Passt wohl hier hinein: Meine Story u.a. mit Zitaten unserer Fabienne und Verweis auf ihren Wetteratlas:
Hier gibts die Story mit Bild und Grafiken:
https://www.tagesanzeiger.ch/warum-wir- ... 7438234695
Klimawandel und Wetterlagen
Warum wir den Winter trotz Erwärmung nicht ganz abschreiben sollten
Der Klimawandel schreitet voran. Bei der Frage, wie sich die Erwärmung konkret auf die Wetterlagen in der Schweiz auswirkt, stösst die Wissenschaft aber an Grenzen. Die Gründe.
Milde Winter, heisse und trockene Sommer und immer neue Wärmerekorde: Seit einigen Jahren macht sich der Klimawandel in der Schweiz verstärkt bemerkbar. In regelmässigen Abständen wird die Skala des bisher Bekannten in neue Höhen geschraubt – zuletzt im Oktober, der mit Abstand der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war.
Die Erderwärmung ist wissenschaftlich belegt. Die bodennahe Atmosphäre hat sich in der Schweiz seit Messbeginn im Jahr 1864 um rund 2,1 Grad erwärmt. Die Prognosen besagen, dass sich dieser Prozess auch in Zukunft fortsetzen wird. Das Ausmass liegt dabei teilweise noch in menschlicher Hand. Je stärker der globale CO₂-Ausstoss gebremst werden kann, desto geringer wird die Erwärmung ausfallen.
Etwas bereitet den Experten allerdings Kopfzerbrechen: Wie wirkt sich diese Erwärmung konkret auf die Häufigkeit bestimmter Wetterlagen aus? «Diese Thematik nimmt in der Forschung derzeit zu wenig Raum ein. Dabei ist sie zentral für das Verständnis der weiteren Entwicklung», sagt Stephan Bader, Klimatologe bei Meteo Schweiz.
Klimatologisch betrachtet liegt vor allem die Alpennordseite der Schweiz im Einflussbereich der atlantischen Westwindzirkulation. Das bedeutet, dass unser Klima durch vier Jahreszeiten mit einer Fülle von verschiedenen Wetterlagen geprägt wird. Je nachdem, woher die Luftmassen kommen, fällt der Wettercharakter unterschiedlich aus.
Wenn sich zum Beispiel über längere Zeit eine Südwestlage mit subtropischen Luftmassen einstellt, führt dies im Sommer zu ausgeprägten Hitzeperioden und im Winter zu mildem Föhnwetter. Kommt die Luft aus der entgegengesetzten Richtung, also aus Osten oder Nordosten, kann es im Winter bitterkalt werden und im Sommer stellt sich trocken-kühles Bisenwetter ein.
In der Meteorologie werden rund 30 solcher Grosswetterlagen unterschieden, die das Wetter in der Schweiz beeinflussen. Je nach Jahreszeit treten bestimmte Grosswetterlagen häufiger, andere eher seltener auf. Eine lesenswerte Übersicht dazu hat die Berner Meteorologin Fabienne Muriset in ihrem Blog zusammengestellt.
Die Frage ist nun: Sorgt der Klimawandel dafür, dass bestimmte Grosswetterlagen vermehrt und hartnäckiger auftreten? Oder handelt es sich einfach um eine zufällige Laune der Natur?
Es gibt Studien, die sich mit Teilaspekten dieses Themas befassen. So äusserte ein internationales Forschungsteam unter der Federführung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung kürzlich die Vermutung, dass die Klimaerwärmung den sogenannten Jetstream abschwächen könnte. Dabei handelt es sich um ein Starkwindband, das sich in grosser Höhe um die Nordhalbkugel der Erde windet und die Grenze zwischen kalter Polarluft und milder Subtropenluft markiert. Die (vermutete) Folge: eine stärkere Neigung zum Erhalt von Grosswetterlagen über einen längeren Zeitraum.
Allerdings handelt es sich dabei nur um eine Hypothese. Das Problem: Das Klima unterliegt auch ohne Zutun des Menschen natürlichen Zyklen. Diese können gemäss Stephan Bader sehr ausgeprägt sein und mehr als ein Jahrzehnt anhalten. «Wir sprechen deshalb von dekadischen Zyklen.»
Das bedeutet: Eine bestimmte Grosswetterlage kann während langer Zeit hartnäckig immer wieder auftreten – nur um in der darauf folgenden Dekade dann fast zu verschwinden.
Die 1990er-Jahre wiesen zum Beispiel eine Häufung von starken atlantischen Winterstürmen auf, die über Europa hinwegfegten. Der «Jahrhundertsturm» Lothar im Dezember 1999 bildete den Höhepunkt dieser Entwicklung. Die unter den Meteorologen als «Roaring-Ninetys» (»Röhrende Neunziger») bekannte Periode endete relativ abrupt zu Beginn des neuen Jahrtausends. Eine vergleichbare Phase von stürmischen Winterhalbjahren ist seither ausgeblieben.
Im Sommerhalbjahr zeigt sich etwa seit Ende der 2000er-Jahre nun eine neue Tendenz. «Wir bemerken, dass sich das sommerliche Subtropen-Hochdruckgebiet, das im Mittelmeerraum für sonniges und trockenes Wetter sorgt, verstärkt über den Alpenbogen hinaus nach Mitteleuropa ausdehnt», sagt Stephan Bader. Die Mittelmeerhitze wird also über die Alpen verfrachtet und die regenbringenden Tiefdruckgebiete vom Atlantik werden weit nach Norden abgelenkt.
In Fabienne Murisets Wetterlagenatlas trägt die dafür verantwortliche Wetterlage die Bezeichnung Südwest-zyklonal. Ihre Analysen bestätigen dabei den Trend: «Es handelt sich um die Grosswetterlage, die seit der Jahrtausendwende am stärksten zugenommen hat, dies insbesondere in den Sommermonaten, aber auch im Spätherbst.»
Die Wetterlage Südwest-zyklonal hatte demnach im Zeitraum von 1881 bis 2008 in der Schweiz im August einen Anteil von nur 1,7 Prozent. Im Zeitraum zwischen 2001 und 2020 stieg der Anteil hingegen auf 12,1 Prozent. Ähnlich markant ist die Zunahme im Oktober. Für konkrete Beispiele muss man dabei nicht weit in die Vergangenheit zurückgehen: Der heisse Sommer 2022 wurde grösstenteils von einer zyklonalen Südwestlage geprägt, ebenso wie der unlängst zu Ende gegangene Rekord-Oktober.
Daraus könnte nun ein Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Häufigkeit einer Grosswetterlage hergestellt werden. Es würde auch in die Klimaszenarien passen, welche für die Schweiz angenommen werden. Hitzeperioden sollen demnach im Sommer häufiger und auch extremer werden, was in den letzten Jahren tatsächlich auch beobachtet wurde.
Stephan Bader bleibt aber vorsichtig. Die Schwierigkeit bestehe darin, herauszufinden, ob die Zunahme oder Abnahme einer bestimmten Wetterlage auf den Klimawandel zurückzuführen oder einfach nur natürlichen Prozessen geschuldet ist.
Ein wichtiger Indikator für das Zusammenspiel der Grosswetterlagen sind gemäss Stephan Bader die Niederschlagssummen. Falls es wegen der Klimaerwärmung tatsächlich zu einer grundlegenden Veränderung gekommen wäre, müsste sich dies in den Niederschlagssummen abbilden. Genau das ist aber nicht der Fall. «Bei den saisonalen Niederschlagssummen ist trotz der markanten Erwärmung in den letzten hundert Jahren keine eindeutige Tendenz zu beobachten.»
Leider fehlt gemäss Bader eine umfassende Studie, welche die beobachtete und die weiter erwartete Klimaänderung in der Schweiz mit der Änderung von Wetterlagen in Zusammenhang bringt. «Was wir mit Sicherheit wissen, ist, dass sich unsere Atmosphäre grundsätzlich erwärmt und diese Erwärmung weitergehen wird», sagt er. Der Klimawandel sei eine Realität. Aber nicht jede extreme Wetterlage könne nur dem Klimawandel zugeschrieben werden.
Auch Fabienne Muriset verweist auf die Problematik der natürlichen Schwankungen: «Die Zeitspanne ist zu kurz für eine abschliessende Prognose für die Zukunft.» Hier müsse noch weitere Ursachenforschung betrieben werden.
Klar ist, dass die Prozesse in der Atmosphäre auf der für unser Wetter relevanten Nordhalbkugel der Erde mittlerweile auf einer grundlegend wärmeren «Etage» ablaufen als noch vor einigen Jahrzehnten. So erwärmt sich vor allem die Arktis überdurchschnittlich stark. Das sorgt für wärmere Wassertemperaturen in den umgebenden Meeren – und das wiederum kann sich auf unser Wetter auswirken.
Ein Beispiel: Windige und unbeständige Nordwest-Tiefdrucklagen kommen in Mitteleuropa im Winterhalbjahr regelmässig vor und bringen das typische «Hudelwetter». Statt Schneeschauern gibt es bei dieser Wetterlage aber im Flachland auffällig oft «nur» noch Regen. Der Grund: Die herangeführten Luftmassen sind schlichtweg zu mild. Stephan Bader dazu: «Eine Studie müsste daher auch die Frage klären, ob die bekannten Wetterlagen zunehmend wärmere Luftmassen zur Schweiz transportieren.»
Praktisch völlig ausgeblieben sind im letzten Jahrzehnt im Winter Ost- oder Nordostlagen. Diese Grosswetterlagen, bei denen kalte Kontinentalluft von Russland her nach Westeuropa strömt, sind normalerweise zwischen Dezember und Februar die ultimativen Kältebringer. Letztmals über einen nennenswerten Zeitraum hinweg vorgekommen ist eine solche Konstellation Anfang Februar 2012.
Stephan Bader betont aber, dass das nicht zwingend so bleiben muss. Die entsprechende Grosswetterlage ist nach wie vor im «Repertoire» enthalten. Also muss auch weiterhin damit gerechnet werden.
Sollte sich die Tendenz zu blockierten Grosswetterlagen verstärken, könnte das sogar zu überraschenden Ergebnissen führen. Statt einer persistenten Südwestlage wäre dann nämlich durchaus auch einmal eine genauso hartnäckige Ost- oder Nordostlage denkbar. Die Folge: eisige Kälte, und zwar über Wochen hinweg. «Sehr kalte Winterphasen sind nach wie vor möglich, auch wenn die Wahrscheinlichkeit dafür unter dem Einfluss des Klimawandels abgenommen hat», betont Bader.
Fazit: Vorderhand muss man sich mit der Aussage zufriedengeben, dass schlichtweg der globale Temperaturanstieg dafür sorgt, dass das Klima in der Schweiz wärmer wird. Wie weit dabei auch eine Umstellung oder Veränderung der Grosswetterlagen eine Rolle spielt, muss noch besser erforscht werden.