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Sturmwarnungen auf den Schweizer Seen

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Tiefflieger
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Sturmwarnungen auf den Schweizer Seen

Beitrag von Tiefflieger »

Hat jemand vielleicht eine Erklärung für meine Beobachtung:

Früher, in meiner Kindheit war die Sturmwarnung (die gelben Blinklichter die man an allen Schweizer Seen sieht wenns stürmt) etwas, auf das man sich 100% ig verlassen konnte. Wenn die losging gab's nur eine richtige Verhaltensweise: runter vom See, nach Hause um Fenster, Dachfenster und Vorläden zu schliessen - Es ist etwas heftiges im Anmarsch.

Heute ist es eher so dass, nachdem der Sturm die Markise heruntergerissen und Nachbars Palme in den Gemüsegarten geworfen hat, ein Blick auf die Sturmwarnung bestätigt dass es "tatsächlich ein Sturm ist".

Ich kann allerdings nur für die zwei Anlagen im Bootshafen Buochs und in Gersau sprechen. Ich habe keine anderen Anlagen in meinem "Blickfeld".
Wenn ich mich richtig erinnere wurde vor etwa fünf Jahren etwas geändert (kann auch länger her sein). Zum einen laufen die beiden Anlagen seither nicht mehr parallel - Das heisst: Gersau kann in Betrieb sein, Buochs nicht - zum anderen sind sie als "Sturmwarnung" völlig unbrauchbar geworden. Die Dinger schalten erst ein wenn's einen von den hohen Wellen schon aus dem Boot gekippt hat.

Weiss jemand warum das früher so viel zuverlässiger war, respektive warum das jetzt nicht mehr so ist. Oder was denn die Kriterien fürs "Warnen" sind? Oder ist vielleicht sogar jemand von den Betreibern hier im Forum tätig?

Willi ...

Seebueb
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Re: Sturmwarnungen auf den Schweizer Seen

Beitrag von Seebueb »

Hallo Tiefflieger,

Ich kann nur für den Bodensee sprechen: Hier waren früher zwei Zonen, Ost und Westteil. Dazu 40 U/min für Starkwind, der irgendeinmal eintreffen sollte und 90 U/min für sofortiges Eintreffen. Dieses System erwies sich als zu diffus und befriedigte nicht in allen Teilen. Es wurde vor ein paar Jahren geändert.

Heute wird der See in drei Teile eingeteilt, der jeder für sich "gezündet" werden kann. Sehr vorteilhaft für den Föhn, der nur im Ostteil bis auf etwa eine Linie Langenargen-Arbon etwas bringt und sonst nur verwirrt. Auch die im jetzigen Monat beobachteten Zugbahnen mehrheitlich im nordwestlichen Bodenseeteil können so differenzierter befeuert werden. Letzten Mittwoch z.B. brannten die beiden Sektoren seeabwärts, was dann ja auch eintraf.

Zudem wird nun klar zwischen Starkwinden mit Böen über 25 Knoten (40 U/min) und Sturmwinden mit Böen über 35 Knoten (90 U/min) unterschieden.
Bei beiden sollte man dann innert spätestens einer Stunde das Feld geräumt haben. Die Warnungen werden beim Bodensee durch Meteo Schweiz Zürich und durch die Wetterzentrale Stuttgart gesteuert. (Bitte Marco Stettfurt, korrigieren, wenn ich Stuss herausgelassen habe.)

Soweit ich das beurteilen kann, klappt es mit der neuen Regelung gut.

Gruess Seebueb
Ich liebe Wind und Wellen!


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Marco (Hemishofen)
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Re: Sturmwarnungen auf den Schweizer Seen

Beitrag von Marco (Hemishofen) »

Hallo zusammen,

ich möchte/muss hier etwas klarstellen: es gibt einen feinen, aber in meinen Augen entscheidenden Unterschied
zwischen der Sturmwarnung auf dem Bodensee und den übrigen Deutschschweizer Seen:

Bodensee: wir (MeteoSchweiz in Zusammenarbeit mit DWD/RZ Stuttgart und den örtlichen Wasserschutz-/Seepolizei)
warnen vor Überschreitung der Böenspitzen von a) 25 kt mit 40/min und b) 33 kt mit 90/min.

Übrige Schweizer Seen: wir (MeteoSchweiz in Zusammenarbeit mit der jeweils örtlichen Seepolizei) warnen vor
Wahrscheinlichkeiten der Überschreitung Limite von 25 kt Böenspitze, und zwar a) wenn >25 kt "möglich" 40/min,
b) wenn >25 kt "sicher" mit 90/min. In den SMS, Fax und Internetmeldungen geben wir als Zusatzinformationen
an die Kunden auch an, ob allenfalls 33 oder 41 kt überschritten werden, und aus welcher Richtung.

Fragt mich jetzt bloss nicht, woher der Käse mit den Wahrscheinlichkeiten eigentlich kommt. Persönlich scheint mir
diese Interpretation schwieriger nachvollziehbar und ich frage mich, ob die Mehrheit der Wassersportler das Blinken nicht
intuitiv eher im "Bodensee-Stil" interpretiert ...?

Am Genfersee ist es übrigens nochmal anders: dort schaltet die Blinkerei nach 2h Anzeige wieder aus, nach dem
Motto "wenn bereits Sturm ist, dann sieht das jeder mit seinen eigenen Augen, Signalisation muss nur VOR dem
Einsetzen des Windes stattfinden". Auch recht vernünftig, eigentlich. Hauptsache föderalistisch und überall anders.

Zielvorgabe und Verifikationskriterium ist, eine Stunde vor Auftreten der ersten Bö im entsprechenden Seeteil zu warnen.

So viel zu den Formalitäten. Inhaltlich hoffe ich natürlich, dass du nicht recht hast, Tiefflieger, sondern dass es deine
subjektive Wahrnehmung ist ;) Ich habe die offiziellen Statistiken (Windwarnungen werden jährlich verifiziert und
auch mit der Seepolizei ggf. für Verbesserungsmassnahmen diskutiert) für den Vierwaldstättersee nicht im Kopf,
glaube mich aber daran zu erinnern, dass allgemein auf unseren Seen Trefferquote und Falschalarmraten sich
im Laufe der letzten Jahre auf einem gewissen level stabilisiert hat. Schlecht gewarnte Ereignisse kommen leider
immer wieder (auf jedem See) vor und es sind naturgemäss diese Ereignisse, die in den Köpfen bleiben.
Ich kann gerne bei unseren Verifikatoren nachfragen, wie die Statistik am Vierwaldstättersee genau aussieht.

Wichtig ist, und das wird in der Wassersport-Szene nach meiner Wahrnehmung auch mehrheitlich so akzeptiert und gelebt,
dass letztendlich jeder die Wettersituation vor Auslaufen und während Aufenthalt auf dem Wasser kritisch prüfen muss.
Wer die Wettersituation kennt, sich entsprechend vorsichtig verhaltet, oder bei Überraschung mit oder ohne Sturmwarnung
rasch und richtig handelt, minimiert das Unfallrisiko.

Apropos, zwei Artikel aus dem Region Thunersee zu diesem Thema:
War es Schlamperei oder ein Zufall?
Polizei in der Kritik wegen Unwetter-Alarmierung
Zuletzt geändert von Marco (Hemishofen) am Mo 19. Jul 2010, 15:19, insgesamt 2-mal geändert.
Gruss Marco
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Enzo
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Re: Sturmwarnungen auf den Schweizer Seen

Beitrag von Enzo »

Marco (Stettfurt) hat geschrieben: Am Genfersee ist es übrigens nochmal anders: dort schaltet die Blinkerei nach 2h Anzeige wieder aus, nach dem
Motto "wenn bereits Sturm ist, dann sieht das jeder mit seinen eigenen Augen, Signalisation muss nur VOR dem
Einsetzen des Windes stattfinden". Auch recht vernünftig, eigentlich. Hauptsache föderalistisch und überall anders.
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Gruss
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