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Wiederkehrperiode von Hochwasser, Windspitzen etc.

Grundlagen und Expertenwissen.
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Matt (Thalwil)

Wiederkehrperiode von Hochwasser, Windspitzen etc.

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Cedric hat geschrieben:Wie auch immer, gemeint ist die Wiederkehrperiode im Durchschnitt. Und die ist mit 30 Jahren mittlerweile definitiv nicht mehr korrekt angesetzt mit >100j Hochwasser vor 1-2 Jahren und dieses Jahr 2x einem Ereignis, das nur alle 30 Jahre auftreten sollte im Mittel!?
Cedric hat geschrieben:Ich glaub, durch die Verbauungen oben müsste die Schwelle unten deutlich hochgesetzt werden, ein HQ30 ist bei der Mündung eher ein HQ2 geworden....
Beim Anblick der Kander-Hondrich Zeitreihe stellen sich tatsächlich Fragen. Mit Begriffen wie "definitiv" und "nicht mehr korrekt" würde ich aber bei Extremwertstatistiken vorsichtig sein. Anstatt zu mutmassen würde sich vielleicht ein Thread unter "Wissenwertes" lohnen. Ein guter Einstieg ins Thema ist der Bericht der Uni Bern (GIUB):
http://www.kanderwasser.ch/fileadmin/us ... V05_kl.pdf

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Zuletzt geändert von Willi am Di 29. Jul 2014, 14:22, insgesamt 2-mal geändert.

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Willi
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Wiederkehrperiode von Hochwasser

Beitrag von Willi »

Infos/Analysen zur Wiederkehrperiode von Hochwasser sollen in diesem neuen Thread gesammelt werden. Das Posting von Matt (Thalwil) ist ein guter Einstieg dazu.

Im Forum sind zu diesem Thema schon zahlreiche Beiträge zu finden, Suchfunktion benutzen.

Gruss Willi
Zuletzt geändert von Willi am Di 29. Jul 2014, 13:07, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss Willi
Immer da wenn's wettert


Matt (Thalwil)

Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Dazu passend mein Post aus http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php? ... 60#p150630

Hier ein kleiner Exkurs zu Wiederkehrperioden (Jährlichkeit) von Abflussmengen und die Abhängigkeit von der Länge der Historie (gemessene Zeitreihe)
Ein schönes Beispiel ist die Station Oberwald des Bachs Goneri (http://www.hydrodaten.admin.ch/de/2607. ... elle_daten), wo bloss für 21 Jahre Messwerte vorhanden sind.

Da ich geschäftlich gerade mit ähnlichen stat. Analysen beschäftigt bin habe ich mit der Software "R" eine kleine Studie gemacht. Die Berechnung der Wiederkehrperioden erfolgt für diese Station mittels der Gamma-Verteilung (http://de.wikipedia.org/wiki/Gammaverteilung), welche basierend auf den Messwerten Rückschlüsse über die Abflussmengen bei grösseren Jährlichkeiten (50, 100, 200,...) erlaubt.

Am 02.07.2012 wurde eine Abflussspitze von 66 m^3/s gemessen. Dies entspricht gemäss bestehender Extremwertstatistik einer Wiederkehrperiode von ca. 120 Jahren (rotes Dreieck in Grafik c). Nimmt man aber das Jahr 2012 mit in die Statistik hinein und berechnet die Gamma-Verteilung neu, ergibt sich in der Folge nur noch eine Wiederkehrperiode von ca. 55 Jahren (blaues Dreieck in Grafik c)).

Damit wollte ich zeigen wie sensitiv die stat. Verteilungen bei kurzen Beobachtungsperioden sind. Ihr könnt Euch vorstellen wie heikel nun die Berechnung von noch grösseren Wiederkehrperioden (200 Jahre) ist. Bei der Wahl der stat. Verteilungsfunktion geht man davon aus, dass die gemessenen Werte einer solchen Funktion folgen. Wie gut diese Annahme im Falle der Station Oberwald und der Gamma-Verteilung stimmt, seht ihr in Grafik a) und b). Erstere zeigt wie gut theoretische und gemessene Werte übereinstimmen. Im Idealfall würden alle Werte auf der Diagonalen liegen. Zweitere zeigt die Dichtefunktion, gemessen und theoretisch. Nicht überraschend nimmt die Abweichung zu, je grösser die Abflussmenge, d.h. das Ereignis ist. Am besten passt sie für mittlere Werte.

Vielleicht können wir im Forum "Wissenswertes" ein Thread dazu eröffnen.

Gruess, Mat

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Quelle: Autor, Daten: BAFU

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Quelle: BAFU

Matt (Thalwil)

Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Hier noch der Link zu einem verwandten Thread: http://www.sturmforum.ch/viewtopic.php?f=3&t=3149
Sehr lesenswert!

Michael (Seon)
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Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser

Beitrag von Michael (Seon) »

Ich verlinke auch mal ein paar Artikel:

Rolf Weingartner - Analyse der räumlichen und zeitlichen Variabilität der Hochwasser in der Schweiz http://books.google.de/books?id=OwiTp45 ... &q&f=false

Meteoschweiz, Paulo Ceppi - Die Häufigkeit von extremen Windgeschwindigkeiten in der Schweiz: http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... eiten.html
Der gesamte Bericht dazu:http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... /ab219.pdf

Meteoschweiz - Extremwert-Statistik: http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... treme.html

Meteoschweiz, Mark Liniger - Return Period of Wind Storms over Europe (englisch): http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/en ... eriod.html
Zuletzt geändert von Jan (Muri BE) am Di 29. Jul 2014, 22:33, insgesamt 8-mal geändert.

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Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser, Windspitzen etc.

Beitrag von Willi »

Anbei der korrekte letzte Link von Michael (Gränichen). Im Post vorhin lässt er sich nicht mehr ändern.
http://books.google.de/books?id=OwiTp45 ... &q&f=false

Gruss Willi
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Uwe/Eschlikon
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Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser, Windspitzen etc.

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Hallo

Generell: Kann man überhaupt ein Hochwasser von zb. 1914 mit einem Hochwasser von 2014 vergleichen?
Oder anders gefragt: Kann man aus alten Daten überhaupt brauchbare Rückschlüsse und Warnsignale zu heutigen Hochwassern gewinnen?

Wenn man zb. die Siedlungs-, Bodennutzungs- und geomorphologischen Veränderungen eines Einzugsgebiets von 1914 mit 2014 vergleicht, sind das quasi 2 Welten. Hinzu kommen noch die durch die Klimavariabilität verursachten Begleitumstände wie Permafroständerungen, Gletscherrückzug, Anstieg der Baumgrenze+Zunahme der Waldfläche in den Alpen u.a.

Die Zunahme von Lawinen und Schneebretter wird ja teilweise auch der Abnahme der Weidennutzung in den Alpen zugeschrieben. Eine Variable, die mit SFG, NS-Menge und Temperaturänderungen keinen Zusammenhang hat!

Ich finde es heikel, ein Hochwasser von früher mit einem von heute zu vergleichen.


Matt (Thalwil)

Re: Wiederkehrperiode von Hochwasser, Windspitzen etc.

Beitrag von Matt (Thalwil) »

Ich finde es heikel, ein Hochwasser von früher mit einem von heute zu vergleichen.
Da kann ich nur zustimmen. Jedoch bleibt für eine Hochwasserabschätzung nur diese Methode übrig. Rein physikalische Modelle sind nicht in der Lage eine solche Abschätzung zu produzieren. Dazu bräuchtest du ein hochaufgelöstes 3D-Modell des Bodens (nebst anderem). Ich glaube aber, die Hydrologen sind sich der Problematik rund um historische Zeitreihen und Extremwertabschätzung durchaus bewusst. Interessante Einblicke bietet folgender Artikel:

http://www.scherrer-hydrol.ch/pdf/wel_1 ... wasser.pdf

Gruess

Chicken3gg
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Beitrag von Chicken3gg »

Und dennoch - nachdem dieses Jahr die Aare in Bern an 15 Tagen imJuli! die HQ5 Grenze überschritten hat, muss mit den Werten etwas geschehen. Dass 420m3 oder 430m3 ohne Schwemmholz keinen Schaden anrichten wird ausgenutzt und kommt somit häufiger vor, die Werte entsprächen ja sogar fast einem HQ10...

Durch den Stollen wird wohl jährlich bei kritischen Situationen die 420/430m3 in Bern ausgenutzt, um den Thuner- und Brienzersee auf niedrigem Niveau zu halten

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