Föhndurchbruch bis an den Zürichsee: Analyse
Verfasst: Fr 21. Jan 2011, 17:51
Föhndurchbruch am mittleren und oberen Zürichsee
Hallo zusammen
In diesem Beitrag möchte ich einem Wetter-Phänomen auf die Spur gehen, das mich seit frühester Kindheit fasziniert: Dem Föhn am Zürichsee. Aufgewachsen bin ich in Schönenberg, am linken Seeufer. In dieser Zürcher Berggemeinde (auf 711 m.ü.M. gelegen) ist Föhn etwas völlig normales. Bei kräftigeren Föhnlagen bricht der Föhn fast immer durch. In meiner jetzigen Wohngemeinde Männedorf – am rechten Ufer des Zürichsees gelegen – ist die Sache etwas anders. Auch hier schaut der Föhn hin und wieder vorbei. Allerdings nur sehr selten. In der Regel bekommt man hier vom Föhn "nur" die einzigartige Stimmung über den Alpen geboten (Föhnlinsen, klare Sicht, faszinierende Lichtverhältnisse). Dabei liegen zwischen diesen beiden Gemeinden (also Schönenberg und Männedorf) nur etwa sechs Kilometer Luftlinie! Und genau das ist es, was ich in diesem Beitrag eruieren möchte: Wann und unter welchen Bedingungen stösst der Föhn bis ans rechte Seeufer vor? Welche Konstellationen und Grosswetterlagen begünstigen solche Durchbrüche? Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Wie genau Föhn entsteht soll nicht in diesem Thread behandelt werden. Darüber kann man sich anderweitig informieren. Zum Beispiel hier:
http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... hling.html
Nur soviel zum weiteren Verständnis: Der Zürichsee ist keine Föhnregion im klassischen Sinne. Klassische Föhnregionen sind für mich jene Regionen, in denen es beim Eintreten einer Föhnlage über den Alpen auch tatsächlich zu einem Durchbruch des warmen Windes kommt. Das ist in den typischen alpinen Föhntälern (Reusstal, Rheintal, etc.) der Fall. Der Zürichsee ist jedoch so etwas wie eine "Aushauchregion" des Föhns. Nur selten schafft er es tatsächlich bis an den See oder darüber hinaus. Aber weshalb?
Zunächst mal eine Hilfe zum besseren Verständnis. Ich habe die wichtigsten "Einfallschneisen" des Föhns an den Zürichsee in der weiter unten folgenden Karte mit roter Farbe markiert. Von Süden her kann der Urner Föhn, resp. dessen Ausläufer bis an den Zürichsee vorstossen. Der "Urner" kann über Einsiedeln und das Sihltal, aber auch über den Ägerisee und die Höhrohnen-Kette vorstossen. Jene Lagen, wo der Föhn direkt von der Höhronen-Kette stürzte, sind mir als Kind in Schönenberg noch besonders gut in Erinnerung. In der Regel ist der Wind dann sehr stark (Sturmstärke) und vor allem böig. Phasen völliger Windstille und heftigste Windstösse können sich dabei abwechseln, was den Föhn unheimlich und unberechenbar macht. Nur soviel: Die schlimmsten Sturmschäden an der Vegetation rund um mein Elternhaus richteten fast nie die klassischen Winterstürme an – es war stets der Föhn, der Bäume knickte und Ziegel davontrug. Am rechten Zürichseeufer sorgt der Urner selten für Sturmböen. Wenn er dann durchbricht, sorgt er meist "nur" für starke Böen, die aber keine Schäden anrichten.
Von Osten und Südosten her stösst der Glarner- und Sarganser Föhn an den Zürichsee vor. Am oberen Zürichsee und im Linthgebiet sind diese beiden Föhntypen dominierend. In der Linthebene (Raum Schänis, Walensee) sorgt der Glarner/Sarganser sogar ziemlich regelmässig für Föhnsturm. Der Glarner/Sarganser kann auch bis an den mittleren Seeteil vorstossen. Dazu werden wir später noch kommen.
Diese "Einfallsschneisen" ergeben sich aus der Topografie der Region. Der Urner Föhn stösst vom Reusstal ins Sihltal und an den Ägerisee vor. Wenn er genügend Kraft hat, überspringt er zusätzlich die Höhronen-Kette und den Etzel und stürzt ans linke Seeufer und in die Höfe-Gemeinden.
Der Glarner/Sarganser-Föhn kommt vom Glarnerland und dem Sarganserland her und stösst bei genügender Kraft in die Linthebene vor. Von dort aus ist der weitere Weg dann vorprogrammiert (über den Seedamm weiter den See hinunter).
Aber: Bis heute lässt sich nur sehr schwer vorhersagen, wann und ob der Föhn tatsächlich bis an den Zürichsee vorstösst. Die immer wieder gehörte Faustregel, dass der Föhn einfach besonders heftig sein muss, damit er es bis ans Seeufer schafft, ist so nicht richtig. Vielmehr bleibt es bei besonders starken winterlichen Föhnlagen mit starkem Gradienten am Zürichsee meistens total windstill. Es sind andere Faktoren, die für einen Durchbruch relevanter sind.
Aber welche?
Um das herauszufinden vergleiche ich einige Föhnlagen der letzten Jahre. Zunächst analysiere ich zwei Föhnlagen, bei denen der Föhn es nachweislich bis ans rechte Zürichseeufer geschafft hat. Bei diesen Lagen kam es in Männedorf und Stäfa zu teils kräftigen Windböen und die Temperaturkurve machte einen markanten Sprung nach oben.
Das erste Beispiel für eine solche Föhnlage, die spürbar bis an den Zürichsee vorgestossen ist, datiert vom 2. November 2008. Der Föhndurchbruch erfolgte am rechten Zürichseeufer an diesem Tag um ca. 22.30 Uhr, also in den späten Abendstunden. Die Temperaturen stiegen mit Einsetzen des Föhns sprunghaft von ca. 5 Grad auf über 10 Grad an. Die Wetterstation Feldbach registrierte die Maximal-Temperatur (10,9 Grad) an diesem Tag um 23.50 Uhr; also vollkommen entgegen dem zu erwartenden "normalen" Tagesverlauf, aber typisch für Föhndurchbrüche in den Herbst- und Wintermonaten.
Die Wetterlage am 2.11.2008 wies zum Zeitpunkt 18 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Steuerndes Tiefdruckgebiet mit Zentrum über Südwestfrankreich (Kerndruck 1002hpa)
- Mässiger Druckunterschied zwischen Alpennord- und Alpensüdseite (ca. 6 hpa).
- Kräftige Staulage auf der Alpensüdseite mit Niederschlägen im Tessin, sehr trockene Luftmassen auf der Alpennordseite
- Warmluftblase mit 850hpa-Temperaturen von 13 bis 14 Grad im Norden. Im Süden wesentlich kältere 850hpa-Temperaturen (nur 4 bis 5 Grad im Tessin).
- Relativ markante Drängung der Theta E-Werte im Alpenraum, d.h. verhältnismässig scharfe Trennung zweier unterschiedlicher Luftmassen auf engem Raum.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit stark östlicher (Bisen)-Komponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld mit stark südlicher Komponente
- Höhenjet (300hpa-Niveau) direkt auf die Zentralalpen gerichtet)
Das zweite Beispiel für eine Föhnlage, bei der es zu einem Durchbruch des Windes bis ans rechte Zürichseeufer kam, datiert vom 26. April 2009. Der Föhnduchbruch erfolgte in Männedorf um kurz nach 16 Uhr. Der 26.4.09 war der wärmste Tag des Monats: Er brachte es auf eine Durchschnittstemperatur von rund 16 Grad, die Maximaltemperatur wurde am frühen Abend mit ca. 23 Grad erreicht.
Die Wetterlage am 26.04.2009 wies zum Zeitpunkt 12 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Bodentief mit Kern über dem Rheingraben (Kerndruck ca. 1006hpa).
- Mässiger Druckunterschied zwischen Alpennord- und Alpensüdseite (ca. 6 hpa).
- Zwar gab es einen Staueffekt im Tessin, allerdings schwappte die Feuchtigkeit wegen der Lage des Bodentiefs bereits auch in die Westschweiz und ins Elsass. Also keine klassische Staulage wie sie sonst bei Biskaya-Tiefs auftritt.
- 850hpa-Temperaturen von 10 bis 12 Grad in der Ostschweiz. Im Süden (Tessin) dagegen 850er-Temperaturen von 3 bis 4 Grad.
- Auch hier auffällige Theta E-Drängung vor allem im Grenzbereich Schweiz/Österreich.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit östlicher Komponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld mit südlicher Komponente
- Höhenjet (300hpa-Niveau) zielt auf die Zentralalpen.
Nehmen wir nun zum Vergleich zwei Föhnlagen der jüngeren Vergangenheit, bei denen es nachweislich nicht zu einem Durchbruch des Föhns bis ans rechte Zürichseeufer kam. Die erste Lage datiert vom 14. November 2009.
Die Wetterlage am 14.11.2009 wies zum Zeitpunkt 06 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Kräftiges steuerndes Sturmtief über den Britischen Inseln mit Kerndruck um 970hpa. Der Gradient und damit die Föhnlage in den Alpen wurde durch eine Welle am Südrand des Haupttiefs ausgelöst.
- Relativ starker Gradient (um 10hpa Druckunterschied zwischen Nord und Süd)
- Keine Staulage auf der Alpensüdseite. Die Luftmassen waren beiderseits der Alpen relativ trocken.
- Warmluftadvektion auf der ganzen Alpennordseite mit 850hpa-Temperaturen von 10 bis 11 Grad. Im Tessin 850hpa-Werte von 2-3 Grad.
- Eher unauffällige Teta E-Werte im Alpenraum. Vor allem im Osten relativ gleichmässige Luftmasse
- S/SW-Winde im Bodenwindfeld (10M)
- S/SW-Winde im 850hpa-Windfeld
- Höhenjet (300hpa-Niveau) verläuft klar westlich der Schweiz.
Die zweite Föhnlage, bei der es nicht zum Durchbruch des Föhns nach Norden kam, datiert vom 4. Oktober 2010.
Die Wetterlage am 4.10.2010 wies zum Zeitpunkt 06 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Klassisches Föhntief über Südwestfrankreich mit Kerndruck um 990 hpa ("Biskaya-Tief").
- Relativ starker Gradient zwischen Nord und Süd (8-9hpa)
- Kräftiger Südstau
- Massive Warmluftadvektion über Mitteleuropa, dabei 850hpa-Temperaturen von bis annähernd 15 Grad auf der Alpennordseite. Auf der Alpensüdseite 850er-Werte von 7 bis 9 Grad.
- Sehr ausgeglichenes Theta E-Feld über dem CH-Alpenraum.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit starker Ostkomponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld
- Höhenjet (300hpa-Niveau) nicht mal annähernd in der Nähe des Alpenraums
Was lässt sich nun daraus ableiten? Folgende Erkenntnisse scheinen mit von Relevanz:
- Der Druckunterschied zwischen Nord und Süd scheint bei der Frage, ob der Föhn bis an den Zürichsee vorstösst von eher geringer Bedeutung zu sein. Bei den analysierten Lagen mit starkem Gradient kam es nicht zum Durchbruch, bei den Lagen mit eher mässigem Gradient hingegen brach der Föhn durch!
- Eine eher östlich/südöstliche Föhnströmung scheint den Durchbruch des Föhns an den Zürichsee zu begünstigen. Das würde die These bestätigen, dass der Glarner/Sarganser-Föhn es leichter hat, bis an den Zürichsee vorzustossen, da er im Vergleich zum Urner Föhn kaum topografische Hindernisse zu bewältigen hat.
- Bei den Föhnlagen, bei denen es zu einem Durchbruch des Föhns bis an den Zürichsee kam, ist eine auffällige Drängung der Theta E-Werte im östlichen Schweizer Alpenraum erkennbar. Daraus lässt sich (vermutlich) schliessen, dass eine scharfe Trennung zweier energetisch unterschiedlicher Luftmassen im besagten Bereich den Vorstoss des Föhns bis an den Zürichsee begünstigt. Das kann bei der Prognose künftiger Föhnlagen von Relevanz sein.
- Ein kräftiger Südstau ist offenbar nicht notwendig, damit der Föhn bis ans rechte Zürichseeufer vorstösst.
- Das Vorhandensein eines kräftigen Höhenjets, der mehr oder weniger direkt auf den Schweizer Alpenraum zielt, scheint den Vorstoss des Föhns an den Zürichsee zu begünstigen.
Bei der Vorhersage künftiger Föhnlagen mit Augenmerk auf einen eventuellen Vorstoss bis ans rechte Zürichseeufer scheinen mir unter Verwendung der für Laien zugänglichen Karten also die folgenden Aspekte relevant:
- Strömungsrichtung und Windrichtung (10M, 850hpa)
- Theta E-Feld
- Höhenjet
Mal schauen, ob ich die Frage, ob der Föhn es bis an den Zürichsee schafft dadurch künftig besser beantworten kann.
Wie immer freue ich mich über Anregungen, Meinungen und Kritik!
Tinu
Hallo zusammen
In diesem Beitrag möchte ich einem Wetter-Phänomen auf die Spur gehen, das mich seit frühester Kindheit fasziniert: Dem Föhn am Zürichsee. Aufgewachsen bin ich in Schönenberg, am linken Seeufer. In dieser Zürcher Berggemeinde (auf 711 m.ü.M. gelegen) ist Föhn etwas völlig normales. Bei kräftigeren Föhnlagen bricht der Föhn fast immer durch. In meiner jetzigen Wohngemeinde Männedorf – am rechten Ufer des Zürichsees gelegen – ist die Sache etwas anders. Auch hier schaut der Föhn hin und wieder vorbei. Allerdings nur sehr selten. In der Regel bekommt man hier vom Föhn "nur" die einzigartige Stimmung über den Alpen geboten (Föhnlinsen, klare Sicht, faszinierende Lichtverhältnisse). Dabei liegen zwischen diesen beiden Gemeinden (also Schönenberg und Männedorf) nur etwa sechs Kilometer Luftlinie! Und genau das ist es, was ich in diesem Beitrag eruieren möchte: Wann und unter welchen Bedingungen stösst der Föhn bis ans rechte Seeufer vor? Welche Konstellationen und Grosswetterlagen begünstigen solche Durchbrüche? Welche Faktoren spielen eine Rolle?
Wie genau Föhn entsteht soll nicht in diesem Thread behandelt werden. Darüber kann man sich anderweitig informieren. Zum Beispiel hier:
http://www.meteoschweiz.admin.ch/web/de ... hling.html
Nur soviel zum weiteren Verständnis: Der Zürichsee ist keine Föhnregion im klassischen Sinne. Klassische Föhnregionen sind für mich jene Regionen, in denen es beim Eintreten einer Föhnlage über den Alpen auch tatsächlich zu einem Durchbruch des warmen Windes kommt. Das ist in den typischen alpinen Föhntälern (Reusstal, Rheintal, etc.) der Fall. Der Zürichsee ist jedoch so etwas wie eine "Aushauchregion" des Föhns. Nur selten schafft er es tatsächlich bis an den See oder darüber hinaus. Aber weshalb?
Zunächst mal eine Hilfe zum besseren Verständnis. Ich habe die wichtigsten "Einfallschneisen" des Föhns an den Zürichsee in der weiter unten folgenden Karte mit roter Farbe markiert. Von Süden her kann der Urner Föhn, resp. dessen Ausläufer bis an den Zürichsee vorstossen. Der "Urner" kann über Einsiedeln und das Sihltal, aber auch über den Ägerisee und die Höhrohnen-Kette vorstossen. Jene Lagen, wo der Föhn direkt von der Höhronen-Kette stürzte, sind mir als Kind in Schönenberg noch besonders gut in Erinnerung. In der Regel ist der Wind dann sehr stark (Sturmstärke) und vor allem böig. Phasen völliger Windstille und heftigste Windstösse können sich dabei abwechseln, was den Föhn unheimlich und unberechenbar macht. Nur soviel: Die schlimmsten Sturmschäden an der Vegetation rund um mein Elternhaus richteten fast nie die klassischen Winterstürme an – es war stets der Föhn, der Bäume knickte und Ziegel davontrug. Am rechten Zürichseeufer sorgt der Urner selten für Sturmböen. Wenn er dann durchbricht, sorgt er meist "nur" für starke Böen, die aber keine Schäden anrichten.
Von Osten und Südosten her stösst der Glarner- und Sarganser Föhn an den Zürichsee vor. Am oberen Zürichsee und im Linthgebiet sind diese beiden Föhntypen dominierend. In der Linthebene (Raum Schänis, Walensee) sorgt der Glarner/Sarganser sogar ziemlich regelmässig für Föhnsturm. Der Glarner/Sarganser kann auch bis an den mittleren Seeteil vorstossen. Dazu werden wir später noch kommen.
Diese "Einfallsschneisen" ergeben sich aus der Topografie der Region. Der Urner Föhn stösst vom Reusstal ins Sihltal und an den Ägerisee vor. Wenn er genügend Kraft hat, überspringt er zusätzlich die Höhronen-Kette und den Etzel und stürzt ans linke Seeufer und in die Höfe-Gemeinden.
Der Glarner/Sarganser-Föhn kommt vom Glarnerland und dem Sarganserland her und stösst bei genügender Kraft in die Linthebene vor. Von dort aus ist der weitere Weg dann vorprogrammiert (über den Seedamm weiter den See hinunter).
Aber: Bis heute lässt sich nur sehr schwer vorhersagen, wann und ob der Föhn tatsächlich bis an den Zürichsee vorstösst. Die immer wieder gehörte Faustregel, dass der Föhn einfach besonders heftig sein muss, damit er es bis ans Seeufer schafft, ist so nicht richtig. Vielmehr bleibt es bei besonders starken winterlichen Föhnlagen mit starkem Gradienten am Zürichsee meistens total windstill. Es sind andere Faktoren, die für einen Durchbruch relevanter sind.
Aber welche?
Um das herauszufinden vergleiche ich einige Föhnlagen der letzten Jahre. Zunächst analysiere ich zwei Föhnlagen, bei denen der Föhn es nachweislich bis ans rechte Zürichseeufer geschafft hat. Bei diesen Lagen kam es in Männedorf und Stäfa zu teils kräftigen Windböen und die Temperaturkurve machte einen markanten Sprung nach oben.
Das erste Beispiel für eine solche Föhnlage, die spürbar bis an den Zürichsee vorgestossen ist, datiert vom 2. November 2008. Der Föhndurchbruch erfolgte am rechten Zürichseeufer an diesem Tag um ca. 22.30 Uhr, also in den späten Abendstunden. Die Temperaturen stiegen mit Einsetzen des Föhns sprunghaft von ca. 5 Grad auf über 10 Grad an. Die Wetterstation Feldbach registrierte die Maximal-Temperatur (10,9 Grad) an diesem Tag um 23.50 Uhr; also vollkommen entgegen dem zu erwartenden "normalen" Tagesverlauf, aber typisch für Föhndurchbrüche in den Herbst- und Wintermonaten.
Die Wetterlage am 2.11.2008 wies zum Zeitpunkt 18 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Steuerndes Tiefdruckgebiet mit Zentrum über Südwestfrankreich (Kerndruck 1002hpa)
- Mässiger Druckunterschied zwischen Alpennord- und Alpensüdseite (ca. 6 hpa).
- Kräftige Staulage auf der Alpensüdseite mit Niederschlägen im Tessin, sehr trockene Luftmassen auf der Alpennordseite
- Warmluftblase mit 850hpa-Temperaturen von 13 bis 14 Grad im Norden. Im Süden wesentlich kältere 850hpa-Temperaturen (nur 4 bis 5 Grad im Tessin).
- Relativ markante Drängung der Theta E-Werte im Alpenraum, d.h. verhältnismässig scharfe Trennung zweier unterschiedlicher Luftmassen auf engem Raum.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit stark östlicher (Bisen)-Komponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld mit stark südlicher Komponente
- Höhenjet (300hpa-Niveau) direkt auf die Zentralalpen gerichtet)
Das zweite Beispiel für eine Föhnlage, bei der es zu einem Durchbruch des Windes bis ans rechte Zürichseeufer kam, datiert vom 26. April 2009. Der Föhnduchbruch erfolgte in Männedorf um kurz nach 16 Uhr. Der 26.4.09 war der wärmste Tag des Monats: Er brachte es auf eine Durchschnittstemperatur von rund 16 Grad, die Maximaltemperatur wurde am frühen Abend mit ca. 23 Grad erreicht.
Die Wetterlage am 26.04.2009 wies zum Zeitpunkt 12 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Bodentief mit Kern über dem Rheingraben (Kerndruck ca. 1006hpa).
- Mässiger Druckunterschied zwischen Alpennord- und Alpensüdseite (ca. 6 hpa).
- Zwar gab es einen Staueffekt im Tessin, allerdings schwappte die Feuchtigkeit wegen der Lage des Bodentiefs bereits auch in die Westschweiz und ins Elsass. Also keine klassische Staulage wie sie sonst bei Biskaya-Tiefs auftritt.
- 850hpa-Temperaturen von 10 bis 12 Grad in der Ostschweiz. Im Süden (Tessin) dagegen 850er-Temperaturen von 3 bis 4 Grad.
- Auch hier auffällige Theta E-Drängung vor allem im Grenzbereich Schweiz/Österreich.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit östlicher Komponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld mit südlicher Komponente
- Höhenjet (300hpa-Niveau) zielt auf die Zentralalpen.
Nehmen wir nun zum Vergleich zwei Föhnlagen der jüngeren Vergangenheit, bei denen es nachweislich nicht zu einem Durchbruch des Föhns bis ans rechte Zürichseeufer kam. Die erste Lage datiert vom 14. November 2009.
Die Wetterlage am 14.11.2009 wies zum Zeitpunkt 06 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Kräftiges steuerndes Sturmtief über den Britischen Inseln mit Kerndruck um 970hpa. Der Gradient und damit die Föhnlage in den Alpen wurde durch eine Welle am Südrand des Haupttiefs ausgelöst.
- Relativ starker Gradient (um 10hpa Druckunterschied zwischen Nord und Süd)
- Keine Staulage auf der Alpensüdseite. Die Luftmassen waren beiderseits der Alpen relativ trocken.
- Warmluftadvektion auf der ganzen Alpennordseite mit 850hpa-Temperaturen von 10 bis 11 Grad. Im Tessin 850hpa-Werte von 2-3 Grad.
- Eher unauffällige Teta E-Werte im Alpenraum. Vor allem im Osten relativ gleichmässige Luftmasse
- S/SW-Winde im Bodenwindfeld (10M)
- S/SW-Winde im 850hpa-Windfeld
- Höhenjet (300hpa-Niveau) verläuft klar westlich der Schweiz.
Die zweite Föhnlage, bei der es nicht zum Durchbruch des Föhns nach Norden kam, datiert vom 4. Oktober 2010.
Die Wetterlage am 4.10.2010 wies zum Zeitpunkt 06 UTC folgende Merkmale auf (GFS-Archiv):
- Klassisches Föhntief über Südwestfrankreich mit Kerndruck um 990 hpa ("Biskaya-Tief").
- Relativ starker Gradient zwischen Nord und Süd (8-9hpa)
- Kräftiger Südstau
- Massive Warmluftadvektion über Mitteleuropa, dabei 850hpa-Temperaturen von bis annähernd 15 Grad auf der Alpennordseite. Auf der Alpensüdseite 850er-Werte von 7 bis 9 Grad.
- Sehr ausgeglichenes Theta E-Feld über dem CH-Alpenraum.
- O/SE-Winde im Bodenwindfeld (10M) mit starker Ostkomponente
- S/SE-Winde im 850hpa-Windfeld
- Höhenjet (300hpa-Niveau) nicht mal annähernd in der Nähe des Alpenraums
Was lässt sich nun daraus ableiten? Folgende Erkenntnisse scheinen mit von Relevanz:
- Der Druckunterschied zwischen Nord und Süd scheint bei der Frage, ob der Föhn bis an den Zürichsee vorstösst von eher geringer Bedeutung zu sein. Bei den analysierten Lagen mit starkem Gradient kam es nicht zum Durchbruch, bei den Lagen mit eher mässigem Gradient hingegen brach der Föhn durch!
- Eine eher östlich/südöstliche Föhnströmung scheint den Durchbruch des Föhns an den Zürichsee zu begünstigen. Das würde die These bestätigen, dass der Glarner/Sarganser-Föhn es leichter hat, bis an den Zürichsee vorzustossen, da er im Vergleich zum Urner Föhn kaum topografische Hindernisse zu bewältigen hat.
- Bei den Föhnlagen, bei denen es zu einem Durchbruch des Föhns bis an den Zürichsee kam, ist eine auffällige Drängung der Theta E-Werte im östlichen Schweizer Alpenraum erkennbar. Daraus lässt sich (vermutlich) schliessen, dass eine scharfe Trennung zweier energetisch unterschiedlicher Luftmassen im besagten Bereich den Vorstoss des Föhns bis an den Zürichsee begünstigt. Das kann bei der Prognose künftiger Föhnlagen von Relevanz sein.
- Ein kräftiger Südstau ist offenbar nicht notwendig, damit der Föhn bis ans rechte Zürichseeufer vorstösst.
- Das Vorhandensein eines kräftigen Höhenjets, der mehr oder weniger direkt auf den Schweizer Alpenraum zielt, scheint den Vorstoss des Föhns an den Zürichsee zu begünstigen.
Bei der Vorhersage künftiger Föhnlagen mit Augenmerk auf einen eventuellen Vorstoss bis ans rechte Zürichseeufer scheinen mir unter Verwendung der für Laien zugänglichen Karten also die folgenden Aspekte relevant:
- Strömungsrichtung und Windrichtung (10M, 850hpa)
- Theta E-Feld
- Höhenjet
Mal schauen, ob ich die Frage, ob der Föhn es bis an den Zürichsee schafft dadurch künftig besser beantworten kann.
Wie immer freue ich mich über Anregungen, Meinungen und Kritik!
Tinu