Microwave hat geschrieben:
OT: Hast du eigentlich ein Diplom oder anderweitig eine Ausbildung bzw. Weiterbildung in die Klima-Richtung?
Ich bin Biologe, da muss ich mich mit dem Klima (und mit Geologie, und mit Statistik, mit Vegetationsgeschichte usw.) beschäftigen, denn sonst verstehe ich nicht, was ich draussen sehe. Dadurch habe ich auch einen Einblick in den Wissenschaftsbetrieb, ich weiss also einigermassen, wie das läuft.
Das sind aber alles Dinge, in die man sich ohne grossen Aufwand selbst einlesen kann, und es auch tun sollte, wenn man sich damit beschäftigt.
Überlässt man das Feld ganz den Experten, ist man verloren - typisches anderes Beispiel: Atomkraftwerke. Da muss man die theoretischen Grundlagen der Kernphysik verstehen, sonst geht man unfehlbar irgendwelchen Ideologen auf den Leim.
Zu den Medien: Es ist schwer, Dinge zu kommunizieren, die sich langsam ereignen, die schlecht bzw. nur mit grosser Variabilität und Unsicherheit voraussagbar sind und die an sich nicht sensationell sind, weil die Prozesse langsam ablaufen und wenig Lärm machen.
Erinnert ihr Euch noch an das Hochwasser, das vor einigen Jahren Brienz verheert hat? Da wurden von einem wildgewordenen Bach Häuser weggerissen und andere verschüttet.
Die Medien haben das natürlich als Ereignis berichtet.
Ich habe mich hingegen gefragt, warum denn die grossen Steine am Rand des Erosionsgrabens, den der Bach durch das Dorf gezogen hat, gerundet sind. Offenbar kommen solche Ereignisse regelmässig vor, nur eben nicht häufig genug im Zeithorizont unserer Wahrnehmung.
Der Mensch, der dort wohnt und nun sein Haus sucht, für den ist das natürlich eine Katastrophe.
Für den Geologen ist das ein ganz natürlicher Prozess - die ganze Talebene hinauf bis Meiringen ist ja von solchen Hochwasserereignissen aufgefüllt worden, denn nur dann können so grosse Gerölle, wie sie massenhaft überall vorkommen, vom Wasser transportiert und gerundet werden.
Für eine Statistik ist nun die Zeit, aus der Messdaten vorliegen, viel zu kurz. Zudem ist Statistik eine Wissenschaft, wo man sich ein wenig damit beschäftigen muss, um zu verstehen, wa sie leistet und was nicht, denn alle Prognosen beruhen auf Statistik.
Damit scheiden die gewöhlichen Medien als Hintergrundinformationsquelle aus, denn das spricht das Zielpublikum nicht an. In qualitativ besseren Wissenschaftsseiten findet man vielleicht etwas tiefergehende Artikel, aber deren Qualität hängt ganz davon ab, wie viel der zuständige Redakteur von der Sache versteht.
Die Webseiten und Publikationen von öffentlichen Einrichtungen wie der WSL sind gut, aber etwas zäh zu lesen, und, eben weil sie seriös sind,, nicht sensationell.
Die Problematik von Statistik und Massenmedium (Sensationspresse) ist kurz gesagt folgende:
Mit Statistik kann man keine Kausalität beweisen. Man kann nur berechnen, mit wie grosser Wahrscheinlichkeit ein Ereignis zufällig eingetreten ist. Ist diese Wahrscheinlichkeit rechnerisch zu klein, nimmt man an, dass es kein Zufall war.
Wenn wir, wie bei Klimastatistiken üblich, zahlenmässig geringe langfristige Trends (0.3 Grad Abkühlung in 1000 Jahren) überlagert von grossen Schwankungen haben, und dazu noch kurze Datenreihen, dann wird eine seriöse Aussage über die Zukunft unmöglich.
Wenn z.B. wie in Evolène im Jahr 1999 ein 450 Jahre altes Haus von einer Lawine weggerupft wird, ist das dann ein Klimaänderungsbeweis oder einfach ein Ereignis, das für unseren Zeithorizont zu selten ist, um es als normal einordnen zu können? Die Medien wollen aber vom Wissenschaftler wissen, wie das nun war, sind aber mit einer Antwort wie "einmal in geschätzt 500 oder auch 1000 Jahren" nicht zufrieden. Der Kantonsverantwortliche für Naturgefahren will wissen, wo er sein knappes Budget für Lawinenschutz für die nächsten 5 Jahre am sinnvollsten einsetzen soll, und kann damit nicht viel anfangen. Wenn er den Hang A verbaut und die Lawine kommt bei B, behauptet sicher mindestens einer der zahlreichen selbsternannten Experten in irgend einer Zeitung oder einem YouTube-Video, dass man schon immer wusste, dass Hang B gefährlicher war als A. Aber immer erst hinterher. Ob in Hang A keine Lawine gekommen ist, weil er dort verbaut hat, oder aus Zufall nicht, wird man nie herausfinden. Also wird ein anderer selbsternannter Experte kommen und behaupten, Lawinenschutz sei Geldverschwendung, weil die nur Hänge verbauen wo nichts runterkommt. Wenn es aber sein Haus erwischt, kann er schreien, die seien unfähig. Wird Land ausgezont, weil es in einer Lawinengefahrenzone liegt, dann ist von Enteignung und Geldvernichtung die Rede. All das ist schlagzeilenträchtig und kommt in die Medien.
Mit Statistk ist es einfach, unseriös zu arbeiten, einfach indem man aus den vorhandenen Daten nur die hernimmt, die dann das gewünschte Ergebnis zeigen. Bei Zeitreihen ist es besonders einfach: Man nimmt einen passenden Abschnitt, wo der Trend so ist, wie man ihn gerne hätte.
Ein unseriöses Beispiel, wie man mit Statistik wahrsagen kann:
Es sei ein Pferderennen mit 10 Pferden am Start.
Du schickst je 10'000 Mails vor dem Rennen (!) an beliebige Personen (insgesamt 100'000), worin du behauptest, Pferd Nr. 1, Pferd Nr. 2 usw. würde gewinnen.
Nehmen wir an, Pferd Nr. 6 gewinnt.
Mit den 10'000 Empfängern der mail, worin du Nr. 6 als Gewinner vorausgesagt hast, machst du nochmals das selbe:
1000 sagst du in einer zweiten mail, das Pferd Nr. 1 gewinnt, usw.
Nehen wir an, diesmal gewinnt Pferd Nr. 2.
Mit den 1000 Empfängern der Mail, denen du Nr. 2 als Gewinner empfohlen hast, machst du nun wieder das Gleiche.
Diesmal gewinne Pferd Nr. 8.
Du hast also hundert mail-Empfänger, denen du richtig dreimal hintereinander den Gewinner vorausgesagt hast. In der ersten mail Nr.6, in der zweiten Nr. 2, und jetzt Nr. 8.
Die Wahrscheinlichkeit, dass du dreimal zufällig 1 aus 10 richtig wählst, ist 1:1000.
Den hundert Mail-Empfängern kannst du also ein Wettsystem verkaufen, das nachweislich mit 99.9%iger Wahrscheinlichkeit den Gewinner des Rennens richtig voraussagt, denn das ist dir ja nachweislich gelungen. Solange die nichts von den 99'900 Mailempfängern wissen, wo es nicht geklappt hat, ist ja auch alles in Ordnung.
Das Beispiel soll nur zeigen, wie man ohne Lügen, nur durch Weglassen von scheinbar belanglosen Informationen, unseriöse Aussagen machen kann, ohne dass das Zielpublikum eine Möglichkeit hat, die Sache zu durchschauen.