Jahrhundertereignis/Wiederkehrdauer über 300 Jahre
Verfasst: Di 23. Aug 2005, 23:55
Ahoi
Genau das zeigt die Problematik des kurzen Gedächtnisses der Menschheit auf. Man hört diese Tage in den Medienberichten über das Hochwasser wieder oft den Ausdruck "seit Menschengedenken". Sehr oft sind das subjektive Eindrücke, und das "Menschengedenken" bezieht sich gerade mal auf das, an was man sich selbst erinnern kann - vielleicht noch auf das der Eltern, im besten Fall Grosseltern.
Riccos Haus wurde vor 70 Jahren gebaut - in einer Zeit, da es sehr wenige Hochwasser gab. Ein Blick in die Klima- und Umweltgeschichte zeigt uns, dass nach den grossen Gewässerkorrektionen der Schweiz um 1900 kaum extreme Hochwasser aufgetreten sind. Vielleicht führte man das gerade auf die Gewässerkorrektionen zurück? Denn zuvor gab es sehr wohl auch viele schlimme Hochwasser:
Lange Balken: extreme Ereignisse; halblange Balken: schwere Ereignisse (mittlere Hochwasser sind nicht erfasst)
Quelle: Christian Pfister: Wetternachhersage - 500 Jahre Klimavariationen und Naturkatastrophen
Wir denken heute, dass die Extremereignisse rasant zunehmen, weil es in den letzten 20 Jahren eine Häufung gab, und dies nach einer etwa 80 Jahre dauernden Periode ziemlicher Ruhe. Diese 80 Jahre sind eben jenes "Menschengedenken". Man hat vergessen, dass es Gebiete gibt, die früher bereits sehr oft gefährdet waren. Es wäre vor 150 Jahren niemandem in den Sinn gekommen, in diesen Gebieten zu bauen - aber man hatte damals auch noch mehr Platz.
In einer Sendung auf DRS1 heute Abend nach 20.00 Uhr hat jemand (ich glaube es war ein Hydrologe - hab mir leider den Namen nicht gemerkt) einen ganz guten Vergleich gebracht: Die Schweiz hat eine Fläche von 41'000 km2 und 7 Mio Einwohner. Das ergibt eine Fläche pro Einwohner in der Grösse eines Fussballfeldes. Nur sind 2/3 unseres Landes unbewohnbar: Fels, Eis, Wald, Gewässer. Somit müssen wir uns für unseren Handlungsspielraum mit der Fläche des Strafraums begnügen. Und im Strafraum hat jede heikle Handlung Folgen.
Riccos Haus mag aus der Sicht von 1930 nicht in einer Gefahrenzone gebaut worden sein - es war aber im vorletzten Jahrhundert eine, und sie ist es auch heute wieder. Und genau das ist mit sehr vielen Bauten der letzten 70 Jahren passiert.
[hr]
Zur Ergänzung noch ein für Medienverhältnisse sehr guter Kommentar aus dem "Bund":
Kommentar: Selten, aber nicht ungewöhnlich
Von einem Ereignis, das nur alle hundert Jahre wiederkehre, sprachen die Forscher, als im Mai 1999 starke Überschwemmungen die Schweiz heimsuchten - und das Berner Mattequartier hüfttief unter Wasser setzten. Sechs Jahre hat es gedauert, und jetzt steht das Wasser in der Matte mannshoch.
Zwei Jahrhundert-Überschwemmungen in einem halben Jahrzehnt: Man ist versucht, von einer Häufung zu reden. Doch das sollte man besser nicht tun. Extreme Kapriolen des Wetters eignen sich nämlich denkbar schlecht, um eine Statistik des Schreckens zu betreiben. Gerade weil sie insgesamt zu selten auftreten. Daran ändert auch der kurze zeitliche Abstand zwischen diesen beiden Unwettern nichts.
Selten, aber nicht ungewöhnlich: Das gilt für beide Hochwasser. 1999 kam es zu Überschwemmungen mit Folgeschäden von rund 550 Millionen Franken, weil sich im harten Winter zuvor in den Bergen sehr viel Schnee angelagert hatte und die Böden mit Wasser vollgesogen waren. Zwei starke Niederschläge in der Tauperiode brachten das Fass zum Überlaufen. Jetzt sind die Schäden vermutlich noch grösser, und die Ursache eine für die Jahreszeit gar nicht so spezielle Wetterlage: eine Staulage auf der Alpennordseite mit feuchter Luft aus dem Mittelmeer.
Und die Klimaveränderung? Tatsächlich prognostizieren die Forscher seit Jahren, dass sich in der Schweiz die Häufigkeit und die Verteilung der Niederschläge änderten. Allein: Ob extreme Wetterbedingungen wie bei den beiden Hochwassern dazugehören, kann niemand schlüssig sagen.
Der Bund, Patrick Imhasly [23.08.05]
Grüsslis
- Editiert von Fabienne am 24.08.2005, 01:09 -
Also das mit den Bauten in Gefahrenzonen ist so eine Sache: Mein Haus steht nun seit bald 70 jahren hier. Es gab bis 1978 nie ein Schadensereignis. Aber dann sehr regelmässig! 1978, 1994 2x, 1999 2x, und jetzt.....
Genau das zeigt die Problematik des kurzen Gedächtnisses der Menschheit auf. Man hört diese Tage in den Medienberichten über das Hochwasser wieder oft den Ausdruck "seit Menschengedenken". Sehr oft sind das subjektive Eindrücke, und das "Menschengedenken" bezieht sich gerade mal auf das, an was man sich selbst erinnern kann - vielleicht noch auf das der Eltern, im besten Fall Grosseltern.
Riccos Haus wurde vor 70 Jahren gebaut - in einer Zeit, da es sehr wenige Hochwasser gab. Ein Blick in die Klima- und Umweltgeschichte zeigt uns, dass nach den grossen Gewässerkorrektionen der Schweiz um 1900 kaum extreme Hochwasser aufgetreten sind. Vielleicht führte man das gerade auf die Gewässerkorrektionen zurück? Denn zuvor gab es sehr wohl auch viele schlimme Hochwasser:
Lange Balken: extreme Ereignisse; halblange Balken: schwere Ereignisse (mittlere Hochwasser sind nicht erfasst)
Quelle: Christian Pfister: Wetternachhersage - 500 Jahre Klimavariationen und Naturkatastrophen
Wir denken heute, dass die Extremereignisse rasant zunehmen, weil es in den letzten 20 Jahren eine Häufung gab, und dies nach einer etwa 80 Jahre dauernden Periode ziemlicher Ruhe. Diese 80 Jahre sind eben jenes "Menschengedenken". Man hat vergessen, dass es Gebiete gibt, die früher bereits sehr oft gefährdet waren. Es wäre vor 150 Jahren niemandem in den Sinn gekommen, in diesen Gebieten zu bauen - aber man hatte damals auch noch mehr Platz.
In einer Sendung auf DRS1 heute Abend nach 20.00 Uhr hat jemand (ich glaube es war ein Hydrologe - hab mir leider den Namen nicht gemerkt) einen ganz guten Vergleich gebracht: Die Schweiz hat eine Fläche von 41'000 km2 und 7 Mio Einwohner. Das ergibt eine Fläche pro Einwohner in der Grösse eines Fussballfeldes. Nur sind 2/3 unseres Landes unbewohnbar: Fels, Eis, Wald, Gewässer. Somit müssen wir uns für unseren Handlungsspielraum mit der Fläche des Strafraums begnügen. Und im Strafraum hat jede heikle Handlung Folgen.
Riccos Haus mag aus der Sicht von 1930 nicht in einer Gefahrenzone gebaut worden sein - es war aber im vorletzten Jahrhundert eine, und sie ist es auch heute wieder. Und genau das ist mit sehr vielen Bauten der letzten 70 Jahren passiert.
[hr]
Zur Ergänzung noch ein für Medienverhältnisse sehr guter Kommentar aus dem "Bund":
Kommentar: Selten, aber nicht ungewöhnlich
Von einem Ereignis, das nur alle hundert Jahre wiederkehre, sprachen die Forscher, als im Mai 1999 starke Überschwemmungen die Schweiz heimsuchten - und das Berner Mattequartier hüfttief unter Wasser setzten. Sechs Jahre hat es gedauert, und jetzt steht das Wasser in der Matte mannshoch.
Zwei Jahrhundert-Überschwemmungen in einem halben Jahrzehnt: Man ist versucht, von einer Häufung zu reden. Doch das sollte man besser nicht tun. Extreme Kapriolen des Wetters eignen sich nämlich denkbar schlecht, um eine Statistik des Schreckens zu betreiben. Gerade weil sie insgesamt zu selten auftreten. Daran ändert auch der kurze zeitliche Abstand zwischen diesen beiden Unwettern nichts.
Selten, aber nicht ungewöhnlich: Das gilt für beide Hochwasser. 1999 kam es zu Überschwemmungen mit Folgeschäden von rund 550 Millionen Franken, weil sich im harten Winter zuvor in den Bergen sehr viel Schnee angelagert hatte und die Böden mit Wasser vollgesogen waren. Zwei starke Niederschläge in der Tauperiode brachten das Fass zum Überlaufen. Jetzt sind die Schäden vermutlich noch grösser, und die Ursache eine für die Jahreszeit gar nicht so spezielle Wetterlage: eine Staulage auf der Alpennordseite mit feuchter Luft aus dem Mittelmeer.
Und die Klimaveränderung? Tatsächlich prognostizieren die Forscher seit Jahren, dass sich in der Schweiz die Häufigkeit und die Verteilung der Niederschläge änderten. Allein: Ob extreme Wetterbedingungen wie bei den beiden Hochwassern dazugehören, kann niemand schlüssig sagen.
Der Bund, Patrick Imhasly [23.08.05]
Grüsslis
- Editiert von Fabienne am 24.08.2005, 01:09 -