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[NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

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Severestorms
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Severestorms »

Hoi zäme

Wie Tinu bereits erwähnt hat, war ich am vergangenen Samstag vor Ort in Bubikon. Die Bedingungen für eine Schadensbegutachtung waren leider nicht gut (Nieselregen, einsetzende Dunkelheit, knappe Zeit), aber ich war zuvor gerade im Zürcher Oberland bei Bekannten zu Besuch und wollte auf der Heimfahrt mittels eines kleinen Umweges die Gelegenheit nutzen, um mir vor Ort selbst ein Bild der Situation zu verschaffen.

Ich muss zugeben, als ich die komplett zerstörte Scheune das erste Mal erblickte, bekam ich leicht Gänsehaut. Schon von Weitem sah der Schaden beeindruckend aus. [emoji33]
Nachdem ich von der Scheune und den in unmittelbarer Nähe entwurzelten Bäumen Fotos gemacht hatte, fuhr ich im Zick-Zack-Kurs in der Gegend herum und registrierte weitere Sturmschäden.

Vorweg: Für eine abschliessende Schadensbeurteilung resp. –Interpretation meinerseits taugt die unter Zeitdruck erfolgte Begutachtung leider nicht. Evtl. geh ich da noch ein zweites Mal hin. Aber was auch mir aufgefallen ist (wie schon Tinu und Michi berichteten), sind die auffällig punktuell vorliegenden Schäden. Da lagen z.B. auf einer Kuhweide drei entwurzelte Obstbäume und genau dazwischen stand einer unversehrt. Die Fallrichtung der Bäume war zwar mehrheitlich nach Westen (was eher für einen Microburst sprechen würde), aber eben nicht nur. Bei einem Bauernhof unweit der zerstörten Scheune z.B. lagen zwei grosse entwurzelte Bäume nur wenige Meter nebeneinander– der eine war nach Osten, der andere nach Westen gefallen (Foto folgt noch).

Ich habe geknickte oder entwurzelte Bäume vor allem westlich der Scheune gesehen. Eine regelrechte oder eindeutige schmale Schneise kann ich – von dem was ich gesehen habe – nicht bestätigen. Augenzeugen konnte ich leider nicht befragen.

Wie folgt eine kurze Übersicht der von mir gesichteten Schäden:
Bild

Die roten Punkte markieren aus dem Gedächtnis heraus die Sturmschäden, welche mir aufgefallen sind. Das waren bis auf die Scheune ausschliesslich umgestürzte oder geknickte Bäume. Der runde Kreis zeigt den Bereich mit den auffälligsten/grössten Schäden.

Gestern habe ich dann noch eine kurze Internet-Recherche gemacht. Nebst den bekannten Schäden im Norden des Quartiers Lenggis berichtet die Feuerwehr Dürnten von einem Einsatz wegen eines umgestürzten Baumes an der Tannägertenstrasse, sowie die Feuerwehr Hinwil von umgestürzten Bäumen auf der A53. Ausserdem wird an selbiger Stelle von Hagelschlag berichtet (siehe auch nachfolgendes Foto).

Bild
Quelle: Feuerwehr Hinwil

Die Feuerwehr Rapperswil-Jona berichtet vor allem von dem Wäldchen östlich der Stiftung Balm (rund 300 südwestlich der Scheune), wo es auffälligen Windwurf gegeben haben soll (habe ich im Zick-Zack-Kurs leider verfehlt).

Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich mich weder auf einen Downburst noch auf einen Tornado festlegen. Jedenfalls habe ich im Moment noch zuviele Fragezeichen, um die Schäden eindeutig dem einen oder anderen Phänomen zuzuschreiben. Für beide Arten gibt es Indizien.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass im Zuge des (evtl. grundsätzlich nicht schadensträchtigen) "Downbursts" bei Jona an dessen Randbereich ein kurzlebiger Wirbel entstand, welcher in der Folge durch einen starken Aufwind in die Länge gezogen und damit tornadisch wurde. Auf- und Abwinde waren gemäss Radaranimation kurz nach 20 Uhr im Raum Jona ziemlich chaotisch. Für einen starken Aufwind bei Bubikon würde auch der lokal beobachtete Hagel sprechen.

Bild
© Andreas Walker / Quelle: http://www.bauernzeitung.ch/news-archiv ... t-scheune/

Wie folgt noch vier Zeitungsartikel zum Fall:
http://www.bauernzeitung.ch/news-archiv ... t-scheune/
http://zueriost.ch/bezirk-hinwil/bubiko ... len/371980
http://zueriost.ch/zuercher-oberland/de ... ren/371728
http://zueriost.ch/bezirk-hinwil/bubiko ... rmt/374206 (nur für Abonnenten)

Interessant, dass in einem Artikel die Rede davon ist, die Scheune sei von einem Baum zusammengedrückt worden. Also danach hat es definitiv nicht ausgesehen! Nur schon anhand der Fotos sollte einem klar werden, dass das Unsinn ist.

@Andreas (Dr. Funnel): Du warst offensichtlich auch vor Ort (dein Bericht in der Bauernzeitung). Hast du noch weitere Fotos der Schäden gemacht, welche im Artikel nicht vorkommen?

Nochmal zusammengefasst:

Für einen Downburst bzw. gegen einen Tornado sprechen würde:
- mehrheitlich westliche/parallele Fallrichtung (noch nicht abschliessend beurteilt)
- Radar- und Webcambilder zeigen zum mutmasslichen Schadenszeitpunkt einen starken Downdraft (genaue Lokalisation schwierig abzuschätzen)

Gegen einen Downburst bzw. für einen Tornado sprechen würde:
- scharf abgegrenzte bzw. punktuelle Schäden, evtl. schneisenartig
- z.T. konvergentes Fallmuster
- Schadensmuster für einen Microburst eher atypisch

Gruss,
Chris
Zuletzt geändert von Severestorms am Mo 4. Jul 2016, 18:19, insgesamt 6-mal geändert.
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Kaiko (Döttingen) »

Hoi Chris

An der Rütistrasse fiel noch eine Tanne auf ein Hausdach.

Und im Artikel http://www.zsz.ch/obersee/grosse-schaed ... y/17736586
"In einem kleinen Wald am Eschenweg fällte der Sturm alleine schon etwa dreissig Bäume!"

Interessant wäre sicher noch das Fallmuster der 30 Bäume in dem kleinen Wäldchen zu untersuchen?

Wenn wir diese Sturmschäden mitberücksichtigen erhalten wir
eine betroffene Schadenschneisebreite von ca. 2 Kilometern.
Bild

Gruss Kaiko
Zuletzt geändert von Kaiko (Döttingen) am Mo 4. Jul 2016, 21:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Dr. Funnel »

@Severestorms: Hoi Chris, ich habe viele Fotos gemacht. Die Bilder im Artikel sind jedoch gut ausgewählt und repräsentativ. Wie Du ja selbst festgestellt hast, sind die Schäden sehr eng begrenzt. In einer schmalen Schneise ist ein Totalschaden anzutreffen, wenige Meter daneben ist alles ganz. Das sieht man auf folgendem Bild. Da liegt links noch ein dicker Baum, der gefällt wurde, das Haus daneben (noch weiter links) ist völlig ganz. Ähnlich sah es in einem Waldstück aus. Da waren nur wenige Bäume in einer Linie gefällt, in der Umgebung jedoch war alles intakt. Da sich in der Umgebung der zerstörten Scheune viel Grasland mit einigen Obstbäumen befindet, sieht man natürlich nur Schäden, wo Obstbäume (oder Bäume in kleinen Waldstücken) gefällt werden konnten. Das heisst aber nicht, dass auch an anderen Orten starke Winde vorhanden waren, die jedoch keine Spuren hinterlassen konnten.
Ich vermute hinter diesem Ereignis einen kleinen Tornado. Downbursts legen Bäume in Waldstücken eher fächerförmig um und nicht in Schneisen. In jedem Fall müssen die Winde lokal sehr stark und eng begrenzt gewesen sein.

Bild
Ein Gewitter kommt selten allein!

Andreas, Hallwil

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Matt (8800 Thalwil)
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Matt (8800 Thalwil) »

Danke allen für die aufwändige Recherche:

Paar Hinweise:

1. Lokale Topografie.
Einige der Schadensorte sind deutlich erhöhte Lagen. Im Bereich der zerstörten Scheune könnten Kanalisierungseffekte zu hohen Windgeschwindigkeiten beigetragen haben.
https://map.geo.admin.ch/?X=234114.00&Y ... ity=1,0.85

2. Baumschäden
Um Rückschlüsse auf die Windspitzen zu machen, müsste man die einzelnen Baumschäden genauer anschauen. Gerade die Hochstammbestände sind häufig überaltert (leider) und sicherlich anfällig für Windbruch. Bei jenen Bäumen, die entwurzelt wurden, mag der feuchte Boden aufgrund der niederschlagsreichen Vorgeschichte eine Rolle gespielt habe.

3. Gebäudeschäden
Die Wechselwirkung zwischen Wind und Gebäudestrukturen ist eine Wissenschaft für sich. Besagte Scheune besitzt praktisch alle Eigenschaften, die sie anfällig für Windschäden (Zerstörung) machen: Alter, steiles Dach, Sattelform (ungefähr), breites Vordach, viele Angriffspunkte in der Fassade (Anbauten, Öffnungen). Hier ein interessantes Dokument: http://praeventionsstiftung.ch/getmedia ... d.pdf.aspx

Street View:
https://www.google.ch/maps/@47.250874,8 ... 312!8i6656

Gruess, Matt
Zuletzt geändert von Matt (8800 Thalwil) am Mo 4. Jul 2016, 23:19, insgesamt 1-mal geändert.

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Tinu (Männedorf)
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Wirklich sehr spannend, das Ganze. Fast wie ein Krimi :-D .

@Chris: Dürfte ich dich in diesem Zusammenhang heute mal per Telefon kontaktieren?
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
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Severestorms
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Severestorms »

@Dr. Funnel: Danke Andreas für deine Einschätzung!

@Matt: Vielen Dank für deine wertvollen Hinweise! Das mit dem nassen Boden habe ich mir auch überlegt. Viele gefallene Bäume hatten ausserdem "faule" Wurzeln – so schien es mir zumindest. Und die Topographie besonders in diesem Fall nicht zu vernachlässigen, macht sicherlich auch Sinn.

@Kai: Ich gehe mit dir einig. Aufschlussreich dürfte wohl vor allem das Muster der gefallenen Bäume im Wäldchen am Eschenweg (resp. Balmstrasse), sowie dasjenige der geknickten Bäume im Wäldchen knapp westlich der Scheune (Rütelistrasse) sein. Evtl. kann ich mir das am Freitag noch einmal anschauen gehen.

@Tinu: Hast eine PM.

Wie folgt ein paar Fotos meiner Schadensbegutachtung:

Bild

Bild

Bild

Bild

Bild

Im letzten Bild sind die zwei zueinander gefallenen Bäume zu sehen, von welchen ich gesprochen habe.

Gruss
Chris
Zuletzt geändert von Severestorms am Di 5. Jul 2016, 11:59, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Die umgefallenen Obstbäume auf den Bildern waren schon nicht mehr gerade fit anhand der div. trockenen Äste ;)
Bei solchen Windböen wird doch auch ziemlich viel Laub von den stehenden Bäumen weggerissen. Anhand des herumliegenden Laubs kann man gut abschätzen, ob der Wind von einer oder von mehreren Seiten kam. Dasselbe gilt auch für kleinere Teile der beschädigten Gebäude, ob sie nur in eine oder mehrere Richtungen flogen.


Severestorms
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Severestorms »

Ich habe noch eine interessante Information von der Feuerwehr Bubikon erhalten. Demnach sei der neben der Scheune entwurzelte Baum (gut hier zu sehen: http://i1044.photobucket.com/albums/b44 ... qtbdbk.jpg) auf ein an der Scheune befestigtes Ankerkabel gefallen. Das habe nach Einschätzung des FW Kommandanten sicherlich auch zu dem grossen Gebäudeschaden beigetragen, da es daran gerissen habe (dieses Kabel ist gut in der Google Streetview zu sehen: https://www.google.ch/maps/@47.250804,8 ... 312!8i6656). Jetzt verstehe ich auch die "Falsch"meldung in einer Zeitung, ein umstürzender Baum hätte die Scheune zerstört.

Gruss
Chris
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von fabiana »

Hoi zusammen

Im ZOL haben sie geschroben dass noch Bilder/Videos gesucht werden. Ich arbeite in der Badi Egelsee und hab ein paar Aufnahmen gemacht. Zu finden unter diesem Link.

Gruss.
fabiana
Zuletzt geändert von fabiana am So 10. Jul 2016, 22:06, insgesamt 1-mal geändert.

Severestorms
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Re: [NCST] Gewitter Freitag, 24.06.2016

Beitrag von Severestorms »

Vielen Dank fabiana für den Link auf die Bilder am Egelsee. Man sieht sehr gut die typische White-Out-Szenerie eines Downbursts. Dürfen wir die Bilder und Videos für die Dokumentation im Sturmarchiv verwenden? Wenn ja, mit welchem Copyright?

Aufgrund eines Aufrufs in der Lokalzeitung haben sich bei mir noch ein paar Augenzeugen gemeldet. Deren Berichte werden zurzeit noch ausgewertet. Obwohl ein Zeuge aus Hittnau in Richtung Zürichsee zwei Tornados gesehen haben will, erhärtet sich zusehends der Verdacht, dass das Sturmereignis einem Microburst geschuldet ist. Die zwei Tornados waren vermutlich zwei dünne Hagelschlots. Aus der Distanz gesehen und bei entsprechendem Licht kann man sie leicht mit Schläuchen verwechseln.

Gruss,
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