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Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Alles zu (Un)wetter relevant für die Schweiz
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Tinu (Männedorf)
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Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

Hoi zäme

Aktuell baut sich über Europa eine markante Frontalzone auf, wie wir sie seit längerem nicht mehr gesehen haben. Die Frontalzone stellt die Grenzlinie zwischen polaren Luftmassen und subtropischen Luftmassen auf der Nordhalbkugel dar. In der Darstellung der GFS-Karten lässt sie sich gut anhand der 552er-Geopotenzial-Linie ausmachen. Die Frontalzone läuft aktuell im Prinzip von der amerikanischen Ostküste bis nach Sibirien hinein und das sehr markant. Heute (noch) mit zyklonaler Struktur über Mitteleuropa.
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Bis am Donnerstag wird die Frontalzone noch ausgeprägter, weil das Azorenhoch sich zusehends nach Mitteleuropa ausdehnt und die Gegensätze sich so weiter verschärfen. Über Mitteleuropa nimmt die Frontalzone nun leicht antizyklonalen Charakter an:
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Wieso ist das von Relevanz? Solche Konstellationen haben ein hohes Potenzial für starke Windentwicklungen über Europa, weil sich – vereinfacht gesagt – Wellen und Randtiefs entlang dieser Frontalzonen sehr schnell bewegen können und oftmals optimale Voraussetzungen für eine kräftige Zyklogenese vorhanden sind. Oder noch einfacher gesagt: Durch den scharfen Trennstrich zwischen warm und kalt können Sturmtiefs entlang dieser Frontalzone "reiten", bekommen Nahrung aus dem Warmsektor und können sich intensiv vertiefen. Zudem erhalten sie optimale Unterstützung durch das sehr ausgeprägte Höhenwindband.

Eine erstes Resultat dieser Konstellation droht vor allem Norddeutschland morgen Donnerstag. Eine Welle steuert entlang der Frontalzone nach Skandinavien hinein, der Gradient verschärft sich dabei speziell über Norddeutschland markant. Schön zu erkennen auf der Theta-E-Karte ist einerseits die Welle über der Nordsee (blauer Pfeil) sowie der ausgeprägte Warmsektor entlang der Frontalzone (roter Pfeil):
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Die Konsequenzen sind entsprechend. Ziemlich ruppiger Herbststurm im Norden mit Gefahr schwerer Sturmböen:
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Allerdings muss erwähnt werden, dass sich aus der Welle wohl kaum ein richtiges Sturmtief entwickeln wird. Das liegt m.E. vor allem daran, dass die Baroklinität eher schwach ist. Das heisst, dass die Flächen gleichen Druckes (Isobaren) und gleicher Temperatur (Isothermen) fast parallel zueinander liegen. Für eine Sturmtiefentwicklung müssten sich diese aber stärker schneiden.

Die Schweiz bleibt von dieser Entwicklung weitgehend verschont, da wir durchwegs südlich der Frontalzone im Einflussbereich des Azorenhochausläufers liegen. Aufs Wochenende hin kippt die Frontalzone und es kommt zur einer Austrogung über ME, die Frontalzone schiebt sich zum Alpenraum vor, büsst dabei jedoch ihre aktuell zu beobachtende Dynamik weitgehend ein.

Also: Wer am Donnerstag Lust und Zeit auf einen zünftigen, primär Frontalzonen-getriggerten Herbststurm hat, ab an die Ostsee! ;)
Tinu (Männedorf ZH, 422 m ü. M)
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Andreas -Winterthur-
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Andreas -Winterthur- »

Hallo Tinu

Wie gewohnt von dir saubere Analyse der kommenden Lage, thx!
Die Schweiz bleibt von dieser Entwicklung weitgehend verschont, da wir durchwegs südlich der Frontalzone im Einflussbereich des Azorenhochausläufers liegen. Aufs Wochenende hin kippt die Frontalzone und es kommt zur einer Austrogung über ME, die Frontalzone schiebt sich zum Alpenraum vor, büsst dabei jedoch ihre aktuell zu beobachtende Dynamik weitgehend ein.
Dazu kurz noch die Bemerkung, dass in den verschiedenen Modell-Läufen immer wieder gegenstromverdächtige Muster auftauchen. Dies nur als mögliche Variante für nächsten SO/MO:
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Weisse Überraschung im Flachland?
“Some people are weather wise, but most are otherwise” Benjamin Franklin


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Tinu (Männedorf)
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

@Andreas

Merci!

Bezüglich Gegenstrom: Stimmt, ist mir gar nicht aufgefallen. In der Höhe mit dem Jet Gebläse aus Südwest, in den tieferen Stockwerken jedoch Anströmung aus Nord-Nordost! Das wäre ja nicht das erste Mal, dass es bei einer solchen Lage v.a. in den prädestinierten Gebieten (Alpentäler) mit der Niederschlagsabkühlung bis ganz runter flocken würde.

Ist zwar noch etwas weit weg für Details. Mit dem Blick auf die Entwicklung über dem Atlantik würde ich aber zumindest behaupten, dass der Kaltluftvorstoss am Wochenende sehr realistisch ist. Glaube nicht, dass das kräftige Hochdruckgebiet mitten im Atlantik – welches den Vorstoss der Kaltluft nach Süden überhaupt erst möglich macht – in den kommenden Tagen einfach so weggerechnet wird:

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PS: Die wirklich sehr markante Frontalzone vom Donnerstag noch in der Wetter24-Darstellung von ECMWF:
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Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Mi 3. Nov 2010, 17:13, insgesamt 1-mal geändert.
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Alfred
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Alfred »

Hoi zäme

Der schnelle Weg von der US-Ostküste nach (vorläufig) Irland!

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Quelle: http://nwmstest.ecmwf.int/products/fore ... atch4.html

Gruss, Alfred

Urbi

Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Urbi »

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08:45 UTC
Noch ein windiger Beitrag.


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Airmass
09:00 UTC
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Gruss
Urbi
Zuletzt geändert von Urbi am Fr 5. Nov 2010, 10:53, insgesamt 2-mal geändert.

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Alfred
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Alfred »

Off Topic
Achtung @Urbi, windig kann man unterschiedlich auslegen :lol: !
Gruss, Alfred

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Tinu (Männedorf)
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Tinu (Männedorf) »

@Alfred und Urbi

Merci für die Daten und Satpics. Und solange ihr euch nicht über jene Winde unterhaltet, die durch Gährungsprozesse entstehen, seien solche sprachlichen Ungenauigkeiten mal verziehen :-D

Die Welle, die gestern über Norddeutschland in die Frontalzone hineingelaufen ist, hat übrigens wie erwartet in den höheren Luftschichten (Lagen oberhalb ca. 800 Meter) verbreitet Schwere Sturmböen und sogar Orkanböen gebracht. Ebenfalls erwartungsgemäss fielen die Böenspitzen im Flachland schwächer aus, mal von exponierten Lagen und den Küsten abgesehen. Die Welle hat sich wie in den Modellen angedeutet nicht zu einem eigentlichen Sturmtief entwickelt. Auf den Vorhersagekarten ist die Welle, die nun Richtung Polen abzieht kaum noch auszumachen. Gegen Abend fächert der Gradient über Nord/Nordosteuropa dann wieder auf, Isothermen und Isobaren bewegen sich fast parallel. Der barotrope Frontalzonen-Express zieht nach Osten ab. Wobei man mit Barotrop vorsichtig sein muss, da sich eine Barotropie nach Lehrbuch in der Realität ja unmöglich einstellen kann. Aber hier gehts zumindest stark in diese Richtung, würde ich mal sagen...

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Das war eine synoptisch hochspannende Lage, wie ich finde. :up:
Zuletzt geändert von Tinu (Männedorf) am Fr 5. Nov 2010, 12:06, insgesamt 2-mal geändert.
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Alfred
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Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Alfred »

Off Topic
Tinu (Männedorf) hat geschrieben:@Alfred und Urbi
Und solange ihr euch nicht über jene Winde unterhaltet, die durch Gährungsprozesse entstehen, seien solche sprachlichen Ungenauigkeiten mal verziehen :-D
Wobei die
Methanproduktion
Off Topic
durchaus ein Thema wäre!
Gruss, Alfred

Urbi

Re: Kräftige Frontalzone, Anfang November 2010

Beitrag von Urbi »

Off Topic:
Da bin ich aber froh, dass das -"Noch ein-" nicht schräg verstanden wird. :)

Noch ein Airmass
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Viele Grüsse
Urbi

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