit herausreden, dass das Modell falsch lag. Fazit: Kann passieren, ist halt so. Verantwortung: keine, bzw. "die Natur" oder eine höhere Macht. Steuer- und Gebührengelder fliessen ja zum Glück weiter.

Der kleine private Wetterdienst, welcher mehrere Modelle konsultiert und nach Erfahrung entscheidet und seine Kunden lieber mal zu früh als zu spät auf eine mögliche Gefahr aufmerksam macht, ist zwar mit "den Wetterdiensten" mangels Bekanntheitsgrad nicht mitgemeint, wird aber durch eine solche Aussage mit in Sippenhaft genommen. Der kann sich allerdings (wie in meinem persönlichen gestrigen Fall) auch nicht damit herausreden, dass DAS Modell falsch lag, sondern muss eingestehen dass er sich für das falsche Modell entschieden hat. Fazit hier: Geschieht das zu oft, sind die Kunden weg. Da hilft dann der Staat vielleicht auch aus, das nennt sich Sozialhilfe.
Zuletzt geändert von Federwolke am Mi 6. Mai 2015, 13:42, insgesamt 1-mal geändert.

Thomas Jordi (ZH)
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Thomas Jordi (ZH) »

..inwiefern waren jetzt die Modelle schlecht?
Cosmo wie auch IFS waren sehr gut.
2 Dinge haben nicht perfekt gepasst:
a) Niederschlagsmaximum am Jurasüduss am 1. Mai
b) Niederschlag SO/MO war mehr im Mittelland modelliert und kam mehr in die Voralpen/Alpenregion zu liegen.
Das Modell lag also nicht falsch, oder einfach so falsch, wie Modelle nun mal sind.
Man kann hinterher natürlich immer diskutieren (zb. wäre eine 72h Warnung besser gewesen als mehrere 24h etc.), aber ich kann die Aussagen von Rolf Weingartner einfach so auch nicht einordnen.


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Federwolke
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Federwolke »

Wobei es gerade im Frühling bei solch hoher Schneefallgrenze schon einen gewaltigen Unterschied macht, ob der Niederschlag eher im Mittelland fällt oder in den Alpen den Schnee mit runterspült (so gesehen war die Lage gestern ein Glück im Unglück). Im Unterschätzen des Schmelzwassereintrags liegt meiner Meinung nach der Hund begraben, beweisen kann ich es allerdings nicht. Aber genau auf diesen Umstand stützten meine Prognosen vom vergangenen Donnerstag/Freitag, während man sonst (fast) überall betonte dass der Samstag trocken sei und die nachfolgende zweite Niederschlagswelle weniger heftig als die erste.

Thomas Jordi (ZH)
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Thomas Jordi (ZH) »

Gerade gestern haben die Modelle ja den Niederschlag im Mittelland gezeigt:
Bild
Was den Schnee angeht, der ist bisweilen 'ne Wundertüte (saugt er noch auf, oder kommt plötzlich alles miteinander). Aber was sollen denn Meteorologen tun, wenn nicht die Niederschläge betonen? Hochwasser ist kein meteorologisches Problem. Meteorologen können nur einen Input für den Abfluss geben, andere Teilaspekte kommen von der Schneehydrologie und der Hydrologie.
Zuletzt geändert von Thomas Jordi (ZH) am Mi 6. Mai 2015, 17:31, insgesamt 1-mal geändert.

Goldigoldi
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Goldigoldi »

Ja das Hochwasser scheint erledigt zu sein.
Keine Niederschläge mehr, die Pegel aller Seen und Flüsse sinken, auch der Bielersee sinkt.

Diese Nacht gibts erstmals seit 28. April im BEO wieder grossflächig Bodenfrost oberhalb von 2000 müM, die Schneeschmelze beruhigt sich einen Moment lang.

Die grossen Regenfälle, die vor 24h von Fr auf Sa noch mit 50 mm und mehr angekündigt waren, vermindern sich mit jedem Prognoselauf alle sechs Stunden, nun nur noch maximal 28 mm.
Damit scheinen wir auch am Sa kein Problem zu haben.

Aber wer sieht, wann ich den Thread "Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche" eröffnet habe kann jetzt nicht im nachhinein sagen, die Wettermodelle hätten zu spät zu wenig Regen prognostiziert. So ein Käse. Auch wenn ich Rolf Weingartner persönlich schätze, das war eine faule Ausrede.

Bis zum nächsten Hochwasserereignis!

Goldi

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mr_bike
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von mr_bike »

Welche Lehren werden gezogen?
Ich habe den Eindruck, dass mehr Lehren gezogen werden könnten. Der Wettbewerb zwischen den Meteorologie-Instituten ist hoch und die Zusammenarbeit klein. So werden wenig Synergien genutzt, schlussendlich zulasten der Bevölkerung. Ein konkretes Beispiel von SRF Meteo (weiss nicht ob die auch mitlesen). Die meldeten NACH dem Ereignis vom 1. Mai von 50-80mm (24h-Summe 20-20 Uhr) am Jurasüdfuss. Dachte mir, na gut, mangels Mess-Stationen können die das nicht wissen und habe per Mail darauf aufmerksam gemacht, dass es im Bereich Grenchen-Riedholz 100-130mm waren. Es gab weder eine Antwort noch wurden diese Daten berücksichtigt. Denn in der 5-Tagesübersicht vom 5.5.15 wurden wiederum die 80mm eingerechnet und publiziert. Demnach ist auch nicht damit zu rechnen, dass bei einer zukünftigen vergleichbaren Wetterlage korrekt prognostiziert und gewarnt wird. Unterschätzt haben die Niederschlagsmenge am Jurasüdfuss sämtliche "öffentlich zugänglichen" Wetterdienste.
Gruss
Zuletzt geändert von mr_bike am Do 7. Mai 2015, 09:36, insgesamt 1-mal geändert.
Chrigu aus Langendorf/SO 500 M.ü.M

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Kaiko (Döttingen)
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Kaiko (Döttingen) »

Hoi zäme

Eine Nachbetrachtung:
Die Zusammenarbeit unter den Kantonen klappte bei diesem Ereignis sehr gut.
Die Regulierung der Aare ab Bielersee wurde gut geregelt :up:

Auf folgender Grafik sieht man, wann der Abfluss am Bielersee gedrosselt wurde, und wann er wieder geöffnet wurde.
Auf die steigende Reuss und Limmat wurde am 6. Mai gut reagiert, und am Unterlauf der Aare gab es keine nennenswerte Schäden.
Bild
Quelle: Grafiken BAFU http://www.bafu.admin.ch/

Eine Gegenüberstellung der betroffenen Seen:
Bild
Quelle: Grafiken BAFU http://www.bafu.admin.ch/

Die Aare bei Döttingen am 4. Mai 2015:
Bild
http://www.lodur-ag.ch/doettingen-kling ... &year=2015

Gruss Kaiko
Mitbetreiber des Sturmarchivs Schweiz und Wetterforscher aus Leidenschaft: http://www.sturmarchiv.ch/


Linth
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Linth »

Kaiko (Döttingen) hat geschrieben: Eine Nachbetrachtung:
Die Zusammenarbeit unter den Kantonen klappte bei diesem Ereignis sehr gut.
Die Regulierung der Aare ab Bielersee wurde gut geregelt :up:
Gruss Kaiko
Dem kann ich mehrheitlich beipflichten. War früher teilweise nicht geizig mit Kritik, aber hier hat man gut gehandelt (Ausnahme siehe weiter unten). Logisch kann man es nicht immer perfekt machen, da die Niederschläge halt nicht immer Punktgenau so eintreffen wie vorhergesagt.
Zudem ist im Frühling die Schneeschmelze nach wie vor schwierig einzuschätzen. 200 Höhenmeter machen da teilweise schon viel aus.

Allein die Tatsache, dass der grösste ganz in der Schweiz liegende See (ihr wisst ja welcher ;) ) den höchsten Stand erreichte seit der Gewässerkorrektur (stimmt das überhaupt?) ohne Schaden anzurichten, zeigt uns die Genauigkeit, mit der vorgegangen wurde. Man ging ans Limit, aber mit Marge.

Einzig beim Thunersee/Aare Bern hätte man früher auf einer höheren Gefahrenstufe warnen dürfen, da doch ziemlich klar war, dass mit den prophezeiten Niederschlägen im Einzugsgebiet des Thunersees (in mehreren Wellen) es wieder mal kritisch werden dürfte.
Dies wiederholt sich mittlerweile fast jährlich. Abhilfe schaffen könnte eine völlig neuen Einschätzung der Situation, in dem man den See vor solchen Niederschlägen um 0.5m tiefer senken darf als bisher. Oder man setzt der Zulg einen kleine Stausee vor die Nase.

Schlussendlich bleibt von diesem "Ereignis" nicht viel übrig als der gestiegen Medienhype gegenüber früher.

Linth
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Linth »

Ich bin einfach mal gespannt, wie unser System mit einer völlig anderen Situation umgehen würde. Einer wirklich gefährlichen.

Szenario: Nach einem langen und feuchten Winter mit viel Schnee in den Bergen und viel Regen und Pflotsch im Mittelland (nach Definition des Aargauers wäre das dann ein mieser Winter mit wenig Schnee) setzt sich Anfang Mai eine lebhafte West-Nordwest Lage durch.
Nach 2 Wochen sorgt ein Hoch für ruhiges, warmes Frühlingswetter, 1-2 Wochen lang. Die Menschen geniessen die wärmende Sonne und flanieren in kurzen Hosen und kurzen Röcken :lol: durch die Gassen, ohne zu ahnen, was sich da eigentlich zusammenbraut. Die Seen (auch Stauseen usw.) füllen sich nun schnell mit Schmelzwasser aus den Bergen.
Nach 2 Wochen traumhaftem Vorsommerwetter ändert sich die Grosswetterlage urplötzlich. Nach einer lebhaften Südwest-Lage bildet sich Ende Mai ein Adria-Tief, welches grosse Regenmengen vom Berner Oberland bis ins Prättigau bringt. Die Medien hyperventilieren bereits und berichten wie blöd über jeden möglichen überschwemmten Feldweg.
Und dann, 4 Tage später, setzt eine Grosswetterlage ein wie 1910.
Guet Nacht. :warm:

Stabe
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Re: Sintflut Alpenhauptkamm in erster Maiwoche

Beitrag von Stabe »

Genau! :lol:

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