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NCST: Gewitter 20.06.2013

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Federwolke
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Federwolke »

Anhand des jetzigen Urteils kann man froh sein, wenn nicht noch plötzlich der Spiess umgedreht und MeteoSchweiz wegen "unzulänglicher Warnung" belangt wird. Das wäre dann der Gipfel. In der Schweiz sind wir hoffentlich noch nicht so weit, andernorts wurden solche Exempel bereits statuiert. Ich verfolge die Sache jedenfalls mit Interesse, nicht zuletzt meiner eigenen Tätigkeit wegen. Und wenn ich mir die Urteilsbegründung jetzt zu Gemüte führe, dann frage ich mich ernsthaft ob meine Arbeit noch Sinn ergibt. Man wird sehen...

Thomas Jordi (ZH)
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Thomas Jordi (ZH) »

Es gibt in der Schweiz (zum Glück!) die Gewaltentrennung. Die Justiz ist unabhängig. Es ist, das ist auch wichtig, kein Urteil, sondern eine Verfahrenseinstellung.
Ich denke, Federwolke, Du kannst sehr entspannt sein: Letztendlich sind sogar gewarnte Ereignisse unerwartet, von dem her sind nicht gewarnte unerwartet unerwartet. :mrgreen:


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Uwe/Eschlikon
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Uwe/Eschlikon »

Bei höherer Gewalt gilt immer doch der Grundsatz der Eigenverantwortung. Und wie heisst es so schön im Versicherungsjargon:
"HG (Höhrere Gewalt) setzt die ausservertraglichen Prinzipien von Verschulden und Haftung ausser Kraft; HG unterbricht den Kausalzusammenhang"

und weiter:

Höhere Gewalt liegt nach schweizerischer Rechtsprechung vor, wenn
-das Ereignis aussergewöhnlich, unvorhersehbar und von aussen einwirkend ist
-das Ereignis unabwendbar ist
-das Ereignis völlig unerwartet eintritt
-das Ereignis von menschlichem Verhalten unabhängig ist
-das Ereignis von ausserhalb des Einflussbereiches der Parteien stammt
-das Ereignis trotz grösstmöglicher Sorgfalt nicht zu verhindern war.

B3rgl3r
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von B3rgl3r »

Uwe/Eschlikon hat geschrieben:Bei höherer Gewalt gilt immer doch der Grundsatz der Eigenverantwortung. Und wie heisst es so schön im Versicherungsjargon:
"HG (Höhrere Gewalt) setzt die ausservertraglichen Prinzipien von Verschulden und Haftung ausser Kraft; HG unterbricht den Kausalzusammenhang"

und weiter:

Höhere Gewalt liegt nach schweizerischer Rechtsprechung vor, wenn
-das Ereignis aussergewöhnlich, unvorhersehbar und von aussen einwirkend ist
-das Ereignis unabwendbar ist
-das Ereignis völlig unerwartet eintritt
-das Ereignis von menschlichem Verhalten unabhängig ist
-das Ereignis von ausserhalb des Einflussbereiches der Parteien stammt
-das Ereignis trotz grösstmöglicher Sorgfalt nicht zu verhindern war.
Höhere Gewalt gibt es grundsätzlich sehr selten vor dem Gesetz. Nur die Versicherungen versuchen gerne mit solchen Dingen die Haftung abzulehnen.
Grund wieso es das selten gibt?

Beispiele: Du Strasse zu deinem Ferienort in den Bergen wird durch eine Lawine verschüttet. Du kannst danach nicht zur Arbeit. Als Laie ruft man: Höhere Gewalt. Das Gesetz argumentiert, dass "es nicht völlig aussergewöhnlich und unvorhersehbar ist, dass in den Bergen Lawinen entstehen und die Strasse verschüttet". Verschüttet eine Lawine in Zürich die Bahnhofstrasse, siehts anders aus :)

Gleiches zu diesem Gewitter:
Ist es im Sommer "völlig Unerwartet", dass es Gewitter geben könnte? Im SOMMER? War es Unvorhersehbar? Ebenfalls Nein. Dafür gibt's Nowcasting und Radar. Aussergewöhnlich? Ja, den Downburst sieht man nicht oft. Aber doch jährlich an den einen oder anderen Orten (Siehe den Tornadoverdacht in Jona von diesem Jahr).

Für einen "höheren Gewalt" Event benötigt es alle Punkte weiter oben. Das kann bspw. ein HQ500 Hochwasser sein, oder ein F5 Tornado in Luzern. Aber sicher nicht ein Sommergewitter.

Also ganz klar keine höhere Gewalt, in diesem Fall. Meiner bescheidenen Meinung nach (Hab Recht nur auf MAS Stufe gehabt). Aber bei dem Thema habe ich nicht aus dem Fenster geschaut weil es auch für mich Interessant war. Was aber auch ist, so hat es mein Rechtsprof gesagt: "gib mir 5 Juristen, und du bekommst 5 Antworten". Weil: Man kann viel Interpretieren :)

Die Schuldfrage, Haftung und mangelnde Sorgfaltspflicht kann ich nicht beurteilen. Ich weiss nicht ob und was das OK gewarnt und vorgekehrt hat. Aber höhere Gewalt? Never ever. Aus den Gründen oben.

Nachtrag: ich kann mir nicht vorstellen, dass das Gericht auf HG verweist. Vielmehr liest es sich danach, dass das OK alles "mögliche" gemacht hat und vorgekehrt hat und es dann halt trotz "grösstmöglicher" Sorgfalt doch zu so einem Ereignis gekommen ist. --> Keine Sorgfaltspflichtverletzung. So lese ich das.

Die Eigenverantwortung ist wieder ein anderes Thema.
Zuletzt geändert von B3rgl3r am Do 4. Aug 2016, 11:54, insgesamt 1-mal geändert.
Viele Grüsse, Andy, GR

Matt (8800 Thalwil)
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Matt (8800 Thalwil) »

Gibt es denn offizielle schriftliche Stellungsnahmen mit Begründung zur Verfahrenseinstellung? Und weiter, wurde was das Technische betrifft (Wetter, Verantwortlichkeiten, Nofallplan, etc.) eine Analyse durchgeführt? Und ja von wem? (Staatsanwaltschaft/Polizei oder externe Experten)? Wie akribisch Vor- und Unfälle im Verkehrswesen untersucht werden, zeigen zwei willkürlich ausgewählte Unfallberichte (Aviatik und Bahn), beide ohne Personenschäden:

http://www.sust.admin.ch/pdfs/AV-berichte//2005_d.pdf
http://www.sust.admin.ch/pdfs/BS//pdf/2013091801_SB.pdf

Eine Untersuchung in diesem Stile erwarte für ein solch folgenschweres Ereignis an einer quasi-öffentlichen Veranstaltung im Mindesten!

Gruess, Matt

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Michel Jorat
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Michel Jorat »

Ich masse mir (als Nichtjurist und Nichtmeteorologe) nicht an, das Urteil des Gerichts zu kritisieren. Aber wie für viele von euch habe ich Mühe, das Urteil und seine Begründung nachzuvollziehen. Ich meine:

- Es war ein aussergewöhnliches Wetterereignis. Das war sogar mir klar, als ich damals die Entwicklung den ganzen Tag über im Forum verfolgte. Heute geht die Post ab und knallts an einigen Orten ganz gewaltig, freute ich mich.

- Eine derartige Lage kann vermutlich immer zu lokalen Windstärken und Schäden führen, die weit überdem liegen, was gemäss allgemeiner Einstufung auf einer beliebigen Warnskala zu erwarten war. Ob >90 oder >120 km/h zu angekündigt sind, irgendwo kanns schnell mal auch 130 km/h sein, oder? Wer dann genau dort ist, hat Pech gehabt. Hier waren eben ziemlich viele dort.

- Ein ETV ist kein Grillfest des Pontoniervereins. Wo sich tausende Menschen (an einem wettermässig sehr exponierten Ort) versammeln, sollten bei den Sicherheitsverantwortlichen angesichts einer anrollenden Gewitterfront dieses Ausmasses die Alarmglocken läuten. Haben sich sicher auch. Nur: Welchen Nutzen haben die besten Alarmglocken, wenn man nicht bereit ist, die sich eigentlich aufdrängenden Massnahmen anzuordnen? Was nützen Evakuierungspläne, wenn man mehr Angst hat, sie anzuwenden, als Angst vor der offensichtlichen Bedrohung?

- An einem Grossanlass die Evakuierung des Eventgeländes verfügen zu müssen, ist kein Pappenstil. Vor allem nicht, wenn mans erst im letzten Moment tut, wenns dann eilt. Schnell schnell, alle rennen, vielleicht bricht Panik aus, Leute stürzen, verletzen sich, irren verängstigt und desorientiert in die Stadt. Und wenns dann nur halb so schlimm wird und der Unwetterkern ein paar Kilometer entfernt vorbeizieht? Ausser Spesen, fluchender Festbesucher und Negativschlagzeilen nichts gewesen... Anders gesagt: Die Verantwortlichen vor Ort (Organisatoren, Polizei und Feuerwehr, aber meines Wissens keine Meteorologen) mussten die Verhältinsmässigkeit beurteilen und haben sicher (da will ich niemandem Böses unterstellen) nach bestem Gewissen abgwogen.

- Gewissen in Ehren, aber als Besucher eines Grossanlasses möchte ich mich lieber auf Wissen und auf Fachleute verlassen können. In einer solchen Situation auf jeden Fall auf einen Meteorologen, der die Entwicklung vor Ort und im engen Austausch mit den Organisatoren beobachtet und beurteilt. Eine generelle Gefahreneinschätzung aus der Ferne von wem auch immer reicht da wohl nicht. Die ETV-Verantwortlichen hätten nach dem verheerenden Joran-Sturm ein paar Tage zuvor gewarnt sein und organisatorisch/meteorologisch sogar noch nachrüsten können. (Oder gehörten sie zu denen, die denken, der Blitz schlage nie zwei Mal hintereinander am selben Ort ein?)

Was ich sagen will: Es liegt mir nichts daran, irgend jemanden des OK zu kritisieren, dass er oder sie im entscheidenden Moment (so ca. um 17 Uhr?) falsch entschieden hat (und ja, was richtig und was falsch ist, kann man erst im Nachhinein beurteilen - aber objektiv gesehen war der Entscheid, hier nicht zu evakuieren, falsch). Ich frage mich einfach: Hatten die Organisatoren eine dem Event angemessene meteorologische Beratung und Unterstützung zur Verfügung? Wenn nicht, dann wäre das ihr Fehler... ein Organisationsfehler.

Trotz Freispruch dürfte manch anderer Eventorganisator durch die Ereignisse sensibilisiert worden sein und sein Sicherheitskonzept verbessert haben. Hoffe ich doch zumindest.

Übrigens: An diesem 20.06.2013 eilte ich kurz vor Eintreffen des Gewitters noch rasch ins Stadtzentrum (von Biel). Nie zuvor habe ich einen so bedrohlichen Himmel gesehen. Als ich 15 Minuten später aus der Migros herauskam, hörte es bereits wieder auf zu regnen. Und überall heulten die Sirenen der Rettungsfahrzeuge... So schnell kanns gehen. Aber wem sag ich das...

Gruss, Michel
Le Jorat = paradisischer Fleck unweit von Biel, nicht zu verwechseln mit dem Joran...

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Marco (Hemishofen)
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Trotz Freispruch dürfte manch anderer Eventorganisator durch die Ereignisse sensibilisiert worden sein und sein Sicherheitskonzept verbessert haben.
Mein subjektiver Eindruck von der Telefonarbeit in der Vorhersage ist eindeutig: JA, seit dem ETV-Ereignis hat die Sensibilisierung vieler Veranstalter im Lauf der vergangenen zwei Jahren zugenommen, das spiegelt sich in der Anzahl und Art der Telefongespräche zu diesem Thema wider. Das ist grundsätzlich gut.

ABER, frage ich mich oft bzw. frage ich einen "Risk management Spezialisten": Ist es überhaupt möglich, bei sich rasch (sagen wir 30min bis 3h) entwickelnden meteorologischen Ereignissen wie aufziehender Starkgewitter, ein grosses Event zu schützen? Ein ETV, ein OpenAir (Gurten, St. Gallen), einen Fussballmatch (Joggeli)? Kann man in einem worst case Szenario mehrere Hunderte oder gar mehrere Tausend Besucher von einem Festgelände innert nützlicher Frist über sichere Wege an einen sicheren Ort evakuieren, ohne dabei die Menschen in andere Gefahren zu begeben (Gedränge, Trampelei, Panik, Wetter-Exposition während Evakuation, ...), die letztendlich sogar mit einem höheren Sicherheitsrisiko zu bewerten sind, als wenn sie die Situation aussitzen?

Habe diese Frage vor ein paar Tagen am 4. August 2016 am Tel mit einem Eventorganisator diskutiert, der mehrere Hundert Personen in einem grossen Festzelt erwartete, welches ab 80 km/h Böen nicht mehr sicher ist. Das Risiko für die 80 km/h war am betroffenen Standort nicht allzu hoch (<30%, gemäss COSMO-E sogar fast 0%), und der Veranstalter hatte einen Evakuationsplan ausgearbeitet. Den anschliessend erfolgten Entscheid zur Durchführung des Events unter diesen Voraussetzungen konnte ich gut nachvollziehen.

Und noch eine Randnotiz: Es gibt jetzt auch Eventveranstalter, die bewusst übers Ziel hinausschiessen. Diesen Sommer "durften" wir eine Kundin am Telefon beraten, die offensichtlich hinten und vorne genau gar nichts von der Materie verstanden hatte. Wahrscheinlich um bei allfälliger Manöverkritik nach Schlechtwetter-Erlebnissen die Meteo-Konsultation nachweisen zu können, hat sie selbst an 0815 Schauertagen gefühlt alle 30 Minuten angerufen, immer dieselben Fragen gestellt und natürlich stets dieselben, typischen und der konvektiven Wetterlage entsprechend nicht abschliessend gesicherten Antworten erhalten müssen (z.B. 50/50 nass/trocken, kaum Hagel/Wind, oder ähnlich). Sensibilisierung in Ehren, aber bitte mit Verstand :!:
Gruss Marco
-------_/)----


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Federwolke
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Federwolke »

Ja, die Sensibilisierung hat stattgefunden. Vom Kanton Bern wurde nach dem ETV-Debakel die Weisung erlassen, dass Veranstalter ab einer gewissen Besucherzahl eine professionelle meteorologische Beratung in Anspruch nehmen müssen, damit sie die Bewilligung vom Regierungsstatthalteramt für die Durchführung überhaupt erhalten. Nun muss man sich vorstellen, dass alljährlich nur alleine im Kanton Bern etwa ein Dutzend solcher Anlässe von kleinen Vereinen organisiert werden (z.B. lädt ein örtlicher Musikverein turnusgemäss zum kantonalen Musikfest, ein lokaler Turnverein zum kantonalen Turnfest etc...). Organisatoren sind in der Regel eherenamtliche Vereinsmitglieder, die genau einmal in ihrem Leben einen solchen Anlass organisieren. Im besten Fall können sie sich Tipps bei anderen Vereinen holen, die schon mal sowas auf die Beine gestellt haben. Andernfalls ist da einfach die Weisung, eine Beratung in Anspruch nehmen zu müssen ohne irgendwelche Vorkenntnisse, Einschulung in Sicherheitsfragen, Konzepte usw. Was ich da alles schon erlebt habe, ist kaum zu glauben. Das geht manchmal so weit, dass man das OK mehrmals bis knapp vor Beginn der Festivitäten darum bitten muss, einem mindestens zwei unabhängige (Mobil- und Festnetz) Nummern mitzuteilen, damit man im Ernstfall warnen kann... Obwohl das nicht Aufgabe und Verantwortung der Wetterdienste ist, greife ich da gelegentlich unter die Arme, auch mit Hinweisen auf Gefahren, an die oft gar nicht gedacht wird je nach Exposition des Geländes - Service am Kunden und im Sinne der Sicherheit der Besucher. Seit es Mode geworden ist, alles aus den öffentlichen Diensten auszulagern, wird auch immer weniger mit den örtlichen Sicherheitskräften (Polizei, Feuerwehr, Zivilschutz) gearbeitet, welche die Gegebenheiten vor Ort bestens kennen, sondern mitunter ziemlich lusche Sicherheitsfirmen beauftragt. Da merkst du als Meteorologe auch sofort, mit wem du es zu tun hast, je nachdem welche Fragen gestellt werden oder wie auf Empfehlungen reagiert wird...

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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Dani (Niederurnen) »

Marco (Hemishofen) hat geschrieben:
ABER, frage ich mich oft bzw. frage ich einen "Risk management Spezialisten": Ist es überhaupt möglich, bei sich rasch (sagen wir 30min bis 3h) entwickelnden meteorologischen Ereignissen wie aufziehender Starkgewitter, ein grosses Event zu schützen? Ein ETV, ein OpenAir (Gurten, St. Gallen), einen Fussballmatch (Joggeli)? Kann man in einem worst case Szenario mehrere Hunderte oder gar mehrere Tausend Besucher von einem Festgelände innert nützlicher Frist über sichere Wege an einen sicheren Ort evakuieren, ohne dabei die Menschen in andere Gefahren zu begeben (Gedränge, Trampelei, Panik, Wetter-Exposition während Evakuation, ...), die letztendlich sogar mit einem höheren Sicherheitsrisiko zu bewerten sind, als wenn sie die Situation aussitzen?
Diese Frage kann sicher nicht allgemein beantwortet werden. Neben der Anzahl der Personen auf dem Gelände ist die Umgebung einer der massgebenden Faktoren für die Dauer der Evakuation. Irgendwo auf einem Berg mit begrenztem Platz könnte das ganze schon ziemlich schwierig werden. Zudem kommt es auch darauf an wie gut die Abläufe eingespielt sind. Bei einem Fest eines kleinen Vereins welches allenfalls nur alle paar Jahre stattfindet ist es schwierig solche Abläufe zu üben. Findet ein Anlass häufiger statt und sind auch immer etwa die gleichen Leute dabei, ist es auch möglich grössere Menschenmengen ohne Panik in kürzester Zeit zu evakuieren.

Als Beispiel ziehe ich da die Vorschriften aus dem Flugverkehr heran. Neu zugelassene Maschinen müssen innerhalb von 90 Sekunden komplett evakuiert werden können. Wer die beengten Platzverhältnisse in Flugzeugen kennt weiss dass das relativ sportlich ist. Das es aber funktioniert wurde erst gerade wieder diese Woche in Dubai bewiesen. Das es bei solchen Evakuierungen zu Schrammen und Brüchen kommt lässt sich nicht verhindern.

An obigem Beispiel zeigt sich klar, ein eingeübtes Team kann das schaffen. Aber auch das ist am Ende wieder eine Kostenfrage, denn Evakuationsübungen kosten Geld. Und das würde wohl das Budget eines kleinen Vereins bei weitem sprengen.
Neu nicht mehr in der Nebelsuppe von Uster sondern in im sonnigen Glarnerland

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Federwolke
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Re: NCST: Gewitter 20.06.2013

Beitrag von Federwolke »

Was hier im Forum bereits wenige Stunden nach dem Ereignis festgestellt wurde, bringt SRF in der heutigen Sendung von Schweiz Aktuell nun auch endlich unters Volk:
http://www.srf.ch/play/tv/schweiz-aktue ... 304f1581fc

Klare Worte. Und dennoch bleibt der schale Nachgeschmack, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren aufgrund der falschen Fragestellung eingestellt hat. Nicht ob die Verantwortlichen zum Zeitpunkt des Unwetters richtig gehandelt haben war entscheidend, sondern dass auf eine professionelle meteorologische Beratung verzichtet wurde. Nun, die Lehren daraus wurden zum Glück inzwischen zumindest teilweise gezogen. Aber zuerst muss es immer Tote und Verletzte geben :(

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