Hallo zusammen
Im Verlauf des Freitags bildete sich über Norditalien ein Vb-Tief (Genua-Tief), welches zumindest als Option ein Chasing nach Turin (da Bernhard ein Hagel-Fan ist), oder nach Bergamo /Brescia als Möglichkeit in den näheren Fokus stellte.
2 Bilder, 06z und 18z des sich bildenden Vb-Tiefs; ein "Klassiker"....
Als ich dann aber kurz nach Mitternacht (19.05.2017) die neusten Karten ansah (u.a. den Superzellen-Parameter bei "Lightning Wizard"), dann war für mich die Sache im Grunde bereits klar. Italien stand ausser Konkurrenz.
Tornados sind immer willkommene Begleiterscheinungen......(Warnstufe 3 bei München / Starnberg
- wurde im Folgelauf leider zurückgestuft).
Kurze Zeit später erschien das aktuelle Estofex-Bulletin, ebenfalls mit Tornadowarnung. Grund genug, um quasi mitten in der Nacht (etwa 00 49 Uhr) Dominic Kurz (was ich zuvor noch nie machte) aus den Federn zu holen, per WhatsApp, in der Hoffnung er würde es bemerken. 00:50 Uhr kam die Antwort (mit seinem Vorhaben, auf der Schwäbischen Alp sich mit den deutschen Chaser zu treffen, die dort Position beziehen wollten). 00:51 Uhr für über 1 h folgte die Chasingbesprechung, denn ich wusste, dass ich aus gesundheitlichen Gründen die von mir geplante Strecke über München bis nach Deggendorf (tschechische Grenze) nicht alleine schaffen würde. Zudem sind 4-6 Augen wachsamer als nur 2, wen es um den "Himmels-Scan" nach Funnelclouds und Tornados geht.
Hitzetief über Ostbayern. LI -3 und rd. 1'000 J/kg ML-50 CAPE im Raum München.... schon mal gut:
"Right entrance"-Bereich des Höhenjets in sehr guter Position in Bezug auf den Target. Windspeed eher verstärkend, während der Verlagerung der Jetachse nach Osten, mit guten Höhendivergenz-Werten:
Ich erinnerte mich an vergleichbare Lagen, bei denen nicht nur die Höhenströmung und das Hitzetief für die Auslöse verantwortlich war, sondern eine microscalige Bodenkonvergenz, gebildet einerseits durch die WSW-Strömung der ankommenden Kaltluft und der durch den Gebirgszug an der tschechischen Grenze umgelenkten Hauptströmung entlang der Isohypsen in den unteren Schichten, von S auf SO eindrehend. Ich kante diese Gegend bereits von einem Chasing mit Andreas (Winterthur) vor einigen Jahren (war auch im Mai) und wusste, wie offen dort die Landschaft ist und wie geniale Bilder man mit den leuchtend, gelben Rapsfeldern man machen kann.
Mein Traum war also: Superzelle, östlich von München mit Tornado und Rapsfeld im Vordergrund.
Zwar war die am nächsten Morgen von Chris erwähnte Druckwelle, mit bodennah einfliessender Kaltluft (Konvektion unterbindend) ein Negativpunkt. Doch durch die lang anhaltende Süd- (Föhn-)Strömung östlich von München, ging ich von einem bis zum Abend hin dauernden wolkenlosen Himmel aus, wo die Sonne richtig einheizen kann.
Janek modellierte die Linie (nachfolgende LCL-Karte) vor München erst gg. 15z.
Dennoch riet ich zur Eile, als am Morgen (19.05.2017) für Bernhard Oker, Dominic und mich klar war (nach dem neusten Update), wohin die Reise gehen soll (über 4 1/4 Std. reine Fahrzeit). Ich gab zu bedenken, dass im Mittagszeitfenster bei Bregenz viel Zeit verloren geht, die Beschaffung von Tunnelvignette und Proviant ein 1/4 Std. in Anspruch nimmt und am Freitagnachmittag, speziell vor Feierabend, der brutale Verkehr bei München an den drei Staupunkten (aus Erfahrung!) Germering (West), Dachau (NW) und Freising / Flughafen (NO) die Nerven eines Chasers sehr strapazieren können.
Wir kamen leider etwas spät weg, brauchten alleine bei Bregenz rd. 45 Min. für die paar Kilometer und standen bei München im Stau, während rd. 50 km vor uns eine wunderschöne Superzelle mit leichter Cold-Ring-Signatur die Autobahn bei Landshut überquerte. Da bei Janek noch eine schöne Zelle um 18z modelliert war, fuhren wir dennoch nach Deggendorf und danach weiter nach Süden auf einen Hügel mit wunderbarer Weitsicht, wo eine Gewitterlinie (2. Welle) genau auf uns zurollte, mit höchster Intensitätsstufe und zwei Cores. Wir sahen einige CC's und eine leichte Shelfstruktur. Es stürmte und wurde extrem kalt. Die Kaltluft und die (zu) früh ankommende Druckwelle räumte die gesamte Energie aus der Atmosphäre, weshalb die Gewitterlinie ohne Blitze, nur noch mit Starkniederschlag über uns hinwegfegte. Immerhin ein satter Corepunch und perfekte Targetauswahl; nur etwas falsches Timing. Die Druckwelle war das berühmte "Zünglein an der Waage"; und wären wir wie geplant um 11 20 Uhr (bzw. 11 50 Uhr bei Winterthur) losgefahren, hätte es zwar für die Hagelzelle bei München nicht mehr, aber für die Superzelle bei Landshut gereicht. Bis Deggendorf müssen an einem Freitag rd. 6 Std. einberechnet werden (inkl. Staus).
Bilder kommen von Bernhard und Dominic. Danke euch, war ein lehrreiches und spannendes Chasing! Die durch die Wetterlage grössere Herausforderung bezüglich der Vorhersage (im Vergleich zu Italien) und Planung / Durchführung des Chasings hat sich gelohnt.
Gruss Cyrill
Vielleicht hier noch zur Ergänzung der Kartenlage beim Forecast die begründbare Vermutung, dass die 2. Welle mit Gewitter-Peak bei Deggendorf um 18z durchaus eine realistische Option war:
Zu Beachten bei folgenden Karten: Relativ-Vorticity-Signatur auf 300 hPa, Bild 01 um 16z noch nichts zu sehen, Bild 02 um 17z pos./neg.-Signatur an der österreichisch-deutschen Grenze bei Braunau am Inn, Bild 03 um 18z ausgreifend in Richtung Norden nach Deggendorf..
Man sieht die von Janek gerechnete "Total condensate (column)" konvektive Zelle in der "Bucht" (über Deggendorf) der feinen, weissen Linie, welche das Geopotential auf 700 hPa referenziert.