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Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Grundlagen und Expertenwissen.
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Mordor_
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Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Mordor_ »

Hallo,

leider habe ich vergessen mir die Quelllinks zu notieren, aber ich habe an 2 verschiedenen Stellen gelesen, dass Wälder die Entstehung (nur die Entstehung) von Tornados verhindern oder zumindest bremsen können. Eine Seite besagt, dass es durch die Bäume einen massiven Widerstand gibt, welcher die Drehbewegung der Luft bremst (klingt für mich als laien logisch) und die andere, dass Wälder eine überhitzung des Bodens und damit die Ausbildung einer Superzelle hemmen. Es werden stattdessen eher mehrere kleinerer Gewitterzellen gebildet, die jedoch nicht das Unwetterpotential einer Superzelle besitzen. Auch das klingt logisch. Jetzt meine Frage: Gibt es dort untersuchungen / Statistiken und stimmen diese Aussagen? Letztere (die Erwärmungstheorie) soll sogar von einem Meteorologen aus einem ZDF Bericht stammen. Vllt. finde ich die Quellen noch, aber zumindest für mich aus sicht eines Laien klingt es logisch, dass große Wälder da einen hemmenden Einfluss haben.
Zuletzt geändert von Severestorms am Di 29. Mai 2012, 16:57, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Titel angepasst

Severestorms
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados

Beitrag von Severestorms »

Hallo Mordor

Sowas höre ich zum ersten Mal.

Grossstädte und Industriegebiete sollen ja konvektionsfördernd sein (höhere Aerosolkonzentration und Wärmeproduktion). Darüber gibt es diverse Studien und für mich klingt das auch logisch. Aber dass Wàlder (aufgrund des Oberflächenwiderstandes und einer (vermeintlich?) geringeren Wärmeproduktion) einen entscheidenden Einfluss auf die Entstehung resp. die Stärke eines Tornados oder einer Superzelle haben sollen, bezweifle ich.

Zuerst einmal zur Konvektion (die braucht es ja, dafür überhaupt eine Gewitterwolke entstehen kann):
- Logisch klingt, dass eine regionale Überhitzung wahrscheinlich am seltensten über waldreichen Gebieten stattfindet (eher in Grossstädten oder über dem Gebirge)
- Logisch klingt aber auch, dass Wälder im Vergleich zur Umgebung ein höheres Feuchteangebot besitzen und dieser Umstand eher konvektionsfördernd sein dürfte
- Und logisch klingt auch, dass die Aerosolkonzentration über Wäldern im Vergleich zur Umgebung kleiner ist und dieser Umstand widerum eher konvektionshemmend sein dürfte

Für mich wäre es also nur logisch, wenn Wälder keinen entscheidenden Einfluss auf die Konvektion (resp. die Entstehung von Gewitterwolken) hätten. Aber das ist nur meine schnell formulierte Meinung.

Nun zur Superzelle und zum Tornado.

Sowohl bei der Superzellen- als auch bei der Tornadogenese spielt vor allem die Windscherung (also die Änderung der Windrichtung und -stärke) eine grosse Rolle. Eine Störung derselben kann in der Tat einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung haben. Aber können Wälder die Scherung beeinflussen und wenn ja, wie?

1. Superzelle
Bei der Entstehung von Superzellen dürfte der unterste Kilometer (0-1km) bezüglich Scherung lediglich eine sekundäre Rolle spielen. Wichtig sind vor allem die Winde in der mittleren und oberen Troposphäre. Eine Superzelle schwächt sich in der Regel nicht ab, wenn sie über hügeliges (nicht bergiges!) Gelände zieht. Auch leichte Wärme- und Feuchteangebotsschwankungen in der Zugbahn der Superzelle dürften diese nicht empfindlich stören. Hochreichende Windscherung und dynamische Hebung sind viel wichtiger. Eine gefährliche Superzelle kann auch mit wenig CAPE entstehen/weiterleben.

2. Tornado
Bei der Entstehung von Tornados spielt natürlich der unterste Kilometer (0-1km) eine sehr grosse Rolle (Helizität, Feuchtigkeit, Ausbildung eines Rear Flank Downdrafts, etc.). Aber auch da: Die atmosphärischen Bedingungen sind viel wichtiger als die Oberflächenstruktur. Sonst müssten die Tornados ja schwächer werden, sobald sie Trümmer mit sich führen oder in eine Stadt ziehen. Oder sie müssten sich auflösen, wenn sich ihnen etwas in den Weg stellt. Dies ist aber selten der Fall und wenn, dann hat dies in den allermeisten Fällen mit einer grossflächigen Störung der Helizität und/oder des Inflows zu tun. Diese beiden Grössen agieren aber nicht am Boden, sondern eben ein bisschen höher. Berge und Hügel können da in der Tat einen Einfluss haben. Aber Wälder, Bäume oder Häuser wohl kaum. Es gibt übrigens einige Beispiele von (auch starken) Tornados, welche ganze Täler durch- resp. Pässe überquert haben, wie wenn nichts wäre.

Einige Beispiele:
Empire Alabama Tornado am 27. April 2011: http://www.youtube.com/watch?v=2yHUHpC1fgo
Rockwell Pass Tornado am 7. Juli 2004: http://tornado.sfsu.edu/RockwellPassTornado/index.html
Teton-Yellowstone Tornado vom 21. Juli 1987: http://216.67.167.2/em/docs/nws_pamphle ... _paper.pdf

Soweit mal meine Gedanken dazu.

Gruss Chris
Zuletzt geändert von Severestorms am Di 29. Mai 2012, 17:15, insgesamt 5-mal geändert.
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Mordor_
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Mordor_ »

Dann denkst du, dass Wälder nur einen sehr geringen Einfluss ausüben, oder?

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Willi
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Willi »

Es gibt übrigens einige Beispiele von (auch starken) Tornados, welche ganze Täler durch- resp. Pässe überquert haben, wie wenn nichts wäre.
Dazu gehören bestimmt auch die von A. Piaget dokumentierten Tornados im Jura, siehe die Grafik+Legende. Die Waldschäden waren enorm.

Quelle: A. Piaget, L'évolution orageuse au nord des Alpes et la tornade du Jura vaudois do 26 août 1972, Veröffentlichungen der Schweiz. Meteorol. Zentralanstalt 35, 1976. Sehr lesenswert!

Gruss Willi

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Zuletzt geändert von Willi am Mi 30. Mai 2012, 11:00, insgesamt 1-mal geändert.
Gruss Willi
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Severestorms
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Severestorms »

Mordor_ hat geschrieben:Dann denkst du, dass Wälder nur einen sehr geringen Einfluss ausüben, oder?
Ja. Wenn, dann nur einen sehr geringen. Wobei mir aber nicht klar ist, welchen. Zumindest bremsen Wälder, Bäume, Trümmer, usw. nicht die Drehbewegung von Tornados.

@Willi: Danke, die wollte ich eigentlich auch noch erwähnen.
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Mordor_
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Mordor_ »

Gibt es denn dann generell irgend etwas, was eine Superzelle stören, bzw. abschwächen könnte?

Severestorms
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados und Superzellen

Beitrag von Severestorms »

Mordor_ hat geschrieben:Gibt es denn dann generell irgend etwas, was eine Superzelle stören, bzw. abschwächen könnte?
Ja, da gibt es Einiges. Sonst würde eine Superzelle ja ewig weiterziehen.. ;-) Sorry für den Scherz!

Spontan fallen mir folgende Faktoren ein, welche eine Superzelle stören und damit abschwächen können:

- verändertes Windfeld (egal in welcher Höhe)
- gestörter Inflow (z.B. durch outflowboundaries anderer Zellen)
- markante Abnahme an Grundschichtenfeuchte und/oder Labilität
- Gebirge
- eine andere kreuzende (Super-)zelle

Einige dieser Faktoren sind in Wechselwirkung zu einander (z.B. ein Gebirge verändert automatisch auch das Windfeld im unmittelbaren Umfeld der in das Gebirge ziehenden Superzelle).

Gruss Chris
Zuletzt geändert von Severestorms am Di 5. Jun 2012, 10:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Nuubis
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Re: Einfluss großer Wälder auf Tornados

Beitrag von Nuubis »

Severestorms hat geschrieben:1. Superzelle
Bei der Entstehung von Superzellen dürfte der unterste Kilometer (0-1km) bezüglich Scherung lediglich eine sekundäre Rolle spielen. Wichtig sind vor allem die Winde in der mittleren und oberen Troposphäre. Eine Superzelle schwächt sich in der Regel nicht ab, wenn sie über hügeliges (nicht bergiges!) Gelände zieht. Auch leichte Wärme- und Feuchteangebotsschwankungen in der Zugbahn der Superzelle dürften diese nicht empfindlich stören. Hochreichende Windscherung und dynamische Hebung sind viel wichtiger. Eine gefährliche Superzelle kann auch mit wenig CAPE entstehen/weiterleben.

2. Tornado
Bei der Entstehung von Tornados spielt natürlich der unterste Kilometer (0-1km) eine sehr grosse Rolle (Helizität, Feuchtigkeit, Ausbildung eines Rear Flank Downdrafts, etc.). Aber auch da: Die atmosphärischen Bedingungen sind viel wichtiger als die Oberflächenstruktur. Sonst müssten die Tornados ja schwächer werden, sobald sie Trümmer mit sich führen oder in eine Stadt ziehen. Oder sie müssten sich auflösen, wenn sich ihnen etwas in den Weg stellt. Dies ist aber selten der Fall und wenn, dann hat dies in den allermeisten Fällen mit einer grossflächigen Störung der Helizität und/oder des Inflows zu tun. Diese beiden Grössen agieren aber nicht am Boden, sondern eben ein bisschen höher. Berge und Hügel können da in der Tat einen Einfluss haben. Aber Wälder, Bäume oder Häuser wohl kaum. Es gibt übrigens einige Beispiele von (auch starken) Tornados, welche ganze Täler durch- resp. Pässe überquert haben, wie wenn nichts wäre.

Einige Beispiele:
Empire Alabama Tornado am 27. April 2011: http://www.youtube.com/watch?v=2yHUHpC1fgo
Rockwell Pass Tornado am 7. Juli 2004: http://tornado.sfsu.edu/RockwellPassTornado/index.html
Teton-Yellowstone Tornado vom 21. Juli 1987: http://216.67.167.2/em/docs/nws_pamphle ... _paper.pdf

Soweit mal meine Gedanken dazu.

Gruss Chris
Danke für die guten Erklärungen. Hast das sehr gut gemacht und das wird mir sicherlich was nützen, da ich in der Schule gerade das Thema Tornados habe.

Gedanken über den Wald und ob er eine Rolle bei der Bekämpfung der Entstehung von Tornados spielt habe ich mir noch nicht gemacht. Vielleicht frage ich einfach mal meinen Professor. Der kann mir dazu sicherlich etwas erzählen.

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