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Heute vor 10 Jahren: Brig

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
Markus (Horw)
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Heute vor 10 Jahren: Brig

Beitrag von Markus (Horw) »

Heute vor 10 Jahren war die grosse Ueberschwemmung in Brig. Heute ist zwar vieles verbaut in Brig, doch wenn wieder solche Niederschläge aus dem Südosten kommen, vermute ich, würde es auch heute noch Probleme geben. Für Brig und Umgebung ist es am schlechtesten, wenn es aus Südosten regnet.
Markus Burch

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Uwe/Eschlikon
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Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Hallo Markus

Das Unwetter von 1993 war ein lokal sehr begrenztes Ereignis, im Gegensatz zu den Überschwemmungen vom Okt. 2000 (Gondo, Baltschieder, Stalden, Goms, Tessin u.v.a.).
Nebst dem Feuchtnachschub aus Süd, bzw. Südost hängt es vor allem von der Schneefallgrenze ab, wieviel Wasser im Einzugsgebiet anfällt.
Zum Zeitpunkt der Überschwemmung führte die Saltina in Brig eine Wassermenge von 80 m3 (=80'000 Liter) und 1,5 Tonnen Geschiebe pro Sekunde !!!

Gruss
Uwe aus Eschlikon


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Stephan
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Beitrag von Stephan »

Ciao Uwe

"Lokal sehr begrenzt" scheint mir doch ziemlich untertrieben... Von der räumlichen Ausdehnung her war das Ereignis 1993 durchaus mit dem 2000er zu vergleichen. Allerdings waren die Nebenmaxima des Niederschlages unterschiedlich verteilt. Niederschlagszentrum war bei beiden Ereignissen im Simplongebiet, Nebenmaxima gabs 1993 im Tessin und 2000 im Gebiet um den Grand St. Bernard. Was die direkten Schäden angeht, war 2000 mit 670 Mio Franken kleiner als 1993 mit 650 Mio Franken im Wallis und 200 Mio im Tessin.

Aus der Analyse des Hochwassers 2000 vom BWG (http://www.bwg.admin.ch/themen/wasser/pdf/hwea00.pdf-> 15 MB!) hab ich ein paar Ausschnitte kopiert:

- Vergleich der Ereignisse 1993 und 2000 bezüglich Niederschlag

"Vom Septemberereignis 1993 unterscheidet es sich vor allem durch die längere Dauer (sieben statt gut drei Tage) und die wesentlich grösseren Niederschlagsmengen. Dies nicht nur im Raum Simplon – Binn, sondern auch im übrigen Wallis. So wurden in den südlichen Seitentälern der Rhone 2-Tagesniederschläge mit Jährlichkeiten von 100 und mehr Jahren beobachtet. Zwar war deren Menge mit 100 bis 150 mm deutlich geringer als im Zentrum, aber für diese eher trockenen Gebiete müssen sie gleichfalls als ausserordentlich eingestuft werden."

Bild


Beim 93er Ereignis sind in der Saltina 80 - 100 m3/s abgeflossen. Die Messstation wurde zerstört, dieser Wert musste rekonstruiert werden und umfasst auch das Wasser ausserhalb des Messquerschnittes. 2000 gab es dann die höchste bisher erfasste Abflussspitze von ca. 125 m3/s. Die Schäden verhielten sich allerdings gerade umgekehrt, da war 1993 eindeutig schlimmer. Gründe wiederum in der BWG-Publikation:

"An dieser Stelle müssen auch einige jener Schäden angeführt werden, die dank der nach dem Unwetter von 1993 ausgeführten dringlichen Massnahmen vermieden werden konnten. An erster Stelle muss Brig erwähnt werden, das 1993 durch das Ausufern der Saltina einen Schaden von nahezu 500 Mio. CHF erlitt. Das Anheben der Saltinabrücke und die Geschieberückhaltemassnahmen waren im Oktober 2000 so wirksam, dass trotz der zweimaligen deutlich grösseren Spitze kein Ausufern eintrat. Die verbliebenen Schäden durch Erosion an der Uferverbauung sind mit 10 Mio. CHF vergleichsweise klein und bestätigen, dass extreme Ereignisse zwar nicht ohne Schaden, wohl aber ohne Katastrophe ablaufen können."

Gruss, Stephan

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Uwe/Eschlikon
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Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Salut Stephan

Was die Ausdehnung der Niederschläge als solches anbelangt, hast Du natürlich recht. Ich bezog mein "lokal sehr begrenztes Ereignis" nur auf den räumlich angerichteten Schaden (Brig), während im Jahr 2000 die angerichteten Schäden das Wallis, Tessin, etwas in Graubünden, dann aber auch viele Gebiete in Norditalien betraf.

Gruss, Uwe

Baer (Brig/Oberwallis
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Heute vor 10 Jahren: Brig

Beitrag von Baer (Brig/Oberwallis »

Salü zamu,

vorher fielen grosse Niederschlagsmengen in Frankreich. Von Mi auf Do (22./23.) haben wir in Avignon übernachtet. Am Morgen konnten wir gerade noch bevor die Uferstrasse entlang der Rhone gesperrt wurde aus der Parkgarage beim Papstpalast 'entkommen'. In der Nacht von Donnerstag (23.9.) auf Freitag (24.9.) war ich in Aix les Bains. Dort haben wir gehört, dass am Abend auf Grund der schweren Niederschläge in der Region Hochsavoien 3 Menschen ums Leben gekommen waren. Ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube ihr Auto wurde von einem Erdrutsch erfasst. Wir glaubten, elegant an den Problemen vorbeigekommen zu sein. Welch ein Irrtum! Am Samstag um 11 Uhr hörten wir als erste News beim Grenzübertritt in Genf am welschen Radio 'Brigue est detruite'. Wenige Stunden später sassen wir mitten im Schlamasel.

Was gerne vergessen geht, ist die Tatsache, dass im hinteren Saastal ebenfalls sehr schwere Schäden entstanden sind. Um die Probleme in Zukunft zu verhindern wurde im Mattmarkstausee eine Hochwasserreserve eingebaut.

Grüsse
Baer

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Adrian (Dübendorf)
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Beitrag von Adrian (Dübendorf) »

Ich war indirekt bei den Aufräumarbeiten in Brig in der Woche 2 dabei, als die ganze Rettungsschule von Genf aus der Verschiebung nach Brig abkommandiert wurde.
Ich diente gerade meinen Grad als Fourier ab und hatte zwischendurch die Zeit auch noch Fotos
von den Schäden zu machen. Soweit ich mich erinnere, sind da effektiv wie schon erwähnt auch an anderen Orten Schäden entstanden.
Brig war einfach vom Ausmass her extrem. Es wurde aber auch massiv dort geschlampt. Massnahmen die danach korrigiert wurden. Die Brücke inklusive Parkplatzfläche hätte relativ rasch gesprengt werden müssen, damit ein Überlaufen der Saltina vermieden hätte werden können. Aber das ganze Geschiebe
staute sich unter der Brücke und verstopfte diese.
Gruss Adrian Senn
http://www.senn.ch/meteo/

Markus (Horw)
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Beitrag von Markus (Horw) »

Hallo Adrian

Auch Fourier? Habe im 1991 den Fourier abverdient in Luzern.
Markus Burch


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Giovanni (Kriens bei Luzern)
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Beitrag von Giovanni (Kriens bei Luzern) »

@Markus und Michi

ich liege distanzmässig so ziemlich zwischen euch beiden; bei mir sind 17 mm runter gekommen. Schon erstaunlich diese Differenz von 15 mm zwischen Horw und Obernau, ist wohl mit der näheren Lage von Obernau zum Pilatus erklärbar...oder ist wohl dem Michi beim Ablesen das Bier übergelaufen?;-)

Gruss Giovanni

Baer (Brig/Oberwallis
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Heute vor 10 Jahren: Brig

Beitrag von Baer (Brig/Oberwallis »

Salü Adrian,

die ganze Sache lief in einem enormen Tempo ab. Ein deutscher Tourist hat das Geschehen aus einem oberen Stockwerk des Hotel Du Pont mit seiner Vidokamera dokumentiert. Von der hochgehenden Saltina bis zum beinahe kompletten èberlaufen ging es weniger als eine Stunde.
Die Leute von Institut für Wasserbau der ETH bauten den Abschnitt der Saltina von der Napoleonsbrücke bis zur Einmündung in den Rotten nach und simulierten die Ereignisse. Ich habe die Videoaufnahmen des Feriengastes und die Aufnahmen der Modellversuche gesehen. Es war absolut erstaunlich wie die Bilder übereinstimmten. Als sich das Geschiebe abzulagern begann, bildete sich an der Oberfläche eine stehende Welle aus. Diese und weitere Details waren im Orginal und im Modell absolut identisch. Die ETH-Leute sahen diese Untersuchungen als einmalige Möglichkeit, ihre Modelle mit der Realität zu vergleichen.
Eine Sprengung hätte ich nie gesehen. Die Betonplatte (sie stellte die Zufahrt zum Simplonpass dar und war entsprechend solid konstruiert) war in der Richtung des Flusslaufes mindestens 30m lang. Weiter unten, beim Spital und beim Pflegeheim, überspannen weitere Brücken die Saltina. Ich bin der Ansicht, die Brückenplatte hätte nie in so kleine Stücke gesprenngt werden, dass sich diese nicht bei diesen Brücken verfangen hätten. Dann wäre die Brühe einfach einige Meter weiter unter überlaufen.
Die einzig wahre Lösung ist die Geschiebebewirtschaftung (ausbaggern eines riesigen Rückhaltebereichs) oberhalb der Napoleonbrücke sowie die massive Verstärkung der Fundamente der Ufermauern. Dass dies stimmt, zeigte sich 2000. Nur an den Stellen, die der Kanton VS nach den Ereignissen von 1993 als genügend gesichert betrachtete (gegen den dringenden Wunsch der Gemeinde Brig-Glis) brachen die Dämme ein. Das wurde 2000 korrigiert.
Grüsse
Baer

NB Wir waren alle sehr froh um den Einsatz der Armee!!

Baer (Brig/Oberwallis
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Beitrag von Baer (Brig/Oberwallis »

Hi,

noch ein Nachtrag zur Ursache des Überlaufens der Saltina:
Weil das Gefälle des Flusses beim Saltinaplatz geringfügig kleiner war, als oberhalb, begann sich das Geschiebe (in erster Linie Steine und Geröll, sehr wenige Bäume) an diese Stelle abzulagern. Etwas weiter oben bei von Auge nicht sichtbar grösserem Gefälle wurde die Flusssohle abgetragen und die Ufermauern massiv unterspült. Wenige Tage nach der Katastropfe wurden die unter- und hinterspülten Ufermauern mit Pumpbeton hinterfüllt. Dabei mussten stellenweise pro Laufmeter Mauer mehrere (!) Kubikmeter Beton in die unterirdischen Hohlräume eingefüllt werden.
Die Modellversuche der ETH (siehe oben) zeigten, dass die Ablagerung des Geschiebes auch ohne Brücke zum Überlaufen geführt hätten! Es war eindeutig kein "Stauen" an der Brücke.
Diese Resultate haben sich an anderen Stellen, z.B. Baltschieder und den Beinahekatastrophen in Naters und Gampel/Steg bestätigt.
Grüsse
Baer

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